Bremer Polizei räumt Fehlverhalten ein: Zyniker statt Freund und Helfer

Eine junge Frau erstattet Anzeige wegen einer Morddrohung im Internet. Der Polizeibeamte nimmt sie nicht ernst – und ist mittlerweile suspendiert.

Das Wappen der Bremer Polizei auf einer Dienstkleidung.

Nochmal die Kurve gekriegt: Im zweiten Anlauf kümmerte sich die Bremer Polizei dann doch Foto: imago images / IPA Photo

BREMEN taz | Ein Unbekannter schreibt einer jungen Frau während ihres Streamings auf der Videoplattform Twitch folgende Nachricht: „Ich habe deine Adresse und werde dich vergewaltigen und anschließend in der Badewanne ertränken.“ Sein Benutzername besteht aus Vorname und Nachname der jungen Frau, dahinter: „_toeten“. Sie fühlt sich unmittelbar bedroht und geht in Bremen zur Polizei. Die allerdings belächelt die Betroffene am Montagabend, als sie Anzeige gegen Unbekannt erstatten will. Ihre Erfahrungen teilt sie noch am selben Abend auf Twitter mit, wodurch die Öffentlichkeit auf ihren Fall aufmerksam wird.

Anstatt ihr Verständnis entgegenzubringen, habe der Beamte sie gefragt, wieso sie sowas denn auch mache, schreibt die Frau. Gemeint ist ihr Spielen auf Online-Plattformen mit Videostream. Wenn sie es nicht machen würde, „würden wir hier nicht sitzen“, habe der Polizeibeamte gesagt, womit er der jungen Frau eine direkte Mitschuld an dem Vorfall unterstellt. Zum Schluss habe er noch die zynische Bemerkung fallen gelassen, dass die Polizei nun immerhin schon einen Ermittlungshinweis habe – falls die junge Frau wirklich tot in ihrer Badewanne gefunden wird.

In Kommentaren unter ihrem Tweet berichten vor allem Frauen von ähnlichen Erfahrungen und schildern persönliche Demütigungen, die auch sie bei der Polizei erlebt hatten. Auffällig oft geht es dabei um Fälle von verbaler oder sexualisierter Gewalt im Internet mit dem Vorwurf, dass die Polizei im Umgang mit Online-Straftaten noch nicht in der Gegenwart angekommen sei, wie eine Twitter-Userin schreibt.

Die Polizei Bremen spricht von einem Einzelfall und reagierte bereits wenige Stunden nach dem Tweet: „Es ist ein Disziplinarverfahren gegen den Beamten eingeleitet worden. Er ist bis auf Weiteres von seinen Aufgaben im Bürgerkontakt entbunden“.

Disziplinarverfahren eingeleitet

Am Mittwoch Vormittag wurde die Frau noch einmal von der Polizei Bremen eingeladen. Dieses Mal schickte man eine Frau, um die Daten ein erneutes Mal aufzunehmen. Ein nicht unerhebliches Detail, wenn es um sexuelle Gewalt an Frauen geht.

Auf Twitter bedankte sich das Opfer anschließend öffentlich für das „kompetente Handeln“ der Polizei. Auch für den Bremer Grünen-Politiker Mustafa Öztürk ist die Reaktion der Polizei „vorbildlich“, er merkt an, dass die Anzeige trotz der Vorfälle aufgenommen worden sei. Dennoch wolle Öztürk der Polizei bei der heutigen Innendeputation in der Bremer Bürgerschaft Fragen zu diesem Fall stellen. Diese würden sich allerdings eher auf die Anzahl von Anzeigen wegen Online-Bedrohung beziehen als auf das Versagen eines einzelnen Beamten im Fall der jungen Bremerin.

Trotz „vorbildlicher“ Reaktion im Nachhinein bleibt der Fall erschreckend. Er sei ein Beweis für die „subtilen Vorurteile und Vorannahmen bei sexueller Gewalt gegen Frauen“, sagt die Psychologin Sedef Sahin-Yavuz von Notruf Bremen. Es gebe einen unbewussten Mechanismus, den Täter zu entlasten und ein Fehlverhalten bei den Opfern zu suchen.

Dass die „subtilen Vorurteile“ in diesem Fall von einen ausgebildeten Polizeibeamten geäußert wurden, sei problematisch, weil es das Gefühl von Unsicherheit und Ohnmacht beim Opfer verstärke, sagt Sahin-Yavuz. Für Opfer von sexueller Gewalt koste es noch immer Überwindung, zur Polizei zu gehen. Umso wichtiger sei hier die nötige Sensibilität der BeamtInnen.

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