Annalena Baerbocks Rede: Ungeschick zur Unzeit
Im Ausland wird die deutsche Außenministerin für ihre Klarheit geschätzt. Ihre unglückliche Aussage in Straßburg spielt den Kriegshetzern in die Hände.
W ährend die westlichen Verbündeten immer wieder kopfschüttelnd auf Kanzler Olaf Scholz blickten, war sie diejenige, die international als Garantin für die unmissverständliche Solidarität und Unterstützung mit der Ukraine stand: Annalena Baerbock, die grüne Außenministerin, die ins kriegszerstörte Charkiw reiste, ihren ukrainischen Amtskollegen einen Freund nennt, klare Worte findet, wenn es um heikle Fragen zu schweren Waffen geht.
Vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ließ sie sich nun zu einem Satz hinreißen, der ihr auf die Füße fallen könnte. In einer flammenden Rede zur Einheit der westlichen Alliierten gegenüber der Ukraine formulierte Baerbock: „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.“ Ist die Grünen-Politikerin damit eine Kriegstreiberin? Ausgerechnet eine deutsche Außenministerin spricht eine Kriegserklärung aus? Oder steht ihre Aussage lediglich für ihre vielgelobte unmissverständliche Solidarität?
Klar ist: Für die Chefdiplomatin der Bundesrepublik ist dies ein denkbar unglücklicher Satz, der zudem zur Unzeit kommt. Wochenlang zog sich die Debatte um die Lieferung von schwerem Kriegsgerät an die Ukraine. Besonnenheit nannten es diejenigen, die vor einer unvorhersehbaren Eskalation warnten. Zögerlichkeit nannten es diejenigen, die vom Kanzler forderten, den Schlingerkurs gegenüber Russland zu beenden und eindeutige Signale zu senden. Auf das Ja zur Panzerlieferung folgte internationales Aufatmen.
Ja, es handelt sich um einen Krieg. Um einen brutalen Krieg, den Russland gegen die Ukraine, insbesondere die ukrainische Zivilbevölkerung, führt. Nicht die EU, nicht die westlichen Alliierten, nicht die Nato führen Krieg gegen Russland. Dies ist ein entscheidender Unterschied. Gerade eine deutsche Außenministerin muss diesen Unterschied in jeglicher Situation, auf jedem politischen Parkett, präsent halten.
Baerbocks rhetorischer Fehler spielt nicht nur Kriegshetzern in die Hände, die Desinformation nutzen, um den blutigen Überfall auf ein souveränes Land zu rechtfertigen. Mehr noch: Er schwächt auch Durchhalteparolen für diejenigen, die sich solidarisch mit der Ukraine zeigen, aber hadern mit Waffenlieferungen, mit militärischer Aufrüstung und einer deutschen „Zeitenwende“, die vor rund einem Jahr kaum einer für möglich gehalten hatte. International wird Baerbock für ihren Kurs gelobt, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Um so mehr gilt für sie: Kein leichtfertiger Umgang mit dem „Kriegsbegriff“!
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