Aktion #allesdichtmachen im Netz: Nicht ganz dicht
Mit der Aktion #allesdichtmachen polemisieren Schauspieler gegen die Coronapolitik der Bundesregierung. Applaus kommt vom rechten Rand.
Wenn man sich zu einer aufgeregten Debatte mit einem Verweis aufs Altgriechische zu Wort meldet, stehen die Chancen nicht schlecht, als nicht mehr zeitgemäß oder überheblich wahrgenommen zu werden. Andererseits gibt es manchmal gute Gründe, das zu tun. Dazu gleich mehr.
Aktuell haben sich rund 50 prominente Schauspieler gegen die Coronapolitik der Bundesrepublik gewandt. In den sozialen Medien gaben bekannte Mimen wie Ulrich Tukur, Volker Bruch, Meret Becker, Ulrike Folkerts, Richy Müller, Heike Makatsch oder Jan Josef Liefers unter dem Hashtag #allesdichtmachen in Videos Statements ab, die man sehr wohlwollend als „Satire“ bezeichnen könnte.
„Schließen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden Handelsplatz“, sagt Ulrich Tukur in seinem Beitrag an die Adresse der Bundesregierung. „Nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken, Buchhandlungen, Knopfläden, nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte und vor allem all die Supermärkte.“ Tukurs Fazit: „Sind wir erst am Leibe und nicht nur an der Seele verhungert und allesamt mausetot, entziehen wir auch dem Virus samt seiner hinterhältigen Mutantenbagage die Lebensgrundlage.“
Sein Kollege Jan Josef Liefers höhnt: „Danke an alle Medien unseres Landes, die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, dass der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben.“ Womit Liefers eine bei Rechtspopulisten, die selbst selten „unten“ in der Gesellschaft stehen, beliebte Strategie wählt, Ressentiments gegen „die Eliten“ zu schüren und zugleich so zu tun, als gehöre man nicht dazu.
Kritik auch von prominenten Kollegen
Vergleichsweise unbedarft appelliert der „Babylon Berlin“-Star Volker Bruch an die Regierung: „Macht uns mehr Angst! Die Menschen im Land brauchen diese Angst jetzt.“ Derweil gibt Heike Makatsch zu Protokoll, während es aus dem Off klingelt: „Ich mach nicht auf.“ Und Nina Gummich erteilt den Rat: „Befreit euch von eurer eigenen Meinung!“
Wenn man die Beiträge als Kritik verstehen will, kann es helfen, an die etymologische Herkunft aus dem Griechischen zu erinnern. Krínein heißt „unterscheiden“ oder „trennen“. Das Geschäft von Kritikern im Feuilleton besteht zu großen Teilen darin, Dinge voneinander zu unterscheiden, gedanklich zu sortieren, um einen klareren Blick auf die Sache zu gewinnen. Und sie dann zu beurteilen.
In den Videos der Schauspielprominenz hingegen scheint all das zu fehlen. Die Beispiele zeugen vielmehr von undifferenzierter Polemik, die mit unbelegten pauschalen Unterstellungen arbeitet: Die Regierung will uns wahlweise umbringen, Angst machen oder das Recht auf Meinungsfreiheit verbieten, und die Medien sind regierungshörig.
Andere Prominente protestierten gegen die Aktion. So mahnte der Schauspieler Elyas M’Barek: „Mit Zynismus ist doch keinem geholfen.“ Der Pianist Igor Levit kritisierte, die Aktion sei „schlechter, bornierter Schrumpfsarkasmus, der letztendlich bloß fader Zynismus ist, der niemandem hilft. Nur spaltet.“ Schauspieler Christian Ulmen verglich Liefers’ Äußerung gar mit den Einlassungen des Verschwörungstheoretikers Ken Jebsen.
Als Initiator der Aktion hat sich gegenüber dem Spiegel der Filmproduzent Bernd K. Wunder bekannt. Wunder will das Projekt als „Kunstaktion“ verstanden wissen. Was seinerseits eine zynische Aussage ist. Immerhin hat er damit große Teile der hiesigen Schauspielerelite dazu gebracht, in der stark polarisierten öffentlichen Debatte über den Regierungskurs in der Pandemie die ohnehin heikle Stimmung noch weiter anzuheizen. Wie Wunder das gelungen ist, ist eine noch zu klärende Frage.
Wenig überraschend, ist der rechte Rand des Meinungsspektrums von #allesdichtmachen hellauf begeistert. Applaus kam etwa von dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, auf Twitter. Der fand’s „großartig“. Heike Makatsch zog ihr Video inzwischen zurück. Auch Meret Becker und Ken Duken distanzierten sich nachträglich.
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