Letzte Generation auf dem Rollfeld: Weiterhin ungehorsam
Die Letzte Generation blockiert mal wieder – diesmal Flughäfen. Die Aktivistinnen und Aktivisten müssen mit harten Strafen rechnen.
![Ein Mann sitzt auf dem Rollfeld eines Flughafens und hält ein Transparent in den Händen, darauf ist zu lesen "Öl tötet" Ein Mann sitzt auf dem Rollfeld eines Flughafens und hält ein Transparent in den Händen, darauf ist zu lesen "Öl tötet"](/picture/7143657/624/Letzte-Generation-1.jpeg)
Hier fliegt erstmal nichts: Klimaaktivisten blockieren den Flughafen Frankfurt am Main Foto: Letzte Generation/epa
BERLIN taz | Aktivisten der Letzten Generation haben in dieser Woche wiederholt auf den Rollfeldern von Flughäfen gegen die Fossilwirtschaft protestiert. Am Mittwoch klebten acht Aktivisten ein Banner mit der Aufschrift „Öl tötet“ und sich selbst auf ein Flugfeld des Airports Köln/Bonn, am Donnerstag legten sieben Protestler mit dem gleichen Slogan den Flugverkehr in Frankfurt am Main lahm. Hatte die Gruppe nicht jüngst erklärt, künftig auf Blockaden verzichten zu wollen?
„Flughäfen sind Orte des fossilen Unrechts“, erklärte ein Sprecher der Organisation. Deshalb müsse sich der Klimaprotest weiterhin mit ihnen befassen. Konkret fordern die Aktivisten von der Bundesregierung, „ein rechtsverbindliches internationales Abkommen mitzugestalten und zu unterzeichnen, das den weltweiten Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle bis 2030 regelt“.
Das Thema stand im vergangenen Jahr auf der Agenda der Weltklimakonferenz COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Doch von dem ambitionierten Entwurf, der einen Kohleausstieg bis 2035 vorsah, ist kaum etwas übrig.
Mit ihrer Forderung ist die Letzte Generation nicht allein: Auch in Spanien, Norwegen, Finnland und der Schweiz wurden Flughäfen besetzt, in Großbritannien wurden die Aktivisten auf dem Weg zu Londons Flughafen Heathrow festgesetzt. Insgesamt beteiligen sich 13 Organisationen aus zehn Ländern am Protest.
„Der Vertrag ist keine Idee von uns, sondern stammt vielmehr aus den Staaten des Globalen Südens“, sagt Lina Johnsen, Sprecherin der Letzten Generation. Immer mehr Länder, die besonders stark unter der Erderhitzung leiden, unterstützen ihn, etwa die Allianz der kleinen Inselstaaten.
Flughäfen von Strategiewechsel ausgenommen
Tatsächlich hatte die Letzte Generation Anfang des Jahres einen Strategiewechsel beschlossen. Straßenblockaden soll es nicht mehr geben, statt dessen „ungehorsame Versammlungen“, mit denen der Verkehr ausgebremst, aber nicht mehr gestoppt wird. „Für Flughäfen gilt das Blockadeende aber explizit nicht“, sagt Johnsen, denn diese seien „substanzieller Teil der Zukunftsvernichtung“.
Johnsen erklärt, dass die Aktivisten niemals eine Rollbahn attackieren würden: „Unser Sicherheitskonzept schreibt vor, nur auf den Rangierflächen der Flugzeuge zu protestieren.“
Trotzdem müssen die Protestler mit harten Strafen rechnen. Alle Beteiligten müssen sich „wegen des Verdachts des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr, des Hausfriedensbruchs, der Sachbeschädigung und des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz verantworten“, erklärte die Frankfurter Polizei.
In letzter Zeit waren die Aktivisten immer härteren Strafen ausgesetzt, in Berlin wurde vergangene Woche eine Klimaaktivistin zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt derzeit wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Permafrost geht bereits zurück
Eigentlich heißt die Gruppe „Letzte Generation vor den Kipppunkten“: Es geht um Vorgänge im Weltklima, die – einmal angeschoben – nicht mehr rückgängig gemacht werden können und die Erhitzung der Erde automatisieren. So lagern beispielsweise im permanent gefrorenen Boden Sibiriens und Nordamerikas, dem Permafrost, potenziell doppelt so viele Treibhausgase wie sich derzeit in der Atmosphäre befinden.
„Taut der Boden auf, entweichen diese, ohne dass die Menschheit irgendetwas dagegen unternehmen kann“, sagt Johnsen. Ein Prozess, der längst begonnen hat: Studien zufolge ist etwa die Grenze des dauerhaft gefrorenen Bodens bereits einhundert Kilometer Richtung Norden gewandert.
„Wir müssten also mehr Klimaschutz machen“, sagt Johnsen. Denn mehr Treibhausgase, die durch den tauenden Boden austreten, seien in den Klimaberechnungen der UNO für das 1,5-Grad-Ziel noch nicht eingerechnet. Stattdessen aber verstoße die Regierung gegen die eigene Klimagesetzgebung, wie jüngst etwa das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg urteilte.
„Ich find’s auch doof, dass ich protestieren muss“, sagt Lina Johnsen. Sie empfinde diesen Protest aber als Mittel gegen ein Ohnmachtsgefühl, „das mich beschleicht, wenn man die Notwendigkeiten beim Klimaschutz mit der Realpolitik vergleicht“.
Leser*innenkommentare
Waldgaenger
Mit dem Hinweis auf die Dringlichkeit von wirklich tiefgreifenden Maßnahmen im Sinn des Klimaschutzes haben die Aktivisten zweifellos recht. Nur scheint mir die Auffassung, es müsse sich schon ein Erfolg einstellen, wenn man sich des historisch bewährten Konzepts des zivilen Widerstandes instrumentell bedient, nicht zutreffend. Dafür sind die Aktionen zu sehr "gestellt", entwickeln sich zu wenig aus einer Situation heraus, setzen zu sehr auf Effekthascherei. Es ist eine ähnliche Situation wie zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, als vielen soziale Umwälzungen unmittelbar bevorzustehen schienen, woraufhin sie aber eines Besseren - oder vielmehr Schlechteren - belehrt wurden. Infolge solcher Erfahrungen ist die kritische Theorie entstanden. Diese mag zwar - so ein möglicher hämischer Einwand - keine wirklich greifbaren Erfolge bewirkt und so manches zerredet haben. Dennoch wurden von Vertretern dieser Denkrichtung die Fallen des Aktionismus sehr wohl erkannt und reflektiert. Insofern würde den Aktivisten der Letzten Generation etwas mehr theoretische Fundierung (nicht nur als Wissen um die Geschichte des zivilen Widerstands) gut anstehen.
Jim Hawkins
My Generation, Last Generation.
Sie hoffen jedenfalls nicht zu sterben, bevor sie alt werden.
Das Ohnmachtsgefühl kann ich ja verstehen. Als ich so alt war, fand ich alles Scheiße.
Die Rebellion der LG, wenn man das überhaupt so nennen kann, ist allerdings eine appelative, adressiert an den Kanzler und die Regierung.
Nichts mit Anarchie oder besserem Leben für alle oder gegen Ausbeutung und Kapitalismus.
Davon wissen die nichts, das interessiert die nicht.
Allein die allumfassende Apokalypse, die keine Klassen, kein schwarz, kein weiß, kein arm, kein reich kennt, ist das Thema.
Was denkt wohl ein Tagelöhner in Nigeria darüber? Oder ein Milliardär in Nigeria?
Florian Henig
Guter letzter Satz. Kann ich nachempfinden.