GDL fordert 35-Stunden-Woche: Warum eigentlich nicht?

Die Bahnangestellten der GDL legen für die 35-Stunden-Woche halb Deutschland lahm. Weniger Arbeit, gleicher Lohn – eigentlich keine schlechte Idee.

Ein streikender Lokführer lacht verschmitzt und trägt eine Fahne

Erfurt, 10. Januar: Lokführer Lukas Böhme und andere streiken vor dem Hauptbahnhof Foto: Martin Schutt/dpa

Fünfunddreißig Stunden wollen die nur noch arbeiten! Faule Zugführerinnen, faule Zugbegleiter*innen, faule Bordgastronomen und Mitarbeitende in den Werken. Schämen sollten die sich! Die GDL fordert im Schichtdienst eine Beschränkung der Arbeitszeit auf wöchentlich 35 Stunden – und das, ganz schön frech, bei vollem Lohnausgleich. Und ein Wochenende wollen sie noch obendrauf.

Dabei arbeiten andere doch viel mehr: Die protestierenden Landwirt*innen, hört man diese Woche, arbeiten mindestens 70 Stunden die Woche. Elon Musk gleich 80. Vorstände und Manager, das weiß jedes Kind, hören mit dem Arbeiten nicht mal im Schlaf auf.

Hier werden allerdings Leute in einen Topf geworfen, die eine Menge trennt: Elon Musk ist der reichste Mensch der Welt. Landwirte, und damit sind explizit nicht die häufig ausgebeuteten Land­ar­bei­te­r*in­nen gemeint, sind Unternehmer, Grundbesitzer und Hofeigentümer. Sie können sich die Kaffeepause als Arbeitszeit deklarieren und das neue Auto als Betriebsausgabe. Auch wenn das für sie sicherlich eine ganze Menge Verantwortung bedeutet: Am Ende gehört ihnen der ganze Hof, mitsamt aller Produktionsmittel, der Immobilien und dem teuren Grund und Boden.

Die Führungsetagen, so auch bei der Bahn, werden wiederum mit guten Gehältern und Bonuszahlungen an Unternehmensgewinnen beteiligt. Wer allerdings, so wie die Streikenden bei der Bahn, nichts von den Profiten sieht, darf auch mal forsch weniger Arbeit bei gleichem Lohn fordern. Wenn die Unternehmen in ein paar Jahren noch Nachwuchs wollen, müssen sie jetzt die Arbeitsbedingungen verbessern. Sie müssen mehr ausbilden, sich für Einwanderung starkmachen und auch die Arbeitszeiten verringern.

Die Befürchtungen von Arbeitgeberverbänden vor dem Abschwung haben sich auch in der Vergangenheit nicht erfüllt

Ob das auf lange Sicht funktioniert? Können Ar­beit­neh­me­r*in­nen bei gleichem Lohn weniger arbeiten, ohne dass die Wirtschaft leidet? Gegenfrage: Warum eigentlich nicht? Die von Arbeitgeberverbänden laut geäußerten Befürchtungen vor dem Abschwung haben sich auch in der Vergangenheit nicht erfüllt: Mehr Sozialleistungen führen nicht dazu, dass Ar­beit­neh­me­r*in­nen die Füße hochlegen. Im Gegenteil: Trotz Bürgergeld sind mehr Menschen als je zuvor in Arbeit, und weniger als je zuvor sind arbeitslos.

Klar kostet die Arbeitszeitreduzierung was. Vielleicht kann die Bahn bei den Vorstandsboni eine Scheibe abschneiden, anstatt die Kosten direkt wieder an die Ver­brau­che­r*in­nen weiterzugeben. Dafür müsste sich aber vielleicht auch mal ein gewisser Verkehrsminister aus dem Straßengraben trauen.

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Jahrgang 1992, ist Themenchef und Editorial SEO im Regie-Ressort der taz. Neben und nach seinem Studium der Publizistik, Urbanistik und der Politologie in Berlin und Lyon arbeitete er als Rezeptionist und Nachtportier eines Hotels, als Programmchef und CvD des taz lab, auf Stationen in der taz-Werbeabteilung und hospitierte zuletzt in verschiedenen Ressorts der taz.

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