Billigflüge und Klimaschutz: Das 29-Euro-Paradoxon

Die Aufregung der CDU über das angebliche Billigflugverbot zeigt: Der Paradigmenwechsel in der Klimapolitik ist noch nicht bei allen angekommen.

ein Flugzeug fliegt durch Wolken

Ein Billigflug gehört offensichtlich zu den Grundrechten der Deutschen Foto: Simon Belcher/imago

Den 29-Euro-Flug nach Mallorca muss man sich offenbar als verbrieftes Grundrecht aller Deutschen vorstellen. Kaum hatte Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in einem Interview festgestellt, dass eine klimagerechte Besteuerung von Flügen solche Dumpingpreise stoppen würde, echauffierten sich die üblichen Verdächtigen in kalkulierter Empörung.

CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet gab den engagierten Kämpfer für Kleinverdiener und die FDP regte sich über den „Verbotsfetisch“ der Grünen auf. Dabei hatte Baerbock gar kein Verbot gefordert. Die eingeübten Reflexe funktionieren also noch, obwohl das Bundesverfassungsgericht die Politik in einem historischen Urteil dazu verpflichtete, Freiheitsrechte künftiger Generationen beim CO2-Ausstoß mitzudenken.

Weder die CDU noch die FDP haben offenbar den fundamentalen Umbruch verstanden, der damit einhergeht. Bemerkenswert ist zum Beispiel der Widerspruch in Laschets Logik. Der Mann, der Kanzler werden will, wirft sich schützend vor Billigflüge, fordert aber gleichzeitig einen höheren CO2-Preis. Jener würde nicht für Flüge gelten, denn die werden vom EU-Emissionshandel erfasst.

Aber ein CO2-Preis würde den Verbrauch fossiler Energien an anderer Stelle verteuern, etwa beim Sprit oder Heizöl, das ist seine Logik. Laschet wirbt also in der Theorie für eine Maßnahme, die den Konsum der Deutschen über Preisanreize ökologischer macht. Angesichts dessen hochgradig klimaschädliche 29-Euro-Trips für unantastbar zu erklären, ist, mit Verlaub, eine verwegen realitätsfremde Vorstellung. Laschet vertritt ein Paradoxon.

Klimaschutz? Theoretisch schon

Aber er ist nicht allein, bisher markierte diese widersprüchliche Haltung sozusagen den State of the Art der deutschen Klimaschutzdebatte. Beim wolkigen Versprechen, Klimaschutz ernst zu nehmen, war man sich schnell einig. Aber sobald konkrete Schritte diskutiert wurden, ging ein Aufschrei durch die Republik. Ein Tempolimit? Freiheitsberaubung. Weniger Fleisch essen? Ökodiktatur! Weniger Verbrenner? Nichts gegen diese Meisterleistung deutscher Ingenieure.

Doch der Irrsinn, ungebremsten Konsum mit Freiheit gleichzusetzen, ist ein Relikt der Vergangenheit. Das Karlsruher Urteil hat die Politik auf das unerbittliche Korsett der physikalischen Realität hingewiesen. Unter seinem Eindruck hat die Große Koalition ein Klimaschutzgesetz aufgesetzt, das diesen Namen wirklich verdient. Bis 2030 soll der Treibhausgasausstoß um mindestens 65 Prozent sinken, selbst die Grünen fordern in ihrem Wahlprogramm nur etwas mehr, nämlich 70 Prozent.

Die CDU hat sich mit dieser Selbstverpflichtung in eine Revolution gestürzt, die sie noch gar nicht in Gänze durchdrungen hat. Wer angesichts der Banalität, dass Billigflüge mit fossilem Kerosin mit ernsthaftem Klimaschutz nicht zu vereinbaren sind, in Schnappatmung verfällt, wird feststellen müssen, dass dies eine Marginalie ist – verglichen mit anderen nötigen Schritten.

Laschet agiert also vor allem alte Reflexe aus. Wo ist die Debatte über unseren Fleischkonsum, der überall auf der Welt zerstörerische Wirkung entfaltet? Wo sollen all die Windräder stehen, die für den massiven Zubau der erneuerbaren Energien nötig sind? Wie sehen die autofreien Städte der Zukunft aus? Das wären lohnende Felder für eine Volkspartei. Laschet wird sich noch umschauen, zu welchen Schritten er seine Leute bringen muss.

Ausgerechnet die Partei, die zu behäbiger Status-quo-Anpassung neigt, muss riesige Veränderungen unter hohem Zeitdruck managen. Es ist zum Beispiel ein billiger Trick von CDU und FDP, immer dann ihr soziales Gewissen zu entdecken, wenn es um die Verhinderung von Klimaschutz geht. Bei ihrem Nein zu einem höheren Mindestlohn ist der CDU der Kleinverdiener ja herzlich egal.

Diese Instrumentalisierung wird auffallen, wenn es in den ökologischen Debatten konkreter wird – ebenso wie andere Widersprüche in der christdemokratischen Argumentation. Auch Armin Laschet wird lernen müssen, dass Klimaschutz, der auch über Preispolitik gestaltet wird, ohne sozialen Ausgleich nicht zu machen ist.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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