Streit über Tempo auf Autobahnen: GroKo am Limit
Die Umweltministerin stellt sich gegen den Verkehrsminister. Union und SPD geraten in der Tempolimit-Debatte auf Konfrontationskurs.
Kritiker von Union und FDP wiesen die Forderungen scharf zurück. Rückendeckung bekamen die Befürworter einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung dagegen von der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
Ein Tempolimit verringere die Unfälle mit Todesfolge und spare jährlich ein bis zwei Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2), sagte Umweltministerin Schulze. „Insofern spricht der gute Menschenverstand für die Einführung eines generellen Tempolimits, das es in fast allen EU-Ländern längst gibt.“
Auch im Netz wurde weiter lebhaft über das Thema diskutiert. SPD-Chefin Esken beteiligte sich mit mehreren Kommentaren beim Kurznachrichtendienst Twitter: „(..) in Nord-Korea gibt es kein Tempolimit, ebensowenig wie zum Beispiel in Afghanistan“, schrieb Esken unter anderem. „Es gibt sonst fast kein Land mehr mit unbeschränktem Tempo. Sind die alle verrückt?“
GdP fordert Gutachten
Der CSU-Verkehrspolitiker Ulrich Lange übte scharfe Kritik an der Haltung der SPD bei dem Thema: „Die neuen SPD-Vorsitzenden sind offensichtlich völlig von der Rolle“, sagte der stellvertretende Fraktionschef der Unionsfraktion im Bundestag der dpa. „Wer glaubt, ein generelles Tempolimit sei die dringendste Maßnahme, um die Abwanderung von SPD-Wählern zu stoppen, dem ist offensichtlich der politische Kompass verloren gegangen.“ Deutschland habe „mit die sichersten Autobahnen der Welt“.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt
Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic sagte am Samstag: „Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen ist Symbolpolitik und würde weder den Klimaschutz noch die Verkehrssicherheit nennenswert voranbringen.“ Er sprach sich für flexible Geschwindigkeitsbegrenzungen je nach Wetter und Verkehrslage aus.
Ein Vorschlag zur Beruhigung der Debatte kam von der Gewerkschaft der Polizei (GdP): Die Bundesregierung solle ein unabhängiges wissenschaftliches Gutachten in Auftrag geben, um valide Zahlen über den Nutzen einer Geschwindigkeitsbegrenzung zu bekommen, sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Michael Mertens dem Handelsblatt. „Mit einer solchen Grundlage kann man die aktuell sehr emotionsgeladene Diskussion sicher auf eine sachliche Ebene bringen.“
Die GdP gehört selbst zu den Tempolimit-Befürwortern. „Mit einer Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen verringert sich auch das Risiko schwerer Unfälle mit Schwerstverletzten“, sagte Mertens. Es gebe Schätzungen, die davon ausgehen, dass man mit einem Tempolimit bundesweit etwa 80 Verkehrstote pro Jahr vermeiden könne. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, der Verzicht auf so eine Regelung habe mit Freiheit gar nichts zu tun. „Meine Freiheit wird beschränkt, wenn jemand wie ein Blöder an mir vorbeirast.“
70 Prozent des Autobahnnetzes ohne Limit
In Deutschland sterben jährlich mehr als 3.000 Menschen im Straßenverkehr. FDP-Politiker Luksic wies allerdings auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes hin, wonach die meisten Menschen auf Landstraßen ums Leben kommen.
Auf dem Großteil der Autobahnen in Deutschland gilt nach wie vor freie Fahrt. Ohne verbindliches Tempolimit sind 70 Prozent des Autobahn-Netzes. Dauerhaft oder zeitweise geltende Beschränkungen mit Schildern gibt es auf 20,8 Prozent des Netzes, wie aktuelle Daten der Bundesanstalt für Straßenwesen für 2015 zeigen – am häufigsten sind Tempo 120 (7,8 Prozent) und Tempo 100 (5,6 Prozent). Dazu kommen variable Verkehrslenkungsanzeigen.
Die Tempolimit-Debatte war über Weihnachten erneut hochgekocht. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte sich ablehnend geäußert und gesagt: „Wir haben weit herausragendere Aufgaben, als dieses hoch emotionale Thema wieder und immer wieder ins Schaufenster zu stellen – für das es gar keine Mehrheiten gibt.“ Der Regierungspartner SPD hatte auf einem Parteitag Anfang des Monats ein Tempolimit von 130 auf Autobahnen gefordert (PDF) und dies mit Verkehrssicherheit und Klimaschutz begründet.
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