bpb-Dossier „Linksextremismus“: Schluss mit dem Hufeisen

Nach Druck von Rechten ändert die Bundeszentrale für politische Bildung eine Definition im „Dossier Linksextremismus“.

Menschen in Schutzbekleidung laufen durch einen Wald

„Ende-Gelände“-Aktion im Danneröder Forst im Dezember 2020 Foto: C. Peepovicz/Adora Press

Oft hilft es, Ereignisse in Beziehung zueinander zu setzen, um sie zu verstehen. Ein solches Ereignis: Die Bun­des­zen­tra­le für politische Bildung (bpb) hat den Teaser eines Onlinedossiers über „Linksextremismus“ geändert. Dem ging eine rechte bis rechtsextreme Empörung auf Twitter voraus, sozusagen rechte Cancel Culture.

Am 10. Januar twitterte NZZ-Redakteurin Anna Schneider einen Screenshot des genannten Teasers und wunderte sich darüber, dass dies „eine ernst gemeinte Veröffentlichung“ der bpb wäre. Markiert hatte sie folgenden Satz: „Im Unterschied zum Rechtsextremismus teilen sozialistische und kommunistische Bewegungen die liberalen Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.“

Der Tweet wurde mehr als 700-mal geteilt, unter anderem von der ehemaligen AfD-Politikerin Frauke Petry und dem Autor Martin Lichtmesz, der im rechten Blog Sezession veröffentlicht. Rechte Publikationen wie die Junge Freiheit und Tichys ­Einblick berichteten darüber, aber auch die Bild-Zeitung reagierte am 12. Januar unter dem Titel „Verharmlosung des Kommunismus: Sind Linke die besseren Extremisten?“. Das alles könnte man ignorieren, hätte die bpb nicht kurz darauf ihren Teaser geändert, worauf der Politologe Michael Lühmann hinwies.

Tatsächlich wurde die ursprüngliche Formulierung, die Bewertungen aus der wissenschaftlichen Forschung wiedergegeben habe, durch eine Formulierung „der Sicherheitsbehörden“ ersetzt, sagt bpb-Sprecher Daniel Kraft der taz. Wer den ersten Satz der neuen Formulierung googelt, die „Linksextreme“ durch Bestrebungen „gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ definiert, landet auf der Website des Bundesamts für Verfassungsschutz, wo eine sehr ähnliche Formulierung zu finden ist.

Formulierung überarbeitet

Man habe sich die Diskussion noch mal angesehen und sei zu dem Schluss gekommen, die ursprüngliche Formulierung zu überarbeiten und zu schärfen, sagt Kraft, „um Fehlinterpretationen und Missverständnisse künftig auszuschließen“. Die Bild zitiert in ihrem Bericht das Bundesinnenministerium damit, dass dieses um eine Überarbeitung gebeten habe. Die bpb ist eine nachgeordnete Behörde des Innenministeriums.

Um auf die Frage der Bild, ob Linksextreme die besseren Extremisten seien, zu antworten, braucht es nun das In-Beziehung-Setzen verschiedener Ereignisse; man nennt es auch ein Denken in Zusammenhängen. Die Empörung über eine vermeintliche Verharmlosung begann wenige Tage, nachdem Rechtsextreme am 6. Januar das Kapitol in Washington gestürmt hatten.

Aber man muss für eine vernünftige Einordnung nicht nach den USA schauen: Der Teaser, der wegen einer vermeintlichen Verharmlosung linker Gewalt geändert wurde, ähnelt nun der Definition einer Behörde, deren ehemaliger Präsident die rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz im Sommer 2018 verharmlost hat; einer Behörde, die eigentlich verantwortlich dafür gewesen wäre, die rassistischen NSU-Morde zu verhindern, stattdessen aber niemals glaubhaft jene Zweifel ausräumen konnte, selbst an diesen beteiligt gewesen zu sein oder diese zumindest zugelassen zu haben.

Die bpb änderte ihren Teaser wegen vermeintlicher Verharmlosung linker Gewalt in einem Land, in dem in den vergangenen zwei Jahren keine Linken, sondern Rechte gemordet haben: in Halle und Hanau. Und sind es nicht rechte Verschwörer, die auf den Tag X hinfiebern und Pläne darüber schmieden, wie sie ihre politischen Feinde exekutieren können? Um auf all das, um auch auf die Polizeiskandale rund um aufgedeckte rechtsextreme Chatgruppen und die Bedrohungen durch einen selbst ernannten NSU 2.0. angemessen einzugehen, reicht dieser Text nicht aus. Aber es sind allesamt Ereignisse, die sich im Kompetenzbereich des Bundesinnenministeriums zugetragen haben, der Behörde, die die Veränderung des Teasers offenbar veranlasst hat.

Wer sich nun aufrichtig um die freiheitliche Grundordnung sorgt, der sollte in diesen Zusammenhängen denken, um nicht auf rechte Nebelgranaten hereinzufallen. Das gilt auch für jene, die sich gerne als die gesellschaftliche „Mitte“ definieren und vor ein paar Monaten ganz schön wütend waren, als es um den Auftritt einer Kabarettistin ging, die gerne antisemitische Witze macht. Es ist bitter, dass gerade jene Institution rechter Hysterie nicht standhalten konnte, die maßgeblich für die politische Bildung in Deutschland verantwortlich ist. Aber man fragt sich auch: Wo sind die Verteidiger des liberalen Diskurses?

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