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Wohlstand erzeugt ErderhitzungJe reicher, desto klimaschädlicher

Sie fliegen viel, sie konsumieren viel. Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung sind für zwei Drittel der Erderhitzung verantwortlich.

Fliegen im Privatjet: Auch hierzulande sind die hohen Emissionen von Reichen in der Kritik Foto: action press

Berlin taz | Je wohlhabender, desto klimaschädlicher. Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung sind für zwei Drittel, das reichste Prozent sogar für ein Fünftel der Erderwärmung seit 1990 verantwortlich. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung der Technischen Hochschule Zürich (ETH), die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurde. „Die ökologischen Fußabdrücke der reichsten Menschen sind unmittelbar mit dem Klima verbunden“, sagt die leitende Autorin und Klimadatenanalystin Sarah Schöngart.

Sie fliegen viel, sie konsumieren viel, sie investieren in klimaschädliche Güter. Die ETH-ForscherInnen fanden heraus, dass das weltweit reichste Prozent der Weltbevölkerung, immerhin 800 Millionen Menschen, 20 Mal so viel zur Erderhitzung beiträgt wie der globale Durchschnitt. Das weltweit reichste Promille – konkret 80 Millionen Superreiche – verursacht sogar 76 Mal so viel CO₂ wie der globale Durchschnittsverschmutzer.

Dieses Ungleichgewicht wurde von der ETH auch auf Extremwetter umgerechnet. Im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt trug das reichste Prozent der Weltbevölkerung danach 26 Mal mehr zu Jahrhunderthitzewellen bei. Die Treibhausgasemissionen der emittierenden wohlhabendsten zehn Prozent in China und den Vereinigten Staaten – die zusammen für fast die Hälfte der weltweiten CO₂-Verschmutzung verantwortlich sind – führten jeweils zu einem zwei- bis dreifachen Anstieg von Hitze-Extremen.

Für die ETH-Untersuchung wurden Wirtschaftsdaten und Klimasimulationen zusammengeführt, um Emissionen von verschiedenen Einkommensgruppen weltweit und deren Einfluss auf bestimmte Wetterextreme zu untersuchen. Die Wis­sen­schaft­ler*in­nen berechneten dabei auch finanzielle Investitionen der Wohlhabenden ein, die ebenso wie Lebensstil und persönlicher Konsum Einfluss auf die Emissionen haben.

Wohlhabender Teil der Welt schadet globalem Süden

Die Untersuchung bestätigt bestehende Forschungen, die auf die globale Ungerechtigkeit der Klimakrise hinweisen: Danach verursacht der wohlhabende Teil der Welt CO₂-Emissionen, die vor allem im globalen Süden Probleme erzeugt, obwohl es dort geringe Einkommen und über den Gesamtzeitraum betrachtet wenig Emissionen gibt. Deshalb halten Fachleute es auch für gerechtfertigt, die entwickelte Welt für die Klimaschäden zahlen zu lassen. So haben Extremwetterereignisse in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu jährlichen weltweiten Schäden in Höhe von 143 Milliarden US-Dollar geführt.

„Wenn Klimapolitik nicht die übergroße Verantwortung der reichsten Mitglieder unserer Gesellschaft angeht, riskiert sie, einen der mächtigsten Hebel auszulassen, den wir haben, um künftigen Schaden zu reduzieren“, sagt Carl-Friedrich Schleussner, einer der leitenden Au­to­r*in­nen der Studie. Reiche sollten durch progressive Steuern, die dem Vermögen entsprechend steigen, für ihren Einfluss auf das Klima zur Verantwortung gezogen werden. Frühere Studien zeigen bereits, dass die Besteuerung vermögensbezogener Emissionen gerechter ist als eine allgemeine Kohlenstoffsteuer, die tendenziell die Bezieher niedrigerer Einkommen belastet.

Die Umsetzung dieser Erkenntnis ist schwer: Vergangenes Jahr hatte Brasilien als Gastgeber des G20-Gipfels die Einführung einer Steuer in Höhe von zwei Prozent auf das Nettovermögen von Menschen mit einem Vermögen von mehr als einer Milliarde US-Dollar gefordert. Die Staats- und Regierungschefs der G20 kündigten damals zwar an, „gemeinsam darauf hinzuwirken, dass sehr vermögende Privatpersonen effektiv besteuert werden“, bislang wurden aber keine entsprechenden Maßnahmen beschlossen.

Auch hierzulande sind die hohen Emissionen von Reichen in der Kritik. Laut einer Untersuchung der NGO Oxfam verursachen die fünf reichsten Deutschen allein durch ihre Jachten 1.275 Mal so viele Emissionen wie eine Person in Deutschland im Durchschnitt.

Laut einer weiteren Berechnung hat das reichste Prozent der Weltbevölkerung bereits nach zehn Tagen des Jahres die Menge CO₂ emittiert, die ihm zustünden, um die globale Erwärmung wie im Pariser Abkommen vorgesehen auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Ab dem 11. Januar nutzen die Reichen danach die Treibhausgasbudgets der übrigen Weltbevölkerung. Demgegenüber bräuchte ein Mensch der ärmsten Hälfte der Weltbevölkerung für seinen CO₂-Anteil am Erreichen des CO₂-Ziels 1.022 Tage.

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