Wahlkampfhilfe für Franziska Giffey: Ignoranz des Volkswillens
Scholz unterstützt das Nein der SPD-Spitzenkandidatin Giffey zu Enteignungen. Das lässt die SPD im Wahlkampf in doppelter Hinsicht schlecht dastehen.
B esonders gut läuft der Wahlkampf wohl nicht für die SPD und deren Spitzenkandidatin Franziska Giffey. Offenbar muss der Bundeskanzler ran, um den Sozialdemokraten zu helfen, die derzeit Kopf an Kopf mit den Grünen und hinter der CDU in den Umfragen liegen.
Scholz stürzt sich auf das Kernanliegen der einstigen sozialistischen Partei SPD, die vehemente Bekämpfung des erfolgreichen Volksentscheids zur Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne. „Durch Enteignungen entstehen keine neuen Wohnungen“, klappert er im Tagesspiegel Giffeys altes Mantra nach – als wäre Neubau je das Anliegen des Volksentscheids gewesen.
Im Grunde ist es müßig, sich über solche Äußerungen noch zu echauffieren. Längst ist klar, dass auch die profitorientierte Wohnungswirtschaft keinen bezahlbaren Wohnraum baut. 2022 haben private Wohnungsbauunternehmen schließlich gerade einmal 166 Sozialwohnungen errichtet.
Regelrecht peinlich ist es, dass Scholz, der wie Giffey und Bausenator Andreas Geisel, ebenfalls SPD, für eine äußert kapitalfreundliche Form der Sozialdemokratie steht, sich auf das Thema Wohnungsbau stürzt: Unter Geisel sind sogar weniger Wohnungen entstanden als in der Zeit, als die Linken noch das Bauressort verantworteten.
Der Mythos vom Wohnungsneubau
Dass Scholz nichts Besseres einfällt, als den ollen Mythos vom Wohnungsbau auszugraben, entblößt deshalb nur eins: Die SPD steht inzwischen nackt da, ihr sind die Argumente ausgegangen. Klar, dass es da die Autorität des höchsten Amts braucht.
Dazu kommt: Ein erfolgreicher Volksentscheid ist ein direkter Auftrag des höchsten demokratischen Souveräns, des Volks, an jene, deren Aufgabe es ist, diesen zu repräsentieren. Wird ein solcher Auftrag nicht umgesetzt, ist das nichts anderes als ein demokratischer Skandal.
Olaf Scholz jedoch bezeichnet die Umsetzung des Volkswillens als „unverantwortlich“. Darauf kann man nur noch entgegnen: Unverantwortlich ist es, eine so um die Gunst der Konzerne bemühte Partei wie die SPD im Amt zu lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz