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Umweltaktivistin über ihre Selbstanzeige„Wir fordern ein Essen-retten-Gesetz“

Umweltaktivistin Melanie Guttmann geht containern und hat sich deswegen selbst angezeigt. Am Samstag wollen es ihr andere nachtun.

Zu viele Lebensmittel bleiben übrig und werden weggeschmissen Foto: Sven Hoppe/dpa
Enno Schöningh
Interview von Enno Schöningh

taz: Frau Guttmann, Sie haben sich am 8. Januar bei der Polizei selbst angezeigt, weil Sie Essen aus einem Müllcontainer entnommen haben. Das ist strafbar. Es gibt auch ein Video von Ihrer Selbstanzeige. Warum haben Sie das gemacht?

Melanie Guttmann: Lebensmittel werden in Deutschland immer teurer, die Menschen durch Pandemie und Inflation immer ärmer. 1,6 Millionen Menschen sind darauf angewiesen, sich Essen bei der Tafel abzuholen. Auf der anderen Seite werden in Deutschland 18 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich weggeworfen, vieles davon noch genießbar. Das Wegwerfen all dieser Lebensmittel ist legal. Das Ziel der Aktion war, auf diese Absurdität hinzuweisen: Es werden sehr viele Lebensmittel weggeworfen, die dringend benötigt werden.

Und warum das Mittel der Selbstanzeige?

Es gibt auch viele andere Möglichkeiten, auf das Thema aufmerksam zu machen. Doch die Selbstanzeige zeigt auf, wie absurd es ist, dass das Retten von Lebensmitteln aus dem Müll illegal ist. Es verursacht keinen Schaden. Das wollte ich durch das bewusste Brechen des Gesetzes und die Selbstanzeige aufzeigen.

Wie hat die Polizei reagiert?

Zunächst verwundert und belustigt. Es kommt anscheinend nicht häufig vor, dass sich Menschen selbst anzeigen, vor allem wegen so einer Sache. Die Po­li­zis­t*in­nen vor Ort haben klargestellt, dass egal was sie moralisch davon halten, sie verpflichtet sind, diese Anzeige aufzunehmen.

Und dann?

Ich habe einen Brief bekommen, dass ich wegen Diebstahls angezeigt bin. Das ist in Deutschland eine Straftat. In dem Brief steht auch, dass die Schadenshöhe 0 Euro beträgt. Trotzdem wurde das Verfahren eröffnet und ich wurde gebeten, mich dazu zu äußern.

Wie wollen Sie reagieren?

Ich werde sagen, dass ich es absurd finde, dass das Retten von Lebensmitteln verboten ist. Doch werde ich mich dem Verfahren stellen und abwarten, was für eine Strafe mich erwartet.

Mit welchen Konsequenzen rechnen Sie?

Ich rechne mit Sozialstunden oder einer Geldstrafe. Es ist schon ein mulmiges Gefühl, dass mir eine Straftat vorgeworfen wird. Ich bin aber überzeugt, dass das, was ich tue, moralisch richtig ist. Die Angst vor den Repressionen ist kleiner als die Angst davor, dass wir nicht lernen, mit Lebensmitteln ordentlich umzugehen und dementsprechende Gesetze haben.

Privat
Im Interview: Melanie Guttmann

26 Jahre alt, ist Teil der Um­welt­ak­ti­vis­t*in­nen von „Letzte Generation“. Die Gruppe wurde durch den Hungerstreik für Klimagerechtigkeit vor den Bundestagswahlen 2021 bekannt

Warum ist Containern überhaupt verboten?

Der Inhalt der Mülltonnen, solange diese bei den Supermärkten stehen, gilt als deren Besitz. Selbst wenn offensichtlich ist, dass sie sich des Inhalts entledigen wollten. Es gab mehrere Versuche, Containern zu legalisieren. Diese sind aber gescheitert. In Frankreich gibt es ein Gesetz, das Supermärkte verpflichtet, solche Lebensmittel zu spenden oder den Menschen umsonst zur Verfügung zu stellen. Das ist der Punkt, an dem wir ansetzen müssen.

Das Gesetz in Frankreich beantwortet also die Frage, wie man es besser machen kann?

Genau. Als Gruppe „Letzte Generation“ fordern wir, ein Essen-retten-Gesetz einzuführen. Es gibt bereits einen Gesetzentwurf von „GermanZero“. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag geschrieben, dass sie etwas gegen Lebensmittelverschwendung tun möchte. Wir fordern, dass das zeitnah und konsequent geschieht.

Auch dieses Wochenende soll es wieder Selbstanzeigen geben. Dafür mobilisiert die Gruppe „Letzte Generation“. Weitere Menschen folgten dem Aufruf bereits, auch der Jesuitenpater Jörg Alt hat sich selbst angezeigt. Wollt ihr die Selbstanzeige zum Massenphänomen machen?

Die Selbstanzeige beim Containern ist ein Vorspiel. Es erzeugt Aufmerksamkeit. Die Gruppe will Ende des Monats in den Aufstand der letzten Generation starten. Dafür sind Autobahnblockaden in ganz Deutschland angekündigt. Das geschieht, weil das Mittel der Selbstanzeige bisher nicht ausreicht, um genügend politischen Druck für Veränderung zu erzeugen.

Was planen Sie konkret?

Ungefähr 30 bis 50 Menschen werden immer wieder Autobahnen blockieren. Wir fordern von der Bundesregierung, dass ein Essen-retten-Gesetz umgesetzt wird. Sobald die Regierung das Versprechen gibt, dass es dieses Gesetz geben wird, hören die Aktionen auf.

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46 Kommentare

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  • Allerdings gehen bei Supermärkten kaum Lebensmittel verloren. Es wird erstens wenig aussortiert und zweitens bereitwillig an Tafeln, Foodsharing etc. abgegeben. Das weiß ich weil ich die Lebensmittelrettungen bei 90 Geschäften in Köln koordiniere.

  • Die abgelaufenen Lebensmittel in den Supemarktcontainern sind doch nur die Spitze des Eisbergs.

    a) Bereits bei der Ernte wird Beschädigtes aussortiert bzw. bei der Ernte nicht erfasst und verrottet auf den Feldern.



    b) Vom Geernteten bzw. dem Fleisch geschlachteter Tieren werden nur die besten Teile verwendet. Leute kaufen das Filetsteak, aber nicht das Halsfleisch. Der Rest kommt in den Biomüll (oder die Billigwurst).



    c) In der Lebensmittelindustrie wird alles, was nicht mehr astrein ist oder bei der Produktion übrig bleibt, entsorgt.



    d) Es ist unglaublich, welche Mengen an Lebensmitteln in der Gastronomie verschwendet werden, weil Vorräte vergammeln oder Portionen nicht ganz gegessen werden.



    e) Auch zu Hause vergammeln überschüssige Vorräte - viele wollen nicht zweimal das Gleiche oder Aufgewärmtes essen, geschweige denn haltbar machen.

    Zu sagen: Ich will nur das Feinste, jeden Tag frisch, aber Reste dürfen nicht bleiben, ist scheinheilig und "wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass".

  • Neben einer Strafanzeige hätte ich ja gerne eine Stellungnahme eines zuständigen Amtes.

    "Die Verträge mit den kommunalen Entsorgungsbetrieben erlauben keine andersweitige Nutzung weggeworfener Lebensmittel..."

    Und dann scheißen die sich bestimmt noch in die Hosen, wenn jemand eine Tomate isst, die 2 Tage über dem Haltbarkeitsdatum war und die sehr geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass doch mal eine Lebensmittelvergiftung auftritt. "Versicherungstechnische Gründe".

    Ich lese hier also ein bisschen Neoliberalismus, ein bisschen Bürokratie und Menschlichkeit, die kriminalisiert wird.

    • @Troll Eulenspiegel:

      "Neben einer Strafanzeige hätte ich ja gerne eine Stellungnahme eines zuständigen Amtes."

      Richtig "Schadenshöhe 0 Euro". Das die Polizei so etwas schreibt geht gar nicht. Wenigstens ne ordentliche Hausdurchsuchung hätte drin sein müssen! Ist doch ne Verarschung seitens der Polizei!

  • Klar, Aktivisten blockieren Autobahnen, damit die Menschen, die zur Arbeit müssen im Stau stehen. Da ist es egal, dass die genötigten Autofahrer überhaupt erst das Aktivistenleben finanzieren. Mit solchen Aktionen wird genau das Gegenteil erreicht, was diese selbstgerechten Bessermenschen erhoffen.

    • @Frank Stippel:

      Wenn das so ist warum stehen sie dann immer noch als genötigter Autofahrer im Berufsverkehr im Stau, statt sich ganz einfach von anderen ein schönes Aktivistenleben finanzieren zu lassen? Ab und an mal ne Autobahn zu blockieren und es sich ansonsten gut gehen lassen wäre schließlich nicht nur viel bequemer als ne 40h-Woche sondern auch besser für´s Klima.

    • @Frank Stippel:

      Wie wäre es für Umverteilung (Anhebung unterer Einkommen, höhere Besteuerung von Kapitaleinnahmen bzw. generell höherer Einkommen) einzutreten, anstatt in dieses "Wir Steuerzahler*innen"-Blabla abzurutschen? Ansonsten wäre es an dieser Stelle auch klug, sich als Autofahrer*in an die eigene Nase zu fassen - Staus verursachen jene nämlich selbst: schließlich gibt es in Deutschland knapp 50 Millionen Autos. Wie wäre es, für mehr Klimaschutz wie bspw. Bahn und ÖPNV-Ausbau samt Vergünstigung einzutreten, als gegen Klimaaktivismus zu polemisieren?

  • Das Gesetz in Frankreich legalisiert das Container ebenfalls nicht, es verpflichtet die Supermärkted, "solche Lebensmittel zu spenden oder den Menschen umsonst zur Verfügung zu stellen."

    Das aber scheint aber ja gerade nicht das öffentliche kommunizierte Ziel der Containern-Lobby zu sein.



    Das heraus zu stellen kann erfolgreich sein.

    Per Autobahnbesetzungen wird das nicht durch dringen. Selbst in diesem Artikel werden die Inhalte des französischen Gesetzes nur beiläufig neben dem Containern erwähnt.

  • Die Tafeln suchen Nachwuchs: www.tafel.de/ueber...n-suchen-nachwuchs Nicht so revolutionär wie nachts in Mülltonnen kramen, aber sehr effektiv.

  • taz: "Ich habe einen Brief bekommen, dass ich wegen Diebstahls angezeigt bin. Das ist in Deutschland eine Straftat. In dem Brief steht auch, dass die Schadenshöhe 0 Euro beträgt. Trotzdem wurde das Verfahren eröffnet und ich wurde gebeten, mich dazu zu äußern."

    So ist halt Deutschland. Wir haben laut des grünen Sozialexperten Sven Lehmann (2018) schon 2,5 Millionen arme Kinder in Deutschland und viele Rentner müssen schon Pfandflaschen aus Mülleimern sammeln, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht. Nahrungsmittel werden in unserem Land aber weiterhin einfach weggeworfen. Und wenn engagierte junge Menschen darauf aufmerksam machen, dann trifft sie die Härte des Gesetzes, denn wie schon der preußische Innen- und Staatsminister Gustav von Rochow (1792 - 1847) sagte: "Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen!".

    In Deutschland müssen 1,6 Millionen Menschen (1.600.000) jeden Monat an eine der 956 Tafeln anstehen um nicht zu hungern. Die "Tafeln" sind von ursprünglich nur einer Tafel (1993) bis heute (2022) auf 956 Tafeln angewachsen. Das Konzept der Tafeln und der damit verbundenen Privatisierung des Armutsrisikos stammt übrigens von der Firma McKinsey. Diese Firma war unter anderem auch an der Konzeption von Hartz IV beteiligt. Kinderarmt, Rentnerarmut, Hartz IV. Gleichzeitig werden Lebensmittel entsorgt; so sieht unser demokratischer Sozialstaat Deutschland seit der Agenda 2010 aus. Ein Staat, wo sofort das Gesetzbuch gezückt wird, wenn junge Menschen auf diese ganze Idiotie aufmerksam machen wollen.

    Mit der 'Ampel' wird sich daran nichts ändern, denn der SPD haben wir das ja alles zu "verdanken", die Grünen sind nur noch am "einknicken" und für die FDP gibt es ohnehin nur reiche Menschen.

  • RS
    Ria Sauter

    Das blockieren von Autobahnen kann sehr teuer werden. Es gefährdet Menschenleben, auf beiden Seiten.Deshalb ist das zu Recht vetboten!



    Das ist einfach völlig naiv und dumm.



    Es ist noch nicht mal erlaubt ein Banner über einer Autobahnbrücke zu entrollen oder hinzuhängen.



    Kann nur empfehlen bei einer grossen NGO nachzufragen



    Containern sollte straffrei sein. Ohne Frage.



    Die Regierung kann sich aber nicht erpressen lassen.



    Mit dem Kopf durch die Wand führt selten zum Erfolg!

    • @Ria Sauter:

      Meine Meinung. Ich denke, dass die Autobahnaktion sogar kontraproduktiv ist. Denn was hat die Lebensmittelverschwendung mit einem bestimmten Autobahnabschnitt zu tun?



      Die Aktivisten sollten ihre Energie lieber darin stecken, das französische Modell zu bewerben und möglichst viele Leute mitzunehmen statt gegen sich aufzubringen. Man sieht doch an Corona, wie Leute auf Belehrungsversuche mit Trotz reagieren (a là "ich lass mir gar nix sagen"). So wird das mit den Erpressungsversuchen auch laufen.

      • @Katrina:

        Ein bisschen ist an Ihrem Argument der Vermittlungsproblematik was dran. Gibt andererseits noch andere Argumente, Autobahnen zu blockieren - nämlich um auf mangelhafte Verkehrswende hinzuweisen und Abhilfe durch ÖPNV und Bahn-Ausbau und Tempolimit auf Autobahnen (was von der Ampel gekippt wurde) einzufordern.

  • Das erinnert mich an Rudi Dutschke. Und mich hat sehr, sehr lange nichts & niemand mehr an Rudi Dutschke erinnert. Danke dafür.

  • Da insoweit von einer "Gruppe" gesprochen wird und die Begehung der Taten wiederholt werden sollen, kommt Bandendiebstahl nach § 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB in Betracht; Mindeststrafe 6 Monate. Machen sich zwei Gruppenmitglieder gleichzeitig am Container zu schaffen sind es bereits ein Jahr.

    Im Übrigen sollte sich die Bundesregierung nicht durch die Begehung von Straftaten erpressen lassen.

    • @DiMa:

      Sie selbst haben dann hoffentlich ein Vorhängeschloss an Ihrer Mülltonne? Nicht, dass Sie noch wegen Beihilfe belangt werden, wenn mensch so einfach an Ihren Müll rankäme ... ;-/



      Apropos legaler Diebstahl - zum Glück können sich die Reichen ganz legal bereichern, nicht wahr? Cum-Ex und so.

    • @DiMa:

      Ja, genau, die Bundesregierungen hätten sich nicht durch Begehung von Straftaten erpressen lassen sollen. Dann wäre Homosexualität, Schwangerschaftsabbruch, Militärdienstverweigerung und Majestätsbeleidigung immer noch strafbar!

      Ihr absurdes Beispiel hinsichtlich Banden- und Gruppendiebstahl mit Mindeststrafe ist mehr als lächerlich. Dann säßen ja auch diverse Maskenprofiteure und Politclans längst hinter Gittern.

    • @DiMa:

      Zu dumm, dass jegliche Bestrafung wegen Diebstahls einer Bereicherungsabsicht bedarf.

      • @JulianM:

        Bereicherungsabsicht ergibt sich durch das Verzehren. Aus dem Artikel wird ja bereits deutlich, dass sich Frau Guttmann der Strafbarkeit ihrer Handlung durchaus bewusst ist.

        • @DiMa:

          Ja, habe auch gehört, dass mensch durch Containern richtig reich werden kann. Der Kapitalismuswerbeslogan müsste demnach aktualisiert werden: Nicht "Vom Tellerwäscher*in zur Millionär*in" sondern "Vom Containernden zur Millionär*in"! ;-/

          • @Uranus:

            Hat Diebstahl irgendwas mit Reichtum zu tun?

  • Aktivismus kann ein Weg sein die Welt zu verbessern. Viele Aktivisten scheinen aber den Eindruck zu haben das jede Form von Aktivismus stets ein Beitrag zur guten Sache ist und da gehe ich nicht mit.



    Containern ist in der Theorie illegal, doch praktisch in nahezu allen Fällen straffrei. Was die Frau hier betreibt ist nichts weiter als Prinzipienreiterei und Selbstdarstellung. Vermutlich primär letzteres.

    Da die sogenannte Verschwendung von Lebensmitteln nichts ist was zentral verordnet wurde kann der Staat hier kaum gegensteuern. Selbst eine komplette Legalisierung des Containerns würde kaum etwas ändern, da nur eine extrem kleine Gruppe von Menschen dieser Tätigkeit nachgeht und die Menschen weiterhin im gleichen Maße gutes Essen wegwerfen werden. Daran wird kein Richterspruch etwas ändern.

    Nun könnte man diesen aktivistischen Streich als neutral verbuchen, doch man darf eben auch nicht vergessen, dass der Normalbürger, auf dessen Zuneigung man primär abzielen sollte, nur ein gewisses Maß an Geduld für Aktivismus übrig hat und diese Geduld sollte man nicht für derartigen Randthemen verschwenden. Grade empfindliche Eingriffe in den Alltag, wie das Blockieren von Autobahnen, kommen nur bei einer sehr kleinen Randgruppe gut an und Außenwirkung ist eben nicht egal.

    • @Julius Anderson:

      "... kann der Staat hier kaum gegensteuern."

      Natürlich kann der Staat da gegen steuern. Das Gesetz in Frankreich für das gestritten wird, ist doch Realität!

    • @Julius Anderson:

      "Was die Frau hier betreibt ist nichts weiter als Prinzipienreiterei und Selbstdarstellung. Vermutlich primär letzteres."



      Das ist ja eine interessante These! ;-) Haben Sie das Interview eigentlich gelesen und auch an die Ziele und Hintergründe (Ökozid[1]) gedacht?



      "Da die sogenannte Verschwendung von Lebensmitteln nichts ist was zentral verordnet wurde kann der Staat hier kaum gegensteuern. "



      Doch. Siehe Frankreich, wie Melanie Guttmann im Interview selbst drauf hinweist:



      "In Frankreich gibt es ein Gesetz, das Supermärkte verpflichtet, solche Lebensmittel zu spenden oder den Menschen umsonst zur Verfügung zu stellen."



      [1] de.wikipedia.org/wiki/%C3%96kozid

  • Die eigentliche Schande ist, dass es nur und ausschließlich aus Gründen der Staatsräson Einrichtungen wie die Tafeln geben muss.

    Denn man macht ja absichtlich die Grundsicherung so niedrig dass man davon nicht leben kann - unabhänig davon wie lange man vorher schon geschuftet hat.

    Angeblich um "Sozialschmarozer" fernzuhalten - tatsächlich aber damit sich die Arbeit im Niediglohnsektor "lohnt".

    • RS
      Ria Sauter
      @Bolzkopf:

      Zustimmung!

  • Beeindruckend naiv.



    www.bmel.de/DE/the...e-deutschland.html



    zeigt die Fakten.



    Derartige mediale Darstellungen werden die Gruppe in ihrem fragwürdigen Selbstverständnis nur bestätigen.

    • @alterego:

      DAnke für die Zahlen, wirklich aufschlussreich. Dennoch finde ich die rechtliche Situation unbefriedigend. Vor längerem habe ich an der Kasse gefragt, ob ich ein Produkt, das schon abgelaufen war - aber m.E. kaum verdirbt - günstiger erhalte. Stattdessen durfte ich es gar nicht mehr kaufen, sondern es musste aussortiert und entsorgt werden. Letzte Woche gab es eine ähnliche Situation, beide Packungen, die noch da waren, waren über das MHD hinaus. Ich habe eine Packung zum vollen Preis gekauft, weil ich wusste, dass es sonst weggeworfen wird und nicht eben dann gar nichts bekomme....(ohne natürlich das MHD überhaupt zu erwähnen).

      Wieso man solche Sachen nicht günstiger oder kostenlos abgeben darf, bleibt ein Rätsel. Dass die Läden natürlich nicht wollen, dass die Kunden erst kaufen, wenn die Ware kurz vor dem MHD steht, ist klar, aber wer tut das schon? Am liebsten nimmt man doch wohl frische Ware.

    • @alterego:

      Keine Frage, auch in Privathaushalten wandert viel zu viel in den Müll aber in der Statistik des BMEL geht es wohl nicht nur um weggeworfene aber noch verzehrfähige Lebensmittel sondern allgemein um Lebensmittelabfälle.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Ich verstehe ja das Ansinnen, aber die Umsetzung ist in der Praxis irrsinnig kompliziert - und hat verschiedene Implikationen.

    Das Gestatten des Containerns bedeutet nämlich nicht die Rettung der Lebensmittel - und schon gar keine Lösung des Problems - wenn nämlich niemand abholt.

    Verpflichtet man andererseits den Einzelhandel zur Verwertung nach Verkaufsfähigkeit, muss der auf jeden Fall den Preis dafür auf die restlichen Waren umschlagen.

    Es sagt sich auch so leicht, dass dann eben Abends keine frischen Tomaten mehr ausliegen - aber wenn der Handel den Slack wegoptimieren soll, dann reden wir davon, dass 2 oder 3 Stunden vor Landenschluß eben auch essentielle Lebensmittel ausgehen werden. Da werden die Werktätigen dann schon unruhig werden, wenn beim Einkauf nach der Arbeit nur noch der versch*ssene Sellerie da ist...

    Im Übrigen hat der Supermarkt auch den Besitz mit dem Wegwerfen nicht aufgegeben, er hat ihn an den Entsorger abgetreten. Mit dem hat er einen Vertrag und der eigentlich Geschädigte ist der Entsorger. Der Müll wird ja in der Regel gar nicht direkt entsorgt, sondern bei entsprechender Trennung etwa kompostiert - dann hat das für den Entsorger auch einen (wenn auch niedrigen) Wert.

    Aber es ist natürlich vollkommen richtig, dass dem Kapitalismus das Wegwerfen von gebrauchsfähiger Ware - aus verschiedenen Gründen - untersagt werden muss. Aber das braucht politische Lösungen und Containern ist keine - und meiner Meinung nach nicht mal die richtige Stoßrichtung.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Im Artikel wird für ein ähnliches Gesetz wie in Frankreich gestritten. Da gehte es nicht um die Legalisierung des Containerns sondern darum "solche Lebensmittel zu spenden oder den Menschen umsonst zur Verfügung zu stellen."

    • @05989 (Profil gelöscht):

      containern erlauben, gespendete Lebensmittel steurlich begünstigen.

      Das hier kosten für die Unternehmen entstehen ist kompletter Quark bzw kommt es am Ende auf die Umsetzung an.

      Bereits jetzt gibt es Supermärkte in denen Absichtlich das Brot und die Backwaren in einer Extratüte gelassen werden, damit diese besser mitgenommen werden können.

      In anderen Supermärkten gibt es von der Geschäftsleitung hingegen die Anweisung so etwas zu unterlassen.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      Der Lebensmittelmüll kann in aller Regel nichtmal kompostiert werden, weil fast nichts unverpackt ist. Da ist aber niemand, der jedes Entsorgungsstück hinsichtlich Verpackung und Kompostierfähigem trennt.

      Mal ganz abgesehen davon, daß Kompostierung von Brauchbarem ebenfalls Lebensmittelverschwendung darstellt. Die Kompostierung findet ja sowieso mit kurzem Verzug noch statt, wenn das Lebensmittel erstmal durch den menschlichen Körper gewandert ist. Nur, daß dann eben nicht noch mehr Lebensmittel angebaut, geerntet, verarbeitet, und vermarktet werden müssen.

    • @05989 (Profil gelöscht):

      "Verpflichtet man andererseits den Einzelhandel zur Verwertung nach Verkaufsfähigkeit, muss der auf jeden Fall den Preis dafür auf die restlichen Waren umschlagen."

      Ich habe mal in einer sozialen Einrichtung gearbeitet und ein Supermarkt im Ort hat netterweise übriggebliebene Lebensmittel gespendet, die sie sonst weggeworfen hätten. Da die soziale Einrichtung aber einer Sorgfaltspflicht unterlag, konnte sie diese Lebensmittel natürlich nicht an diejenigen geben, denen sie geholfen hat - Mittel waren ohnehin genug vorhanden. Also hat mein Chef die Lebensmittel mit nach Hause genommen bzw. wer wollte konnte es selbst mitnehmen und das was er nicht brauchte hat er selbst in den Supermarkt-Container geworfen. Kurz gesagt: so mancher Supermarkt will den Kram loswerden aber klar, sollte der Abschreibungszeitraum über das MHD hinausgehen, aber das ließe sich ja lösen.

      Bin da auch kein Experte aber ich glaube unterm Strich ist doch die Idee, dass Leute nicht wollen, dass andere in ihren Mülltonnen rumwühlen - was ja tatsächlich nicht ideal ist aber vielleicht sollte dann ein Schredder zur Grundausstattung jedes Haushalts gehören...

      • @hey87654676:

        Meine heute 93 jährige Mutter hat schon vor fünfundzwanzig Jahren containert. Damals landeten die Lebensmittel noch nicht überall in Containern, sondern wurden von den Filialleitern bewusst neben diese gestellt, da sie wussten das die Sachen abgeholt werden. Als aber die Abholer immer mehr wurden, hörte das Abstellen vor den Container plötzlich auf. Nach Rückfrage, warum den die Mitnahme erschwert wird, wurde argumentiert, dass Anweisungen von der Geschäftszentrale kamen.



        Es lag wohl eher daran, dass die Geschäftsleitungen eine Skandalentwicklung prognostizierte, oder Angst um Geschäftseinbussen hatte. Eine Anzeige hat meine Mutter über die Jahrzehnte nicht bekommen, auch nachdem einige Gerichtsurteile in anderen Fällen verloren waren. Vermutlich traute sich niemand meine Mutter aufgrund ihres Alters anzuzeigen, den aus finanziellen Gründen mußte sie nicht containern. Sie erlebte den Krieg und die Jahre danach und argumentierte bei Widerspruch gegenüber dem containern, dass die Menschen heute kein Gewissen haben und wohl in ihrem Leben keinen Hunger leiden mußten. Auch die Tatenlosigkeit der Kirchen in unserem Land verbuchte sie immer unter "Scheinheiligkeit". Das hat sich zwar mittlerweile etwas verbessert, aber naja.



        Deshalb auch von mir vielen Dank für ihre Aktion. Die meisten Menschen verstehen die Zusammenhänge wohl nicht mehr - uns geht es einfach zu gut und Gewissen scheint nur noch ein seltsames Gefühl zu sein.

      • @hey87654676:

        Ihnen ist es wohl mehr peinlich, wenn Menschen Ihre Abfälle mitnehmen um diese zu Essen, als das Sie diese den Menschen kostenfrei anbieten. Denn warum wollen Sie die Lebensmittel den shreddern, das diese nicht mehr nützlich sein können und niemand mehr auf die Idee kommt Ihr Gewissen über verschwendete Lebensmittel erwecken zu können.

  • Letzte Generation? Klingt ein bißchen nach letztem Aufgebot und Volkssturm.

    Wer eine Versorgung mit Essen für alle Menschen sicher stellen will, muss aus rein logistischen Gründen Reste in Kauf nehmen. Oder wir haben wieder Schlangen vor den Verkaufsstellen.

    Wenn man akzeptable Preise für alle Menschen will, dann müssen eben auch alle dafür bezahlen. Wenn die Essensretter für die Ware bezahlen würden, hätte sicher niemand was dagegen. Der Preis ist ja durchaus verhandelbar. Gespendete Essen bringt durch Spendenquittungen eben auch ein wenig Erlös.

    Einfach Stehlen und sich als "Retter" stilisieren, ist unterkomplex gedacht. Statt dessen könnte die Dame ja helfen, dass nur wirklich Verdorbenes in den Müll geht und das noch Nutzbare aussortiert wird - und nicht nur in den eigenen Kühlschrank.

    • @TazTiz:

      Sehe ich genauso. Eine gewisse Überproduktion und damit zugleich auch eine "Verschwendung" ist erforderlich, wenn alle ohne Lebensmittelkarten o. ä. versorgt werden sollen. Und wenn jemand Lebensmittel benötigt, diese aber nicht im Supermarkt kauft, sondern "containert", dann bleibt im Supermarkt wieder mehr übrig, was anschließend weggeworfen wird. Für jedes "gerettete" Lebensmittel bleibt ein anderes übrig, das dann entweder endgültig in den Müll wandert oder wiederum mit viel Pathos gerettet werden kann.

      Im Übrigen landen große Mengen an Lebensmitteln allein deswegen im Müll, weil viele Leute regelmäßig mehr kaufen, als sie essen können. Wenn die Leute aber immer alles aufäßen, was sie gekauft haben, wäre damit auch nichts Positives erreicht.

    • @TazTiz:

      Gut für Sie, daß Sie beim Discounter Individualrabatte aushandeln, damit's nicht entsorgt werden muss. Nobel von Ihnen, daß Sie und der Discounter gemeinsame Sachen machen, daß nur wirklich Verdorbenes aussortiert wird.

      Unserseins hat diese Gabe, sprich Verhandlungsgeschick und Überzeugungskraft leider nicht. Und so wandert weiter gemäß MHD und Zusammengehörigkeit - eine weiche Kartoffel im Netz, eine Netz Kartoffeln im Müll - eine Unmenge Einwandfreies in den Müll.

      • @Dasbi Nich:

        Sorry, ich bin kein Essensretter sondern lediglich jemand, dem man schon im Kindergraten erzählte, dass ich den Teller leer essen soll, weil die Kinder in Afrika so sehr hungern. Und dass das Nehmen von Dingen, die einem nicht gehören, Diebstahl sein kann.

        Containern ist Einkaufen ohne Geld, dass man nicht oder schon woanders gelassen hat, nicht mehr und nicht weniger. Mit Retten hat das nun gar nichts zu tun. Es ist allenfalls irgendwie chic.

  • Da wünsche ich viel Erfolg - es ist wirklich dämlich, dass wir verwertbare Lebensmittel wegwerfen, und diese nicht vom Einzelhandel an entsprechende soziale Verteiler gespendet werden dürfen, bzw. müssen. Eine solche strukturierte Verteilung wäre dem individuellen Containern auch vorzuziehen, und würde auch das formale Problem des Einbruchs eliminieren. Das Wegwerfen muss sich ändern, und das erfordert mehr Aufmerksamkeit auf das Thema. Sehr ehrenvoll, dass Frau Guttmann das persönliche Risiko eines Verfahrens dafür in Kauf nimmt.

  • Beeindruckend.

  • Das Wegwerfen von Lebensmitteln muss für den Handel noch viel schmerzhafter werden. Es darf sich einfach nicht rechnen, Lebensmittel zu verschwenden. - Btw: die Kriminalisierung des Containerns ist ein Skandal.

    • @Phineas:

      Sie wollen also Strafen, wenn zu wenige Kunden kommen und nicht alles kaufen, oder wie hat man sich das konkret vorzustellen?

    • @Phineas:

      Der Handel würde gerne abgelaufene Lebensmittel spenden - die aktuellen Gesetze lassen das aber nicht (sinnvoll) zu. Und (individuelles) Containern ist eben auch Einbruch - das kann nicht straffrei gestellt werden. Aber mit der entsprechenden Gesetzgebung ist sowohl die Abgabe als auch sinnvolle Verteilung über gemeinnützige Verteiler möglich - alles legal, rechtlich, versicherungstechnisch und steuerlich sauber geregelt.

      • @hup:

        Ich bin kein Experte für LEH, weiß jedoch, dass der Kampf um Profite und der Wettbewerbsdruck mörderisch sind. Daher bin ich mit Formulierungen wie „der Handel würde gerne“ vorsichtig. Der Handel tut das, was Profit bringt, nicht mehr und nicht weniger.