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Ukrainischer Vormarsch auf RusslandDie Schlacht bei Kursk

Die ukrainischen Truppen sind bei ihrer Offensive weit auf russisches Territorium vorgerückt. Der Erfolg ist Ergebnis der neuen Mobilisierung.

Von der Ukraine neu rekrutierte Soldaten im Training Foto: Efrem Lukatsky/ap

Nach dem Vorstoß ukrainischer Truppen in das russische Gebiet Kursk dauern die Kämpfe in der Grenzregion nach Angaben aus Russland den dritten Tag in Folge an. Die Washingtoner Denkfabrik Institute for the Study of War teilte am Mittwoch mit, dass die ukrainischen Truppen bis zu zehn Kilometer auf russisches Territorium vorgedrungen seien.

Das ist ein bemerkenswerter taktischer Erfolg für die Ukraine. Ein Wendepunkt im Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, ist es den meisten Militärexperten zufolge allerdings nicht. Von einer Wiederholung der „Schlacht bei Kursk“ 1943 im Zweiten Weltkrieg kann also keine Rede sein. Ein Miss­erfolg des russischen Aggressors ist es dennoch. Die russische Seite hat offenbar Fehler gemacht – und zwar weniger die kämpfenden Einheiten als vielmehr die Nachrichtendienste und die Spionageabwehr.

Die ukrainischen Truppen sind weiter auf russisches Territorium vorgerückt, als die russische Seite bei der Offensive auf Charkiw im Mai und Juni gekommen war. Die Reaktion des russischen Militärs kann man nicht gerade als blitzschnelle, vernichtende Antwort bezeichnen. Trotzdem bleibt die Lage an der gesamten Front für Kyjiw ernst, sowohl im Gebiet Sumy im Norden als auch im südlicheren Donezk.

Größte Geheimhaltung

Bislang gibt es keine Informationen darüber, dass sich die russische Infanterie und andere Einheiten von der Front zurückzögen, um sie in die Region Kursk zu verlegen und dort die ukrainischen Invasoren auszuschalten. In Anbetracht der russischen Luftüberlegenheit dürften aber die nächsten Tage für die ukrainischen Einheiten in der Region Kursk nicht leicht werden.

Die ukrainische Militäroperation wurde offenbar unter größter Geheimhaltung auch vor den westlichen Verbündeten vorbereitet. Das zeigt sich auch in der etwas überraschenden Erklärung der amerikanischen Regierung: die nämlich hat die Führung in Kyjiw um Informationen über die Offensive gebeten. Zu verdanken ist sie in erster Linie dem neuen ukrainischen Online-Mobilisierungssystem. Jeder Wehrpflichtige muss sich dabei selbst in eine Datenbank eintragen. Tut er das nicht oder erscheint nicht rechtzeitig zur Musterung, macht er sich strafbar.

Dadurch hat sich die Zahl einsatzfähiger Soldaten offenbar erhöht. Den Behörden zufolge gibt es erstmals wieder ausreichend Nachschub an Kämpfern. Erstmals halten sie es perspektivisch für möglich, diejenigen, die seit mehr als zwei Jahren an der Front sind, gegen neue Rekruten auszutauschen.

Kämpfte man im Juni noch mit akutem Personalmangel, können sich die ukrainischen Streitkräfte jetzt eine öffentlichkeitswirksame Ablenkungsaktion leisten, mit der sie den Gegner demoralisieren und gleichzeitig die Stimmung im eigenen Land heben. Umfragen zufolge ist die Zahl der Ukrainer, die sich für Verhandlungen über einen Waffenstillstand zwischen Kyjiw und Moskau aussprechen, so hoch wie noch nie seit Kriegsbeginn und nähert sich langsam der Fünfzig-Prozent-Marke.

Drohnenangriffe und Stromausfall

Mit dem aktuellen Angriff auf die Region Kursk will Präsident Wolodymyr Selenskyj seinem Volk zeigen, dass die Ukraine vorankommen und die russischen Angreifer zumindest aus einem Teil der von ihnen bisher besetzten Gebiete vertreiben kann. So war das milliardenschwere US-Militärhilfepaket nicht der einzige wichtige Schritt auf dem Weg der ukrainischen Armee, aus der Unterlegenheit herauszukommen.

Auch die Drohnenkoalition, in der die europäischen Partner der Ukraine eine bedeutende Rolle spielen, stärkt Kyjiw weiter. Erst vor wenigen Tagen berichteten Nachrichtenportale diesbezüglich von einer Wende zugunsten der sich verteidigenden Ukraine. Im Juli wurde das Land von 426 Shahed-Drohnen aus Russland angegriffen.

Im gleichen Zeitraum schoss die Ukraine mehr als 520 Langstrecken-Angriffsdrohnen auf Russland ab. Die russischen Drohnen zielen vor allem auf die ukrainische Energieinfrastruktur. Die Ukrainer ihrerseits konzentrieren sich darauf, Flugplätze und Ölraffinerien in Russland zu zerstören.

Ein Mitarbeiter der Staatlichen Universität Kursk sagte der taz: „Zwei-, dreimal täglich gibt es hier Luftalarm, nachts noch ein paarmal mehr.“ Fensterscheiben klirrten, Alarmanlagen der Autos heulten. Auch die Fernsehübertragung werde durch den Luftalarm und die Aufforderung, sich in Sicherheit zu bringen, unterbrochen. Das Internet falle während des Alarms aus.

Der Krieg hat nun in voller Härte russisches Territorium erreicht. Das, was die westlichen Staaten mit ihrer Unentschlossenheit und der unzureichenden militärischen Unterstützung Kyjiws in den ersten beiden Kriegsjahren verhindern wollten – eine Ausweitung des Blutvergießens über die ukrainischen Grenzen hinaus –, ist Wirklichkeit geworden.

Laut russischem Verteidigungsministerium hinderten russischen Streitkräfte die ukrainischen Einheiten am Donnerstag daran, tiefer in der Region Kursk vorzudringen. Kremlchef Wladimir Putin bezeichnete den ukrainischen Vorstoß am Mittwoch als eine „groß angelegte Provokation“. Ukrainische Regierungsvertreter haben sich bisher nicht zum Umfang der Operation rund um den Ort Sudscha geäußert. Es ist nicht möglich, die russischen Angaben unabhängig zu prüfen.

Aus dem Russischen: Gaby Coldewey

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56 Kommentare

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  • Moderation , Moderator

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  • Die Alternative zu täglich wechselnden Berichten von weiteren Gemetzeln, Eroberungen, Niederlagen und noch vielen weiteren Tausend Toten über die nächsten Jahre ist machbar.

    Die Mehrheit der Menschen in den von Russland annektierten Gebieten will nicht zur Ukraine gehören.

    Das heutige Staatsgebiet der Ukraine ist entstanden, weil dies über den Willen der Menschen so entschieden wurde. Wer das nicht glaubt, soll sich bitte mal eingehend mit der Geschichte befassen.

    Es wird so oder so auf eine Lösung hinauslaufen, in der diese Gebiete zu Russland gehören werden. Alles andere ist eine Illusion, einen militärischen Sieg über Putin wird es nicht geben oder durch den Weltuntergang erkauft sein. Einen internen Sturz Putins sollte man vermeiden, weil die Nachfolger noch schlimmer sein werden.

    Also, warum wird diese Lösung nicht endlich angegangen? Das ist auch kein Einknicken vor einem Despoten, wenn man das richtig und aus einer Position der Stärke heraus verhandelt.

    Darüber hinaus geben viel zu viele Menschen zu diesem Thema ihren Senf dazu, die keine Ahnung haben, was Krieg wirklich bedeutet.

    • @Ramto:

      Da hat sich aber jemand gar nicht mit der jüngeren Geschichte beschaäftigt, z.B. dass in der Volksabstimmung 1992 sich allen Gebieten eine deutliche Mehrheit für eine unabhängige Ukraine ausgesprochen haben (nur auf der Krim war es etwas knapper, aber auch pro Ukraine). Aber anderen Geschichtsblindheit und Ahnungslosigkeit vorwerfen ...

    • @Ramto:

      "Die Mehrheit der Menschen in den von Russland annektierten Gebieten will nicht zur Ukraine gehören."

      Korrekt. Alle anderen wurden ermordet oder vertrieben.



      Ich warte noch auf eine Erklärung warum die Ukraine oder sonst wer das hinnehmen sollte.

      • @Waagschale:

        Würde Sie untersützen:

        "Doch eine Umfrage des Kiev International Institute of Sociology (KIIS) aus 2021/2022 widerlegt Laworws Behauptungen und entlarvt sie als Propaganda. Laut der repräsentativen Umfrage wollten nur 10 Prozent der Befragten in Donezk, 12 Prozent in Luhansk, 6 Prozent in Cherson und 7 Prozent in Saporischschja, dass sich die Ukraine Russland anschließt. Mehr als 80 Prozent sprachen sich dagegen aus."

        www.rnd.de/politik...4263XHYKLPMGI.html

    • @Ramto:

      Sich eingehend mit Geschichte befassen, heißt festzulegen, wie weit zurück in die Vergangenheit es denn gehen soll. Und dieser Betrachtungszeitraum wird von Menschen mit verschiedenen Interessen und Absichten unterschiedlich definiert. Darüberhinaus werden Ereignisse der Vergangenheit auch noch verschieden bewertet und interpretiert. Wenn die Grundlage des Zusammenlebens nicht gegenseiter Respekt ist, ist Geschichtsbetrachtung wertlos.

    • @Ramto:

      "Die Mehrheit der Menschen in den von Russland annektierten Gebieten will nicht zur Ukraine gehören."

      Aha. Womit können Sie diese Behauptung begründen? Immerhin stimmten in allen ukrainischen Oblasts, inklusive der Krim, die Mehrheit der Menschen für die Unabhängigkeit der Ukraine und soweit ich weiß, war das in den letzten Umfragen vor dem Krieg nicht anders.

    • @Ramto:

      Diese Lösung wurde doch schon vor langer Zeit angegangen.

      Bei den Gesprächen in der Türkei.

      Selenskiy war einverstanden.

      Der Krieg hätte nach rund einem halben Jahr aus sein können.

      Mit einem Erfolg für Russland.

      Die Ukraine war bereit, auf eine NATO-Mitgliedschaft zu verzichten und den von Russland eroberten Teil abzugeben.

      Putin war das zuwenig.

  • ""...amerikanischen Regierung: die nämlich hat die Führung in Kyjiw um Informationen über die Offensive gebeten. Zu verdanken ist sie in erster Linie dem neuen ukrainischen Online-Mobilisierungssystem. (...)



    Dadurch hat sich die Zahl einsatzfähiger Soldaten offenbar erhöht.""

    ===



    Äußerst unwahrscheinlich -- aus vielen Gründen. Der allgemein sehr gut informierte britische Guardian berichtet das es sich um russische Freischärler handelt welche in die Region Kursk eingedrungen sind - Dieselben, die nachweislich bereits vor Monaten die russische Region um Belgorod unsicher gemacht haben.

    Sicher scheint zu sein das die Kämpfer logistisch mit Ausrüstung und Elektronik von den Ukrainern unterstützt werden und neue Kampfmethoden einsetzen die für den erfolgreichen Vorstoss verantwortlich sein sollen. Über welche Methoden es sich handelt beantwortet das ISW nicht -- um den Vorstoss nicht zu gefährden.

    Das Wichtige:



    Neben der Tatsache, das Putin täglich 1.000 russische Soldaten im Donbass in den Tod schickt wird für jederman sichtbar, das Putin unfähig ist russische Grenzen zu verteidigen.

    Das Truppen aus der Ukraine die Region Kursk aufmischen ist durch Videos belegt.

  • ...Kremlchef Wladimir Putin bezeichnete den ukrainischen Vorstoß am Mittwoch als eine „groß angelegte Provokation“



    Sehr "interessant" in Anbetracht dessen, was er angestellt hat !!! Hört sich der Typ noch selbst an?! Wenn nicht, bitte irgendwie mitteilen!

  • ".... ,um sie in die Region Kursk zu verlegen und dort die ukrainischen Invasoren auszuschalten."



    Die Formulierung "Invasoren" ist in diesem Fall völlig daneben - die ukrainische Armee hat ein absolutes Recht, sich gegen den Aggressor Russland zu verteidigen - auch durch das eindringen in das RUS-Land!

    • @Tomphson:

      Und 'invadere' bedeutet nichts anderes als 'eindringen'.



      Man spricht auch von „Invasion in der Normandie“ oder „Invasion Panamas“.



      Das kann also auch was Positives sein.

  • "Die Schlacht bei Kursk"

    Angesichts des Ausgangs der letzten Schlacht bei Kursk ist die Überschrift nicht sehr optimistisch 😉

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Wieso? -Die Antifaschisten haben damals doch gewonnen.



      Das wären diesmal die Ukrainer.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Wäre Ihnen ein Sieg Hitlers lieber gewesen? Jedenfalls hat damals der Aggressor verloren.



      Vielleicht auch mal selbst nachdenken.

      • @Ramto:

        Nein. Selbstverständlich nicht. Wie kommt man darauf?

        Damals hat derjenige verloren, der Richtung Kursk vorstoßen wollte...

      • @Ramto:

        Der Aggressor hat verloren weil 4 Besatzermächte sich militärisch massiv eingesetzt haben.



        Schon mal darüber selbst nachgedacht was das heutzutage bedeuten würde?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Der Aggressor drang bei Kursk nicht durch, und das Momentum drehte sich um. Wenn jetzt auch der Aggressor, also Putin, umdrehen müsste, wäre es doch schön.

  • "Mit dem aktuellen Angriff auf die Region Kursk will Präsident Wolodymyr Selenskyj seinem Volk zeigen, dass die Ukraine vorankommen und die russischen Angreifer zumindest aus einem Teil der von ihnen bisher besetzten Gebiete vertreiben kann."

    Genau das zeigt der ukrainische Vorstoß aber nicht. Wenn die Region jemals ukrainisch gewesen ist, dann besteht die russische Besetzung schon seit einiger Zeit (Jahrzehnte bis Jahrhunderte).

    "Die ukrainischen Truppen sind weiter auf russisches Territorium vorgerückt, als die russische Seite bei der Offensive auf Charkiw im Mai und Juni gekommen war."



    Was für'n Argument! Wenn man schon gescheiterte Offensiven beliebig miteinander vergleicht, wie wäre es dann mit der Offensive von '22, als die russischen Truppen der ukrainischen Hauptstadt verdammt nahe gekommen sind? Und erst die Krimoffensive ... Das sind lediglich Propaganda"argumente".

  • "Ukrainischer Vormarsch auf Russland



    :Die Schlacht bei Kursk"



    Zum Titel:



    Diesen rhetorisch produzierten verbalen "Anklang" an die Geschichte kann ich gar nicht nachvollziehen, weil:



    /



    www.mdr.de/geschic...wjetunion-102.html

    • @Martin Rees:

      Die Ukrainer sind heute die Antifaschisten.

  • Dieser Krieg wäre schon lange vorbei, wenn der Westen die Ukraine von Tag 1 ordentlich unterstützt hätte mit allem was das Land braucht. Die zögerlichkeit führt nur zu mehr opfern und einer sich immer weiter destabilisierenden Situation.

    • @Okti:

      Genau

    • @Okti:

      Dieser Krieg wäre nie ausgebrochen wenn Putin Demokratie in seinem Land zugelassen hätte. Oder wie er es nennt "Homopropaganda"

      Er wollte ja nicht einmal die Bevölkerung der Krim fragen, ob sie gerne von Russland eingenommen werden wollen. Der tat es einfach.

  • Jawoll, immer weiter kämpfen mit mehr Waffen. Und dann?

    • @Verboten:

      Russland zur Aufgabe seiner Kriegsziele und Rückgabe besetzter Gebiete zwingen?

    • @Verboten:

      Die Alternative wäre Ihrer Meinung nach welche?

  • Nachdem die Lage im Donbas für Selenskyi militärischvziemlich aussichtslos ist - die Infrastruktur vom Aggressor Putin in die 'Steinzeit' bombardiert wird - erinnert der Vorstoß mit ein paar tausend Mann bei Kursk an die kurzfristige Rückeroberung einer Grenzstadt im Irak-Krieg durch Saddams Truppen. Die Niederlage hielt der Vorstoß damals nicht auf...

  • Es zeigt, wie schwierig die Lage der Ukraine ist. Um Oberst Reisner zu zitieren: Informationskrieg. Nach Bachmuth gab es das Eindringen in Richtung Belgorod. Hat die Nachrichten überlagert. Jetzt das. Gegeben, dass Russland nur im europäischen Bereich fast so viele Fläche hat wie die gesamte EU, ist das nicht viel.



    Ich bin gespannt, wie Russland reagiert.

  • Richtig und weiter so! ..

  • "Dadurch hat sich die Zahl einsatzfähiger Soldaten offenbar erhöht".



    Tatsächlich?



    Es dauerte ein Jahr , bis Selensky auf die Forderungen der ukrainischen Armee nach 500.000 Mann Nachschub reagierte,



    indem am 18.Mai dieses Jahres ein neues Rekrutierungsgesetz verabschiedet wurde.



    Und da vermutet nun Jemand, dass sich in den nicht einmal 3 Monaten die Zahl der einsatzfähigen Soldaten erhöht hat.



    Reicht diese doch eher knapp bemessene Zeitspanne tatsächlich aus um aus Zivilisten Soldaten zu machen?



    In meinem Ohren klingt das doch sehr nach



    Propaganda.



    Mit den westlichen Partnern war zuletzt abgesprochen worden, dass militärische Ziele auf russisch em Gebiet, von denen die Ukraine direkt angegriffen wird, auch Teil der ukrainischen Landesverteidigung sein können.



    Den Berichten und Aufnahmen zufolge, scheint der ukrainische Gegenangriff allerdings zivile Ziele zu treffen.

  • Fordern jetzt BSW et al. Russland dazu auf, die ukrainischen Truppen einfach weiter auf russischem Territorium vorrücken zu lassen und keine Waffen mehr in die Region zu bringen, um den Krieg zu beenden, weil "der Krieg nicht mit militärischen Mitteln beendet werden kann"? Natürlich nicht. Das klänge ja auch ziemlich absurd. Umgekehrt ist es aber genauso absurd.

    Immerhin könnte man jetzt mal zu Verhandlungen mit einem klaren Ziel aufrufen: Beide ziehen sich vom Gebiet des jeweils anderen Staates vollständig zurück. Mag naiv klingen, wäre aber vom Standpunkt derjenigen, die immer Verhandlungen fordern und an die Erfolgschancen diplomatischer Bemühungen glauben, aber nicht mit dem Putin-Regime sympathisieren, das einzig Richtige. Es wäre die Wiederherstellung der staatlichen Souveränität auf dem anerkannten Staatsgebiet beider Länder.

    • @Budzylein:

      „Immerhin könnte man jetzt zu Verhandlungen mit einem klaren Ziel aufrufen: Beide ziehen sich vom Gebiet des anderen Staates vollständig zurück.“



      Den fast sehnsüchtigen Wunsch nach Verhandlungen kann ich gut nachvollziehen (und teile ihn), jedoch besteht er überwiegend in unseren Köpfen, die wir im Westen in relativer Sicherheit und Frieden leben.



      Den Krieg nach Russland hineintragen, um die Machthaber im Kreml an den Verhandlungstisch zu zwingen? Das halte ich momentan für zu hoch gegriffen, für unrealistisch. Und der ukrainische Erfolg bei Kursk gibt das auch bei weitem nicht her.



      Die psychologische Wirkung? Nun, Selenskyi spricht davon, dass die Russen spüren sollen, wie es ist, sein Nachbarland mit Krieg zu überziehen. Das deutet nun auch nicht gerade auf Verhandlungsbereitschaft hin, sondern eher auf ein archaisches Rachebedürfnis.



      Und selbst wenn Kiew auf Grundlage der jüngsten Erfolge verhandeln will, Putin ist erst bei SEINEM Sieg dazu bereit. Die Kursker Scharte muss er erst auswetzen.



      Das Leiden, die Zerstörung und das Sterben auf beiden Seiten werden also weitergehen, vielleicht noch für viele Jahre. Dieser Krieg ist längst noch nicht „gar“.

      • @Abdurchdiemitte:

        "archaisches Rachebedürfnis"

        Es geht nicht um Rache, sondern darum, durch die Erfahrung des Krieges auch für Russen den innenpolitischen Druck auf die Putin-Diktatur zu erhöhen und die Lethargie oder sogar Unterstützung der Russen für den Krieg zu durchbrechen. Dieser Vorstoß ist gewagt, aber psychologisch sinnvoll. Ich wünsche den ukrainischen Truppen viel Erfolg!

      • @Abdurchdiemitte:

        Ich halte eine Verhandlungslösung zum jetzigen Zeitpunkt auch für unrealistisch. Mir ging es darum, diejenigen, die ständig für Verhandlungen plädieren, mal beim Wort zu nehmen, nachdem die Ukraine jetzt ihrerseits in das Territorium des Gegners vorgedrungen ist. Oft wird nämlich bei der Forderung nach Verhandlungen als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die Ukraine einen Teil ihres Staatsgebietes an Russland abzutreten habe, während das russische Staatsgebiet natürlich in seinem Bestand nicht angetastet wird.

        • @Budzylein:

          Nun ja, die Ukraine hat in der kurzen Zeit ihrer eigenstaatlichen Souveränität nie irgend welche Besitzansprüche auf russisches Gebiet geltend gemacht. Anders als die russische Aggression trägt diese Offensive in der Kursker Region also NICHT den Charakter eines Eroberungs-/Vernichtungsfeldzuges. Kiew verfolgt damit andere strategische Ziele, über die ja gerade heftig spekuliert wird.



          Den historischen Ableitungen Moskaus, warum die Ukraine über lange Strecken der Geschichte russisches Staatsgebiet gewesen sei bzw. beide Staaten untrennbar miteinander verbunden seien - wie Putin himself ja noch im Herbst 2021 lang und breit darlegte - , kann man folgen oder eben nicht.



          Völkerrechtlich sind solche Argumente schlicht irrelevant, denn zum Zeitpunkt des russischen Überfalls war die Ukraine ein souveräner Staat. Russland hat sich also mit Beginn des Krieges (schon 2014) ins Unrecht gesetzt.



          Deshalb stimme ich zu, dass ein kompletter russischer Rückzug aus den besetzten ukrainischen Gebieten Voraussetzung für einen Friedensschluss ist.



          Was dann beispielsweise mit der Krim geschieht bzw. welchen völkerrechtlichen Status sie erhält, kann erst DANACH Gegenstand von Verhandlungen sein.

    • @Budzylein:

      Ich fürchte so etwas werden Sie von dort nicht hören weil:

      - Moskau gut



      - NATO böse

      - Russische Waffen sind Friedenswaffen



      - Westliche Waffen sind Kriegswaffen

      - Russland hat legitime Sicherheitsinteressen



      - Ukraine ist ein von Westen gesteuertes Fascho-Regime

      Da passt was Sie schreiben nicht ins Weltbild.

      • @Waagschale:

        Da haben Sie das Weltbild von erschreckend vielen Leuten, keineswegs nur BSW, treffend zusammengefasst.

  • Ich wünsche den Ukrainer:innen von Herzen ein Ende der Okkupation und Zerstörung, Geiselnahme und Terrorisierung.



    10 oder 15 Km weit ins Russische Reich vorzudringen, halte ich allerdings leider für nicht sehr spektakulär. Klar: nach den furchtbaren Erlebnissen und dem russischen Vormarsch der letzten Monate brauchen die Kämpfenden dringend ein Erfolgserlebnis.



    Das kann für mich aber nur in einem Sieg über den Kreml und in einer Beseitigung Putins bestehen. Ein erfolgreicher Aufstand der Russen gegen die Diktatur ist leider auch nicht in Sicht.



    Wir müssen alles aufbieten! Die nächste Erschöpfung kommt bestimmt.

    • @Land of plenty:

      Ein Sieg über den Kreml und eine Beseitigung Putins?!? wenn, was - WER in Russland - sollte denn danach kommen?



      Die unmittelbare Auferstehung der Demokratie Russlands, die es nicht einmal im Ansatz dort einmal gab?!



      (nach dem Zerfall der Sowjetunion?)

      Die Ukraine kämpft um ihre Existenz. das übrige Europa mit der Angst, dabei mit seinen Waffenlieferungen gegen die Atommacht Russland zu eskalieren. Ein langer Krieg schwächt Putin in seiner Angriffslust. Vielleicht. Eine verlässlichere Strategie gibt es nicht.

      Die Ukraine muss in ihrer Verteidigung überraschen und kreativ sein, sonst verliert sie ihren Halt bei denen, die vorgeben, sie halten zu wollen.

      Und die Probleme in der eigenen Demokratie? Deutschland ? Amerika?

      Die nächsten Wahlen werden zeigen,



      was wo wie



      wohin

      oder nicht

      • @poesietotal:

        >wenn, was - WER in Russland - sollte denn danach kommen?<

        Völlig egal - kein Krieg ohne Putin. Jeder sieht, dass der Krieg kein Erfolg und damit ein Fehler ist. Traut sich nur keiner, dies auch zu sagen.

        Der Abgang Putins wird ähnliche Folgen haben wie der Tod Stalins.

        • @testen:

          "Völlig egal - kein Krieg ohne Putin."



          Auch das ist nicht sicher. Es hängen zu viele an seinen Strukturen. Wenn Putin jetzt mit einem Herzinfarkt tot umfiele, hieße das nicht automatisch, dass alles anders würde. Die nordkoreanische Diktatur lief ja auch nach dem Tod der ersten Kims problemlos weiter.

      • @poesietotal:

        Ahso… der Diktator ist alternativlos… wie immer halt…

      • @poesietotal:

        Mich ärgert dieses Denken.



        ALLES ist besser als Putin. Mag die Russische Föderation auseinander brechen - wo ist das Problem? Selbst wenn verrückter Militär den Stalinismus auferstehen ließe, wäre das für die Welt ohne Bedeutung. Nur weil wir keine Namen kennen bauchen wir an einer verheißungsvollen Zukunft nicht zweifeln. Wie die letzten Präsidentschaftswahlen gezeigt haben, es wären durchaus demokratische Politiker vorhanden. Wie war es in Deutschland 1946? Wer kannte Adenauer, wer kannte Brandt?

        • @mdarge:

          So Sätze hörte ich schon öfter.



          Unter Anderem mit Kohl, Merkel und George W. Bush.

          Besser wäre wirklich, Russland würde endlich dekolonisiert und der Unterdrückungsapparat abgewickelt, aber da kann man lange drauf warten.

          Am Ende des Tages hilft nur, weitere imperialistische Abenteuer derart teuer zu machen, dass sie unterbleiben.

        • @mdarge:

          "Mag die Russische Föderation auseinander brechen - wo ist das Problem? " Da ist kein Problem das ignoriert aber die jahrhundertelange russische Propaganda das Russland die Barbaren aus Asien in Schach hält (Mongolen, Tartaren, etc.) Das ist ein sehr altes Mittel mit dem Russland seinen Imperialismus legitimiert.



          Das wirkt aber tief, zerbricht Russland passiert sonst gar nichts. Gibt dann halt neue Staaten, hier und da Gewalt (wie bei jeder dekolonialisierung) und 50 Jahre später ist Russland in seiner heutigen Form genauso unvorstellbar wie es Österreich-Ungarn heute wäre oder ein Deutschland bestehend aus 1000 Kleinstaaten.

          • @Machiavelli:

            "Das wirkt aber tief, zerbricht Russland passiert sonst gar nichts."

            Bis auf die paar tausend Atomsprengköpfe, die dann in der Welt umherirren...

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Der letzte Zerfall des russischen Imperiums zeigt, dass sich sowas lösen lässt.



              Wird nur diesmal härtere Sicherheitsgarantien erforden als Budapest.

              • @metalhead86:

                Sie meinen Vermutlich den Zerfall der Sowjetunion. Die Situation war damals völlig anders.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Die an einigen Orten konzentriert sind, die bekannt sind. Ist nicht so das in jedem Dorf eine Atomrakete geparkt ist. Klar gibt es Probleme, neben den Atomwaffen die ganzen konventionellen Waffen, aber das kann man handhaben. Jedenfalls sollte man es nicht als Angst-Argument verwenden.

        • @mdarge:

          Adenauer war 1946 kein gänzlich Unbekannter, sondern seit 1906 in der Politik tätig. U.a. war er Kölner Oberbürgermeister, später Präsident des preußischen Staatsrats. Brandt wurde erst nach 1946 in der Politik langsam bekannt.

        • @mdarge:

          "ALLES ist besser als Putin."



          Ganz sicher nicht.



          "Mag die Russische Föderation auseinander brechen - wo ist das Problem?"



          In den dann herrenlosen Atomwaffen zum Beispiel.



          "...wenn [ein] verrückter Militär..."



          Eben.



          So verrückt es klingt, Putin ist tatsächlich global gesehen - auch - ein Stabilitätsanker.

    • @Land of plenty:

      "Ein erfolgreicher Aufstand der Russen gegen die Diktatur ist leider auch nicht in Sicht."

      Das haben die Berater des Zaren ihm zu 100% ganz genau so gesagt. Bis dann die Massen sein Arbeitszimmer stürmten und ihn erschossen.

      Ich finde es, rein historisch betrachtet, doch etwas eigenwillig bis sonderbar, dass ein/e Deutsche/r meint den Russen eine Lektion in Aufständigkeit erteilen zu müssen.



      Das wirkt, rein historisch betrachtet, mit Verlaub, wie ein schlechter Witz.



      Bakunin hieß nicht Meier mit Nachnamen, Dostojewskis "Der Großinquisitor" wurde nicht in unserer Sprache geschrieben und der Aufstand von Krogstad war auch nicht in der Kieler Bucht.

      Aber das ist auch egal.



      Viel wichtiger ist die Frage der Position.



      Und da kann ich nur sagen: Ob in Gaza oder in der Ukraine/Russland: Die humanistische (Linke) Position kann niemals die Bestrafung oder Vernichtung der am Verbrechen unbeteiligten sein.



      Wer das fordert ist abseits aller roten Linien unterwegs und hat meine Unterstützung nicht, kann sich meiner Kritik aber gewiss sein.

      • @Thomas O´Connolly:

        Da Zar Nikolaus II nicht von den in sein Arbeitszimmer gestürmten Massen erschossenen wurde, sondern erst über ein Jahr nach der Februarrevolution in Jekaterinburg (Swerdlowsk), dürfte ihre Behauptung "Das haben die Berater des Zaren ihm zu 100% ganz genau so gesagt." ebenfalls falsch sein.



        Und selbst wenn Sie recht hätten: Gegenwärtig sieht es nicht nach einem erfolgreichen Aufstand der Russen gegen die Diktatur aus. Die Situation kann sich natürlich ZUKÜNFTIG(!) verändern.

        • @Mustardmaster:

          Die Faktenlage der genauen Todesumstände des Zaren ist für das was ich mit meiner Polemik zum Ausdruck gebracht habe komplett irrelevant.



          Ob das Brot nun vom Dach oder vom Stuhl gefallen ist: Am Boden kommt es in beiden Fällen an.

          Und zu ihrer Aufstandsanalyse; Das Lied von "Ballade des Bauernführers Joß Frit oder; Legende von der revolutionären Geduld und Zähigkeit und vom richtigen Zeitpunkt" von J.F. Degenhardt sollten sie sich einmal bei Youtube anhören.



          Das was sie sich vorstellen bzw. die Abwesenheit davon kritisieren sind die Torheiten die in Strophe 2 bis 4 besungen werden.