Russischer Angriffskrieg auf die Ukraine: Wenig Soldaten, wenig Munition
Die Ukraine steht militärisch unter Druck. Russland setzt seine Angriffe auf zivile Einrichtungen fort – und will auch nicht vor Kliniken Halt machen.
Die Situation an der Front sei sehr komplex, eine Eskalation möglich, sagte auch der ukrainische Generalstabschef Olexander Syrskyj am Samstag. Seine Sorgen dürften sich vor allen auf die Frontabschnitte bei Tschassiv Yar und Awdijiwka im Donbas beziehen. Erstere ist eine Kleinstadt auf einer Hügelkette westlich des im vergangenen Jahr von russischen Truppen eroberten Bachmut. Ein Verlust könnte einen russischen Vormarsch auf größere Städte wie Konstantiniwka oder Kramatorsk ermöglichen. Seit Wochen sind die Vororte umkämpft. Es gibt wenig Bewegung.
Weiter südlich ist den russischen Truppen hingegen vor etwa einer Woche ein Einbruch in die Front westlich von Awdijiwka beim Dorf Ocheretyne gelungen. Seither versuchen sie laut Einschätzungen von Beobachtern diesen Einbruch auszuweiten. Allerdings ist es ihnen bisher nicht gelungen, weiter in die Tiefe auf den wichtigen Knotenpunkt Pokrowsk vorzurücken.
Demo für Demobilisierung von Soldaten
In Kyjiw demonstrierten am Samstag rund 150 TeilnehmerInnen, vor allem Frauen, für die Demobilisierung von Soldaten, die seit Beginn der Invasion kämpfen. Ihre Männer und Söhne seien kein Eigentum des Staates. Die Last des Kampfes müsse fair verteilt werden. Das Parlament hatte jüngst ein neues Mobilisierungsgesetz verabschiedet, um den Truppenbedarf der Armee zu decken. Außerdem wurde das Mindestalter von 27 auf 25 Jahre gesenkt.
In der Nacht zu Sonntag waren die Regionen Mykolajiw und Cherson Ziele russischer Drohnenangriffe. Dabei wurden in der südukrainischen Stadt Mykolajiw nach Angaben von Gouverneur Vitali Kim ein Hotel und ein Objekt der Energieversorgung getroffen. Personenschäden habe es nicht gegeben. Das russische Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, in der Nacht auf Sonntag seien über den grenznahen Gebieten 17 ukrainische Drohnen abgeschossen worden.
Auch diese Zahl war nicht unabhängig überprüfbar. Der Gouverneur des Gebietes Kaluga, Wladislaw Schapscha, teilte mit, drei ukrainische Drohnen seien in der Nähe eines Treibstofflagers abgefangen worden.
In der Nacht zuvor hatte es in der Ukraine zwei Mal landesweiten Luftalarm gegeben. Ziel war erneut vor allem die Energieinfrastruktur. Die Angriffe fielen zwar kleiner aus als zu Beginn des Monats. Schäden gab es vor allem in den westlichen Gebieten Lwiw und Iwano-Frankiwsk sowie in den Großstädten Dnipro und Charkiw. Eingesetzt wurden nach ukrainischen Angaben Dutzende Shahed-Drohnen, ballistische Raketen sowie mehrere der sogenannten Hyperschallraketen vom Typ Kinschal.
Ukraine fordert mehr Flugabwehr
Die letzteren beiden Typen können nur mit Flugabwehrsystemen wie Patriot oder SAMP/T abgefangen werden, von denen die Ukraine allerdings nur wenige besitzt. Präsident Wolodymyr Selenskyj wies per Videoansprache erneut darauf hin, dass die Ukraine mindestens sieben weitere Abwehrsysteme vom Typ Patriot benötige. Bisher hat nur Deutschland die Lieferung eines weiteren Systems zugesagt.
In Kyjiw hatte am Freitagnachmittag die Evakuierung zweier Kliniken, darunter ein Kinderkrankenhaus, für Aufsehen gesorgt. Bürgermeister Vitaly Klitschko hatte diese angeordnet. Zuvor war ein Video aus Belarus aufgetaucht, in dem behauptet wurde, dass in den Kliniken Soldaten untergebracht seien und sie deshalb angegriffen würden. Die PatientInnen seien in andere Krankenhäuser verlegt worden, teilte Klitschko auf dem Telegramkanal der Stadtverwaltung mit. Laut Geheimdienst SBU ist die Drohung Teil der psychologischen Kriegsführung. Die Evakuierung sei eine notwendige Vorsichtsmaßnahme. Nicht ohne Grund: Angriffe auf Krankenhäuser gehören zur russischen Kriegsführung.
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