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Trumps Pläne für GazaAnkündigung eines Jahrhundertverbrechens

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

US-Präsident Trump möchte die Palästinenser aus dem Gazastreifen „umsiedeln“. Der Plan brächte keinen Frieden, sondern würde in eine Katastrophe führen.

Wir sehen das vom israelischen Militär zerstörte Viertel Jabalia im Gazastreifen. US-Präsident Donald Trump sieht blühende Landschaften Foto: Osama Al-Arabid/reuters

D ass Trump als ersten Staatsgast ausgerechnet Benjamin Netanjahu empfing, gegen den ein Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof vorliegt, war allein schon ein Statement. Trump hält nichts vom Völkerrecht, das ist klar. Doch seine Ankündigung, die USA wollten den Gazastreifen „übernehmen“ und zwei Millionen Menschen von dort in die Nachbarstaaten „umsiedeln“, ist monströs. Es wäre ein Jahrhundertverbrechen – eine zweite Nakba, wie die Palästinenser die Katastrophe von Flucht und Vertreibung bei der israelischen Staatsgründung bezeichnen. Wie man weiß, hat diese nicht zu einem Frieden im Nahen Osten geführt.

Trump hat recht, wenn er sagt, der Gazastreifen sei praktisch unbewohnbar: Er ist ein Trümmerfeld und ein Massengrab. Doch statt den Mann, der dafür verantwortlich ist und der feixend neben ihm saß, dafür zu bestrafen, will er ihn belohnen. Das ist an Zynismus schwer zu überbieten.

Netanjahu und seine rechtsradikalen Koalitionspartner können sich freuen. Sie haben dem Waffenstillstand, durch den nach über einem Jahr Krieg endlich weitere Geiseln befreit werden konnten, ohnehin nur zähneknirschend zugestimmt. Jetzt gibt der US-Präsident ihren Plänen, den Gazastreifen wieder militärisch zu besetzen, seine Bevölkerung zu vertreiben und ihn selbst zu besiedeln, seinen Segen und hat sogar die aktive Unterstützung der USA zugesagt. Besser geht es für die israelische Rechte nicht.

Wie zwei Kolonialherren

Nur Verrückte können glauben, dass diese Wahnsinnsidee dem Nahen Osten Frieden bringen könnte. Aber Trump und Netanjahu meinen es ernst. Trump betrachtet den Nahost-Konflikt skrupellos als Immobilienprojekt. Und Netanjahu glaubt, er könne sich weiter an der Macht halten und Israel Sicherheit bieten, indem er weiter auf Gewalt und Unterdrückung setzt.

Wie zwei Kolonialherren alter Schule stellten die beiden im Weißen Haus über die Köpfe der betroffenen Menschen hinweg der Weltöffentlichkeit ihre absurden Pläne vor. Die Menschen vor Ort – insbesondere die Palästinenser und ihre arabischen Nachbarn, aber vermutlich auch die verbliebenen Geiseln – kommen dabei unter die Räder.

Ob Trump tatsächlich US-Truppen in den Gazastreifen verlegt? Das kann man bezweifeln, denn das Risiko wäre groß. Aber er hat Netanjahu einen Freibrief gegeben, zu tun, was ihm beliebt, und will ihn dabei unterstützen. Er liefert Israel auch wieder die schweren Bomben, die sein Vorgänger gestoppt hatte, und hat dessen Sanktionen gegen militante israelische Siedler aufgehoben. Auch im Westjordanland haben Israels extrem rechte Regierung und die radikalen Siedler damit freie Hand. Eine neue Katastrophe ist vorprogrammiert.

Deutschland darf das nicht hinnehmen. Es sollte seine Waffenlieferungen an Israel endlich stoppen, um sich nicht weiter mitschuldig zu machen, und Palästina als Staat anerkennen, um zu zeigen, dass es an einer völkerrechtlich regelbasierten Weltordnung festhält.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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18 Kommentare

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  • Mir ist nicht ganz klar was Herr Brax genau meint, wenn er von Katastrophe spricht. Die ist doch für die Palästinenser schon längst eingetreten. Gaza liegt in Schutt und Asche, ein Wiederaufbau würde Jahrzehnte dauern. Eine Zweistaatenlösung ist noch unwahrscheinlicher geworden als zu vor. Und Israel wird unter dieser Regierung nicht zusehen, wie die Hamas zu alter Stärke zurückfindet. Da bleiben nicht mehr viele Optionen übrig.

    Netanjahu und Trump werden jetzt hinter den Kulissen versuchen einen Deal mit potentiellen Aufnahmeländern zu vereinbaren. Nicht nur in dieser Region kann durch Geld und politische/wirtschaftliche Versprechen Widerstand schnell gebrochen werden.

    Möglich wären auch finanzielle Anreize für eine freiwillige Ausreise. Das würde dann zumindest den rechtlichen Rahmen wahren, anstatt einer völkerrechtswidrigen ethnischen Säuberung.

    Den Zeitgeist nach zu urteilen, denke ich schon das Trump und Netanjahu sich gegen die Bedenken der UN oder der EU behaupten werden.

  • Sehe ich anders, viele arabische Staaten spielen mit den Palästinenser seit Jahren ein doppeltes Spiel - unterstützten sie hintenrum in ihrem Kampf gegen Israel aber weigerten sich beharrlich während des Krieges Menschen von dort aufzunehmen...



    Trump hält den arabischen Staaten mit seiner Idee nur den Spiegel vor - wer Terror unterstützt darf sich auch gern mit dessen Folgen konfrontiert sehen

  • Egal von welchem Inmobiliendeal Trump träumt, es wird dort auch in zwanzig Jahren nicht anders ausschauen. Solange Extremisten auf beiden Seiten an der Macht sind und der Iran Gaza und Libanon weiterhin als Faustpfand behält wird es nur Krieg und Elend geben.

  • Mit einer Annektion würden die USA niemals durchkommen, genauso wenig wie Putin. Weder von Palästina/Gaza, noch von Dänemark/Grönland. Die Ankündigung von ethnischen Säuberungen lässt sämtliche Alarmglocken schrillen.

    Nicht seit der Zeitenwende!

    Europa, die Welt, würde reagieren: Schärfste internationale Sanktionen und militärisches Eingreifen wären die zwangsläufige Folge.

    Palästina braucht schleunigst einen Marshallplan und eine handlungsfähige Regierung. Nur so lässt sich Frieden in der Region langfristig sichern.

  • Nur zur Erinnerung: Das Konzept (je nach Sichtweise) "Umsiedlung", "Vertreibung" oder "Kolonisierung" ist der mutmaßlich älteste Lösungsansatz für territoriale "Konflikte" und reicht historisch zurück vor die Sesshaftwerdung des Homo sapiens.



    Allein wir Europäer dürfen uns für das 20. Jh. millionenfaches Leid, verursacht durch Nationalstaatsgründungen, Kriege, Vertreibungen und Gegenvertreibungen etc. an die Fahnen heften. Wir haben bis heute nicht gelöste Territorialkonflikte auf dem Balkan, die seit 30 Jahren nur mit der geballten Power von UN, EU und Nato halbwegs in Schach gehalten werden können.



    Also jetzt von einem "Jahrhundertverbrechen" zu schreiben, scheint mir doch etwas zu hoch gegriffen. Es dürfte, so es überhaupt in die Tat umgesetzt würde, eines von mehreren Aktionen sein, die das laufende Jahrhundert noch bereithalten wird.



    Zur Wahrheit (und beim Nahostkonflikt wird gern darauf verwiesen) gehören auch die lange Dauer und dass der Flüchtlingsstatus der Araber palästinensischer Provenienz auch in der 4. Generation mit allen Mitteln aufrecht erhalten wird, ohne die geringste Hoffnung auf "Rückkehr" ohne neues Unrecht. Vielleicht sollte man sich da mal ehrlich machen.

  • Aus Trumps Familiensicht macht das Sinn: Bauaufträge in Billionenhöhe für die familieninternen Baufirmen. Vorlage ist sicherlich Floridas East-Coast. Aus dem nahegelegenen Ägypten könnte er ja in Ergänzung ein Mega-Egyptland machen. Irgendwie tickt der wie Cesar. Aber irgendwann kommt er dann auf das kleine, gallische Dorf ....

  • Das ist ein wahrer Albtraum - insbesondere natürlich für die Palästinenser*innen, aber auch für den Weltfrieden insgesamt.

    Da wünschte ich mir schon, dass auf der politischen Ebene klare Ansagen gemacht würden, wohl wissend, dass die Deutsche und Europäische Abhängigkeit von den USA um ein vielfaches stärker ist, als es die von Russland je gewesen ist.



    Es war schon immer etwas kriecherisch und verlogen, wenn trotz wirtschaftlicher Erpressung (z.B. Nordstream 2) und Abhöraktionen (z.B.Merkel-Telefon) von der uneingeschränkten, engen Verbundenheit mit unseren amerikanischen Freunden die Rede war.

    Ich wünschte mir von Politiker*innen die gegenüber Herrn Putin in der Wortwahl nicht gerade zimperlich sind, wenigstens halb soviel Klarheit bezüglich der irren und verbrecherischen Ankündigungen von Herrn Trump. Da ist die Aussage "wir sind beunruhigt" dann schon fast das schärfste was zu hören ist.



    Angemessen wäre eine deutliche Verurteilung der imperialistischen Pläne des amerikanischen Präsidenten.

  • "Trümmerfeld und ein Massengrab"- Made by the US. Machen wir uns nix vor, diese massive Zerstörung wäre ohne amerikanische Waffen/ Bomben nicht möglich gewesen.



    Mich stört es auch erheblich, dass in vielen Artikeln das Wort Umsiedlung verwendet wird. Man sollte hier die Begriffe verwenden die tatsächlich zutreffen ethnische Säuberung und Deportation. Oder auch wie sie sagen Jahrhundertverbrechen. Von der deutschen Regierung erwarte ich aber leider bis auf leere Worte nichts mehr. Man hat sich über das Verbot von UNRWA aufgeregt, die SPD sagte sogar es ist nicht hinnehmbar und was hat man getan: NICHTS! Ach ja an Israel appelliert. Irgendwann sollte man mal Konsequenzen ziehen, wenn man merkt das Appelle und Erinnerungen an das Völkerrecht gar nichts bringen. Was haben die Appelle und unzähligen UN-Resolutionen gegen die Siedlungen, Menschenrechtsverletzungen, Annexion, Landraub, Siedlergewalt, etc gebracht? Nüscht! Bei den Briten haben zumindest mittlerweile auch unter den Konservativen MP´s welche gemerkt, das man mit dieser Strategie die Rechten/ Rechtsradikalen/ Siedler gestärkt hat, weil es nie Konsequenzen gab für Rechtsbruch.

  • Gott bin ich froh, dass Brandenburg weder am Meer liegt, noch fantastisches Wetter hat.



    Der Orangene würde uns hier sonst auch noch wegsiedeln.

  • "...eine zweite Nakba, wie die Palästinenser die Katastrophe von Flucht und Vertreibung bei der israelischen Staatsgründung bezeichnen. " Nein, die Ursache für Flucht und Vertreibung war eben nicht die israelische Staatsgründung, sondern der Angriff der arabischen Nachbarn auf den eben gegründeten Staat Israel. Hätten die Palästinenser den UN-Teilungsplan ebenso wie die Israelis akzeptiert, so hätten sie seit 77 Jahren ihren Staat.

  • Für die Zerstörungen ist in erster Linie die Hamas verantwortlich. Hätte die Hamas das Geld in Infrastruktur investieren statt in Waffen, gäbe es keine Zerstörung. Das Grundproblem sind die Terroristen.

  • Die USA erkennen den Internationalen Strafgerichtshof nicht an. Das war auch schon vor Herrn Trump so. Insoweit ist die Einleitung des Artikels unpassend.

  • Völkerrecht? Menschenrecht? Demokratie? Alles Firlefanz in den Augen von Trump und Netanjahu. Ja, unsere Regierung sollte SOFORT klar dazu Stellung beziehen. Wenn der andere Kanzler wird, dann wird der -zumindest Trump- in das dafür vorgesehene Körperteil kriechen bis zum Anschlag.

  • Richtig. Wenn sich die israelische Regierung dem Vorhaben Trumps anschließt, muß das Auswirkungen auf unser Verhältnis zu Israel haben. Sollten Trumps Äußerungen einem schon länger gehegten Wunsch der Regierung Netanjahu entsprechen, dürfte dies Auswirkungen auf die derzeit untersuchte Frage haben, ob im Gaza-Streifen von einem Genozid gesprochen werden kann.

  • Sehen Sie, Herr Bax, genau deshalb fand ich die ganze Behauptung, es habe ein Völkermord stattgefunden, nicht sinnvoll. Denn im Vergleich zu einem Völkermord erscheint der irrsinnige und unmenschliche Plan, Millionen von Menschen im Rahmen einer ethnischen Säuberung zwangsumzusiedeln, geradezu als die ethischere Alternative. Alle, die immer insistiert haben, ein Völkermord würde längst stattfinden, haben genau so einem Vorhaben den Boden geebnet, ohne es zu merken.

    Und das richtige Vorgehen jetzt sind selbstverständlich nicht Maßnahmen gegen Israel, das sich diesen Plan ja nicht ausgedacht hat, sondern Schutzmaßnahmen vor den USA, die damit noch lange nicht ihr Pulver verschossen haben. Wenn man jetzt einseitig die Unterstützung Israels verringert, treibt man es nur noch tiefer in die Arme Trumps.

  • Als ich heute morgen von der Umsiedelung las, dachte ich: Das nennt sich doch eigentlich Vertreibung. Im nächsten Moment habe ich an mir gezweifelt. Ich dachte - irgendetwas übersehe ich, dass das doch ein tolles Angebot ist. Aber bis jetzt, bin ich nicht darauf gekommen, was ich übersehen habe.

    Im Verhältnis dazu wirkt Grönland zu kaufen, ja fast schon vernünftig.

  • So ein Quatsch. Erstens bringt man damit Finanzmärkte zum Einsturz und Bereichert sich mit Wetten auf fallende Kurse. Zweitens ebnet man damit den Weg für die "Mass Adoption of Crypto" (darum geht es bei allem was gerade abläuft). Und Drittens bringt man dazu alle anderen ihre Ideen offenzulegen.

    Trump wird wie sonst einen Rückzieher machen und die anderen werden stolz die Region wieder aufbauen, aber endlich wird sich etwas tun.

  • Ich denke nicht, dass man jeden Mumpitz, den Trump absondert, auf Bedeutung abklopfen muss. Das wird - wie diverse hundert andere Dinge auch, nicht passieren. Schnappatmung ist da IMO völlig oversized.