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Strategie von Letzte GenerationAnders für die Sache kämpfen

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Die Razzien gegen die Letzte Generation sind übertrieben. Doch statt Straßen zu blockieren, sollten die AktivistInnen besser um Mehrheiten werben.

Demokratie ist anstrengend: Ein Mitarbeiter der Autobahn-Straßenmeisterei nach einer Blockade-Aktion Foto: Paul Zinken/dpa

J a, die Razzien gegen die Letzte Generation sind völlig überzogen. Diese Kli­ma­be­we­gung ist keine kriminelle Vereinigung im strafrechtlichen Sinne, weil ihre Straßenblockaden eben nicht die öffentliche Sicherheit erheblich gefährden. Dennoch sollten die KlimaschützerInnen künftig anders für ihre Sache kämpfen.

Carla Rochel, Sprecherin der Letzten Generation, hat es dieser Tage im Deutschlandfunk selbst gesagt: Sie finde es „irre, dass wir schon wieder hier nur über die Protestform reden“ – und nicht über die Kli­ma­kri­se. Genau deshalb sollte die Gruppe keine Straßen mehr blockieren. Diese Art von Protest ist eine Steilvorlage für jene, die keinen Klimaschutz wollen. Sie können mit dem Ärger, den die Blockaden bei vielen Menschen erzeugen, ablenken von der Debatte, die wir wirklich führen müssten.

Schlagzeilen über die Klimakatastrophe werden verdrängt von Nachrichten über die Blockaden, die Kritik daran und die Reaktion der Sicherheitsbehörden. Klimaschutzbremser wie CDU, CSU und FDP sind bei dieser Diskursverschiebung umso erfolgreicher, weil der Ärger über die Blockaden teils berechtigt ist. Denn in den Staus stecken ja nicht nur verantwortungslose SUV-Fahrer fest, die ihr Ziel ohne Probleme mit der S-Bahn erreichen könnten. Betroffen sind auch zum Beispiel Lieferanten, die auf ihren Kleintransporter angewiesen sind.

Die Mitglieder von Letzte Generation zeigen einen bewundernswerten Idealismus. Sie stecken sehr viel Energie in ihre Aktionen. Doch leider verpufft sie, ohne den Klimaschutz voranzubringen. Anfangs konnte man vielleicht noch hoffen, dass die Blockaden zum Nachdenken über die Klimakrise anregen.

Volksentscheid ausgerechnet in Berlin gescheitert

Diese Hoffnung hat sich spätestens nach mehr als einem Jahr Klebeaktionen als trügerisch erwiesen. Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland nicht mehr Tempo beim Klimaschutz will. Ausgerechnet in Berlin, wo die Letzte Generation besonders aktiv ist, scheiterte ein Volksentscheid für schnellere Schritte in Richtung Klimaneutralität. Es stimmten einfach zu wenig Wahlberechtigte mit Ja.

Diese ernüchternden Fakten lassen nur eine sinnvolle Schlussfolgerung zu: Die Klimabewegung muss stärker um Mehrheiten werben. Wenn Demonstrationen zu wenig gebracht haben, dann sollte sie sich andere Methoden überlegen. Die AktivistInnen der Letzten Generation würden mehr als durch Blockaden schaffen, wenn sie in Social Media zum Beispiel das geplante Heizungsgesetz gegen die Kampagne der Rechten verteidigen würden.

Falls ihnen nichts Effizienteres einfällt, könnten sie auch wie Wahlkämpfer an Wohnungstüren klingeln und die Bewohner im Gespräch überzeugen. Das ist anstrengend? Ja, aber auch nötig in einer Demokratie.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik und die Lebensmittelindustrie. Journalistenpreis "Faire Milch" 2024 des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. 2018, 2017 und 2014 gewann er den Preis "Grüne Reportage" des Verbands Deutscher Agrarjournalisten. 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis (Essay "Mein Krieg mit der Waffe"), 2013 für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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