Reisen in Zeiten des Klimawandels: Wenn die Ferne ruft
Unsere Autorin fährt gern ins Wendland. Das hält den ökologischen Fußabdruck klein. Muss auch: Sie liebt auch Urlaube in Asien, jeden Winter.
Diese Idee haben immer mehr Menschen in Deutschland. Allein für April vermeldet das Statistische Bundesamt über 33 Millionen Übernachtungen inländischer Tourist*innen. Das sind über 12 Prozent mehr als im April 2018. Ist Deutschland also doch gar nicht so weit entfernt vom ressourcenschonenden Tourismus?
Ja und nein. Denn wer sagt denn, dass die Inlandserforscher*innen vom April im November nicht doch in den Flieger nach Sao Paulo, New York und den Malediven steigen?
Ich zum Beispiel. Im Sommer fahre ich nie weit weg, sondern immer an denselben Ort, in ein kleines Dorf im Wendland in Niedersachsen. Dort habe ich alles, was ich brauche. Ein Bett, eine Espressomaschine, Fahrräder. Wald, Felder, Wiesen, einen See. Wahnsinnig nette Nachbarn und Ruhe. Im Wendland bewege ich mich ausschließlich mit dem Rad und zu Fuß. Ist gut fürs Gewicht, mein Portemonnaie und meinen ökologischen Fußabdruck. Den kann man testen, beispielsweise auf der Homepage des Hilfswerks Brot für die Welt. Man muss Fragen beantworten wie: Wie oft isst du Fleisch? Wie viel Kilometer fährst du in der Woche mit der Bahn? Wie oft wirfst du Lebensmittel weg?
Einmal im Jahr muss ich nach Asien
Meine Werte sind top, bei der Ernährung und beim Konsum liege ich weit unter dem Durchschnitt. Aber dann kommt’s. Mein Flug jedes Jahr im Winter nach Asien macht meinen ökologischen Fußabdruck so groß, dass wir – laut der Auswertung – 2,8 Planeten bräuchten, wenn alle Menschen so leben würden wie ich.
„Bist Du überrascht?“, fragt die Homepage. Ja, bin ich. Obwohl ich das im Grunde weiß. Ändere ich nun mein Verhalten und verbringe meine freien Tage ab sofort ausschließlich in dem kleinen niedersächsischen Dorf? Auf keinen Fall.
Einmal im Jahr muss ich nach Asien. Ich liebe Vietnam, Laos, den Norden von Thailand, Myanmar, Taiwan, Indien, Sri Lanka, Kambodscha… Ich liebe die Farben dort, die Gerüche, die Menschen, die andere Kultur. Die Hitze, wenn der Schweiß an den Innenseiten meiner Schenkel herunterläuft. Die überfüllten Großstädte mit ihrem Lärm und gleichzeitig der Gemütlichkeit, die diese Metropolen in sich tragen. Wer erlebt hat, wie Bangkok, wahrlich ein Moloch, mit dem Sonnenaufgang beginnt zu leben, um den ist es geschehen. Um mich war es jedenfalls vor vielen Jahren geschehen und jetzt muss ich da einmal im Jahr hin, sonst geht es mir nicht gut.
Ich könnte mit dem Zug fahren, ja. So wie das Kim Il Sung getan hat, der Großvater des aktuellen nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un. Sung reiste vor über 30 Jahren mit der Bahn nach Ostberlin zu Erich Honecker, dem damaligen Staatsratsvorsitzenden. Aber nicht, weil Sung das Klima schützen wollte. Er hatte Angst, im Flugzeug abgeschossen zu werden.
Von Berlin nach Bangkok sind es über 8.600 Kilometer. Mit dem Zug würde ich etwa zwei Wochen brauchen. Da reichen selbst die drei Tage mehr Urlaub nicht, die die Weiberwirtschaft, ein feministischer Gewerbehof in Berlin, jetzt seinen Mitarbeiter*innen gewährt, die mit der Bahn und dem Bus verreisen.
Es ist ein kaum zu lösender Konflikt. So wie mir geht es sicher den meisten Menschen, selbst den radikalsten Öko-Grünen. Greta Thunberg, die „Fridays for Future“-Aktivistin, fährt mit dem Schiff zum Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York im September, anschließend mit der Bahn zur Weltklimakonferenz in Santiago de Chile. Die schwedische Schülerin geht ein Jahr lang nicht zur Schule.
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