Rechtsextremes Magazin von Elsässer: Compact wird verboten
Seit Jahren verbreitet das Compact Magazin rechtsextreme Verschwörungsmythen und Russland-Propaganda. Nun wird es verboten.
Seit Dienstagfrüh ist damit Schluss. Im Morgengrauen ließ das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) das rechtsextreme Magazin verbieten, ebenso wie die dazugehörige Conspect Film GmbH. Polizeikräfte durchsuchten dafür den Verlagssitz in Falkensee in Brandenburg, wo auch Chefredakteur Elsässer wohnt, und weitere Objekte in Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Ab sofort ist dem Magazin jede Tätigkeit verboten.
Für Faeser ist Compact „ein zentrales Sprachrohr“ der rechtsextremistischen Szene. „Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie.“ Das Verbot zeige, dass man auch gegen „geistige Brandstifter“ vorgehe, die ein Klima von Hass schürten. „Unser Signal ist ganz klar: Wir lassen nicht zu, dass ethnisch definiert wird, wer zu Deutschland gehört und wer nicht“, betonte Faeser.
Das Ministerium wirft dem Magazin antisemitische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Inhalte vor. Immer wieder agitiere das Magazin gegen die parlamentarische Demokratie und ein pluralistisches Gesellschaftsbild, das die Menschenwürde aller achte. Vertreten werde ein „völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept“ und eine „Widerstandsrhetorik“. Das Blatt sei geprägt von „verzerrenden und manipulativen Darstellungen“. Auch antisemitische Inhalte kämen vor, wenn etwa vom jüdischen „Hochfinanz“ die Rede sei. Und Chefredakteur Elsässer sei inzwischen ein „zentraler Vernetzungsakteur“ in der rechtsextremen Szene, der Kontakte zur AfD, den Identitären oder der Kleinpartei „Freie Sachsen“ pflegt.
Schon länger im Visier der Sicherheitsbehörden
Das Verbot eines Verlags hat Seltenheitswert: Zuletzt hatte das Innenministerium 2019 den kurdischen Mezopotamien Verlag verboten, dem vorgeworfen wurde, die PKK zu unterstützen. Nun trifft ein Verlagsverbot auch die rechtsextreme Szene – wo es zuletzt bereits Verbote von Gruppen wie den Hammerskins oder der Artgemeinschaft gab.
Das Compact Magazin, das zuletzt mit einer Auflage von rund 40.000 Exemplaren erschien, stand dabei schon länger im Visier der Sicherheitsbehörden. Elsässer hatte schon 2008 eine Buchreihe unter dem Titel „Compact“ im Kai-Homilius-Verlag herausgegeben, das erste Compact Magazin erschien am 6. Dezember 2010 mit Thilo Sarrazin auf dem Titel, ab 2013 wurde es im Monatsrhythmus veröffentlicht.
Im April 2011 erschienen drei Männer bei einem Notar in Potsdam, um die Compact-Magazin GmbH zu gründen: Jürgen Elsässer, Kai Homilius und Andreas Rieger. Andreas Rieger ist deutscher Konvertit und Herausgeber der Islamischen Zeitung. Er hatte Elsässer 2009 interviewt. Danach hätten sie zusammen gesessen, erklärte Rieger 2016 der taz: „Wir waren uns einig: Es gibt zu wenige Magazine, die unterschiedliche Positionen vereinen.“
Die Zusammenarbeit bereute Rieger später: Er stieg 2014 aus, wegen der „rassistischen und nationalistischen Positionen“. Seinen Anteil übernahm die „Nordheide Kontor GmbH“ aus der Nähe von Hamburg des Unternehmers Jörgen-Arne Fischer-van Diepenbrock, der mit der Firma „Jumbo Fischer“ Zubehör für Nutzfahrzeuge vertreibt.
Elsässer und Homilius sind bis heute dabei. Elsässer übernahm 2018 den Anteil der „Nordheide Kontor GmbH“. Seitdem gehören ihm zwei Drittel der Compact-Magazin GmbH und er ist der alleinige Geschäftsführer. Homilius hält ein Drittel und hat Prokura, darf die Firma also geschäftlich vertreten.
„Heldenmedaille Donald Trump“ und „Höcke-Taler“
Das Compact Magazin wurde im Jahr 2020 vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingestuft, ein Jahr später als „gesichert rechtsextreme Bestrebung“. Elsässer schreckte auch vor Demonstrations- und Widerstandsaufrufen nicht zurück. So schrieb er im Blatt: „Wir wollen dieses Regime stürzen. Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen und irgendwelche Texte wie eine Laubsägenarbeit auf den Markt bringen. Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes.“
Nach den Schüssen auf US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump wurde dieser als „Held“ gefeiert, die Wahlschlappe des französischen Rassemblement National bedauert. Veröffentlicht wurde ein „Exklusiv-Interview“ mit Kreml-Sprecherin Maria Sacharowa oder eine Petition für den AfD-Rechtsaußen Maximilian Krah gestartet, damit dieser doch noch Teil der AfD-Delegation im Europaparlament wird.
Immer wieder bot Elsässer dabei Rechtsextremen wie dem Identitären Martin Sellner, dem Verschwörungsmythiker Oliver Janich oder AfD-Größen wie Björn Höcke und Maximilian Krah ein Podium. Gerade den Parteiflügel um Höcke hofiert das Magazin, holt dessen Akteure immer wieder auf Podien. Vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg veranstaltete Compact auch eine Kundgebungstour „Die blaue Welle“, für die zu Spenden aufgerufen wurde. Das wurde selbst der AfD zu heikel, die eine Parteispendenaffäre fürchtete und eine Unterlassungserklärung gegen das Magazin anstrengte.
Spendenaktionen indes gehören zum Alltagsgeschäft von Compact. Laut dem jüngsten, im Mai veröffentlichten Jahresabschluss betrug der Umsatz im Geschäftsjahr 2021 geschätzte 6,8 Millionen Euro bei einem Gewinn von 390.000 Euro. Auch in den fünf Jahren davor lag der Umsatz jeweils bei mittleren einstelligen Millionenbeträgen. Die Compact Magazin GmbH hatte im Jahr 2021 nach eigenen Angaben 21 Mitarbeiter*innen.
Neben dem Verkauf der Hefte warb Compact immer wieder um Spenden, versuchte auch mit Sonderausgaben, CompactTV, Sommerfesten, einer „Clubmitgliedschaft“ oder Fanartikeln im Compact Shop wie einer „Heldenmedaille Donald Trump“, einem „Höcke-Taler“ oder einer „Druschba-Medaille“ Geld einzutreiben. Zuletzt beklagte Elsässer jedoch Kontokündigungen und „Finanzkrieg“ gegen sein Magazin. Es seien Spendenausfälle von 140.000 Euro angefallen.
Der Bundesregierung liegen auch Erkenntnisse zum Kontakt des russischen Ideologen Alexander Dugin zur „Compact-Magazin GmbH“ vor. Dugin veröffentlichte Essays im Magazin. Inwieweit diesbezüglich finanzielle Verbindungen bestehen, ist nicht bekannt.
Neben dem Compact Magazin betreibt Homilius in Magdeburg noch mit der „9 Leben GmbH“ einen Online-Shop für Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamin D, Magnesium, indische Schlafbeere oder Astaxanthin – ein Zusatz für Fischfutter, dem vermeintliche Anti-Aging-Effekte zugeschrieben werden. Laut einer Recherche des Redaktionsnetzwerks Deutschland ist in Artikeln des Compact Magazins immer wieder für die Wellness-Firma des Mitgesellschafters Homilius in redaktionellen Artikeln geworben worden, ohne dies zu kennzeichnen.
Dass sein Verlag nun verboten wird, ist für Chefredakteur Elsässer das vorläufige Ende eines langen Weges von ganz links nach ganz rechts. Denn ursprünglich war der Publizist mal Anhänger des Kommunistischen Bundes und konkret-Autor. Vor knapp 20 Jahren begann dann sein Weg nach rechts, vorgeblich, weil sich „die Linke“ nicht mehr für das Proletariat interessiere. Schon 2006 kritisierte Elsässer: „Mit Staatsknete Multikulti, Gendermainstreaming und die schwule Subkultur gefördert, während die Proleten auf Hartz IV gesetzt werden.“ Immer wieder rief er dann zu Protesten auf und einer deutschen „Volksfront“. Bei Pegida stand Elsässer auf der Bühne, anderswo auch mit Höcke und anderen AfD-Funktionären. Mit Lars Günther beschäftigte er einen AfD-Mann lange als persönlichen Assistenten.
„Noch schärfere Tonart“ seit dem Krieg in der Ukraine
Symptomatisch war kürzlich ein Auftritt von Elsässer im sächsischen Zwönitz, auf der „Blauen Welle“-Kundgebungstour. „Deutschland wird vor die Hunde gehen, wenn wir die da oben nicht davonjagen“, rief Elsässer dort vor einer Großfahne der Freien Sachsen. Der 67-Jährige wetterte gegen „Umvolkung“ und „Wokeness“ und erklärte, Deutschland sei „ein besetztes Land“, unter Kontrolle der „Blutsauger im Westen“. Er selbst sei „ein Putin-Unterstützer“, bekannte Elsässer. Er wünsche sich, dass die Nato und die USA in der Ukraine „richtig einen auf den Sack kriegen“. Mit jedem Kilometer, den die Russen vorrückten, rücke „der Tag der deutschen Freiheit näher“.
Es war nicht die erste Rede Elsässers in diesem Tenor. Und die Sicherheitsbehörden hatten es stets aufmerksam notiert. Bereits zuletzt hatte der Brandenburger Verfassungsschutz vor der großen Reichweite von Compact gewarnt und wie dort russische und extremistische Propaganda verbreitet werde. Seit dem Krieg gegen die Ukraine gebe es eine „noch schärfere Tonart“. Das Magazin könne zu „gesellschaftlichen Verwerfungen und zur politischen Destabilisierung in Deutschland beitragen“. Der Geheimdienst sorgte deshalb bereits dafür, dass der Tiktok-Kanal des Magazins gelöscht wurde und erklärte, dies sei „nur ein erster Schritt“.
Doch Elsässer und sein Compact Magazin machten ungebremst weiter. Und sie hatten für den 27. Juli bereits das nächste Event geplant: ein „Sommerfest“ mit Sellner und Krah in Stößen (Sachsen-Anhalt). Daraus wird nun nichts mehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“