Rechte an Corona-Impfstoffen: Patentierter Massenmord
Impfstoffpatente gehören Pharmakonzernen. Ohne sie könnten Produktionsstätten weltweit größere Mengen herstellen.
E s gibt unterschiedliche Arten von Massenmord. Eine heißt „Patent“. In einer Welt extremer sozialer Unterschiede entscheiden Patente, wer überleben darf. Deswegen haben jene, die in einer globalen Pandemie wiederholt verhindern, dass die Patentrechte für Covid-19-Arzneien, Impfstoffe und medizinische Produkte ausgesetzt werden, Blut an den Händen. Das ist keine Übertreibung, das ist tödlicher Ernst.
Die Europäische Union hat im März zum achten (!) Mal einen diesbezüglichen gemeinnützigen Vorschlag der Regierungen Indiens und Südafrikas bei der Welthandelsorganisation blockiert, unisono mit den USA und Großbritannien. Die Mitgliedsländer einigten sich stattdessen darauf, das Thema Mitte April erneut zu behandeln. Während wir hierzulande über ausbleibende Liefermengen klagen, haben die Menschen in jedem zweiten Land auf Erden so gut wie keine Impfungen erhalten.
Grund dafür ist, dass die Impfstoffe den Pharmakonzernen gehören. Selbst innerhalb der kapitalistischen Logik ist das ungerecht, denn ihre Entwicklung wird in den meisten Fällen durch jahrzehntelange öffentliche Finanzierung erst ermöglicht. Die Impfstoffe der Unternehmen Biontech/Pfizer und Moderna beruhen auf grundlegenden Entdeckungen, die mit staatlicher Unterstützung an universitären Forschungsstellen gelungen sind.
So die essenziell wichtige RNA-Modifikation (daher der Name „Moderna“: „Modified“ + „RNA“), die an der Universität Pennsylvania entwickelt wurde. Neben solcher Grundlagenforschung hat die öffentliche Hand zudem weltweit zusätzliche 93 Milliarden Euro in die Entwicklung der Impfungen investiert. „Dieser Impfstoff gehört den Menschen“, forderte folgerichtig Peter Maybarduk, Leiter von Access to Medicines bei Public Citizen in der Zeitschrift Scientific American.
Forschung durch Steuergelder finanziert
„Öffentlich bezahlte Wissenschaftler haben ihn erfunden, die Steuerzahler haben seine Entwicklung finanziert. Er sollte Eigentum der ganzen Menschheit sein.“ Zudem sorgen die Pharmapatente für eine künstliche und somit profitable Verknappung der Mengen. Wie viel mehr könnte hergestellt werden, wenn weltweit die Produktionsstätten nun grünes Licht bekämen. Stattdessen erfolgt eine privatwirtschaftliche Enteignung gesellschaftlichen Vermögens – mithilfe des Staates und somit als staatskapitalistischer Übergriff.
Die zu erwartenden Gewinne werden gigantisch sein, denn die Konzerne haben sich bereit erklärt, die Preise nur so lange zu deckeln, wie die Pandemie anhält. Sie haben sich aber ausbedungen, selbst zu entscheiden, wann diese vorbei sein wird. Einige von ihnen haben angedeutet, die Schonzeit werde spätestens Ende dieses Jahres ablaufen. Ein amerikanischer Freund schrieb mir neulich, wie dankbar seine Eltern gewesen seien, die Impfung kostenlos erhalten zu haben.
„Aber ihr habt das verdammte Zeug ohnehin schon bezahlt“, erwiderte er, „ihr seid also dankbar, es nicht doppelt bezahlen zu müssen.“ Also, zum Mitschreiben, für all jene ohne Herz und Hirn, die dieses menschenverachtende System aufrechterhalten: Uns ALLEN gehört der Impfstoff und es ist in unser ALLER Interesse, dass weltweit ALLE geimpft werden, also gibt es nur eine vernünftige und ethische Politik: Impfstoff als Gemeingut, weltweit kostenlos oder zum Selbstkostenpreis verteilt.
Siehe da, genau das hat Ursula von der Leyen schon letzten April gefordert. Der Impfstoff müsse in ein globales Gemeingut umgewandelt werden, um eine gerechte Verteilung zu sichern. Wahrscheinlich war dies, bevor Lobbyisten und Industrielle den Verantwortlichen hinter verschlossenen Türen erklärten, wem sie wirklich zu dienen haben (Tipp: nicht der Gesellschaft).
Bevor wie üblich jetzt jemand aufschreit, das Ganze sei nicht so einfach und außerdem viel komplexer, dem oder der sei gleich zugestanden, dass es selbstverständlich eine Reihe weiterer logistischer und technischer Herausforderungen gibt. Deshalb hat die oft geschmähte Weltgesundheitsorganisation schon im vergangenen Jahr einen Technologiepool eingerichtet. Ziel ist es, das notwendige Know-how mit Herstellern in armen Ländern (gerade Indien hat beachtliche Kapazitäten) zu teilen.
Leben retten reicht nicht als Motivation
Kein einziger Impfstoffhersteller hat sich bislang daran beteiligt. Die Konzerne möchten nicht, und wer könnte sie dazu zwingen? Angeblich gibt es dafür gute Gründe. Ein Aufweichen des geistigen Eigentums schwäche zukünftige Innovationen. Das muss man sich auf den Ohren zergehen lassen. Menschenleben zu retten und Leid zu lindern reicht als Motivation für die Forschung nicht aus! Was taugen die Instrumente eines Systems, wenn sie nur dann in Zukunft und Leben investieren, wenn saftige Dividenden locken?
In den Medien wird diese Frage momentan kaum diskutiert. Stattdessen werden im Fernsehen Touristen vor dem Abflug nach Mallorca interviewt. Eine junge Frau erklärt, sie müsse unbedingt verreisen, denn sie wolle „ihr Leben nicht verpassen“.
Abgesehen von der traurigen Tatsache, dass sich manche Menschen nur am Leben wähnen, wenn sie nach Malle fliegen, stellt sich die Frage, ob nicht vielmehr jene ihr Leben verpassen, die morgen und übermorgen ohne Impfung sterben, meist ohne zu wissen, wie leicht sie hätten gerettet werden können – mit einem Akt der Mitmenschlichkeit.
Zu Beginn dieser Pandemie gab es berechtigte Hoffnungen, dass die Krise zu einem Innehalten und Überdenken führen könnte – weg von Gier und Profit, hin zur überlebensnotwendigen Solidarität. Diese Hoffnung hat sich zerschlagen. Früher forderten Nationalisten einen Platz an der Sonne, heute reservieren sie einen Platz an der Spritze. Während wir uns bald in Immunität wiegen können, werden Milliarden leer ausgehen. Eine rundum patente Lösung.
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