Polizei-Einsatz bei Demo in Leipzig: Politisch unkluge Kritik

Die besonders von links heftige Kritik am Polizeieinsatz von Leipzig ist zu reflexhaft: Wünschen wir uns ernsthaft eine Polizei, die sofort zuschlägt?

Polizisten in Schutzmontur auf Pferden

Polizei-Einsatz auch zu Pferd bei der Demo am Samstag in Leipzig Foto: LausitzNews.de/imago

Linke Kritik an der Polizei wird besonders laut, wenn sie sich gegen linke Aktionen und Projekte richtet. Dann sind sie „Bullen“ wahlweise „Bullenschweine“, denen auch schon mal „Advent, Advent, ein Bulle brennt“ nachgerufen wird. Stürmt die Polizei aber nicht brachial eine rechte Demo, hat sie auf ganzer Linie versagt. Dieser linke Reflex ist falsch, fatal und politisch unklug.

Die Polizei hat angesichts der aufgeheizten und, ja doch, gewaltbereiten 20.000 bis 45.000 Demonstrant*innen in Leipzig nicht mit Gewalt reagiert. Dafür wird sie von allen Seiten kritisiert, insbesondere von links. Zwar stimmt es, dass in Connewitz linksextremistische Krawalle seit Jahren gewaltsam aufgelöst werden, am Wochenende auch mit Wasserwerfern. Doch wenn der eskalierende Einsatz hier falsch ist, kann er nicht anderswo richtig sein. Und zur Wahrheit gehört auch, dass linke Protestierende ihrerseits mit Steinen und gezündeter Pyrotechnik die Polizei angreifen.

Stellen Sie sich vor, die Leipziger Polizei hätte versucht, mit Wasserwerfern, Tränengas und Knüppeln die Demo am Samstag in Leipzig gewaltsam aufzulösen. Stellen Sie sich vor, eine ältere Dame, sagen wir eine Homöopathieverfechterin, wäre schwer verletzt worden. So wie der Rentner Dietrich Wagner, der seit den Protesten gegen den Bahnhofsneubau Stuttgart 21 auf einem Auge blind ist, weil ihn ein Wasserwerfer ins Gesicht getroffen hatte. Stellen Sie sich vor, jemand, der fliehen wollte, wäre von der Polizei gefasst und brutal zu Boden geworfen worden.

Was würden Sie denken? So was wie: Das ist hier jetzt wie in den USA, das ist pure Polizeigewalt. Und stellen Sie sich weiter vor, Sie (oder Ihr Sohn) wäre(n) vielleicht eine(r) der Be­am­t*in­nen gewesen und hätte(n) sich gegen die wütende und äußerst aggressive Masse aus Coronaleugner*innen, Rechts­extremist*innen, Neonazis und Ver­schwörungsidelog*innen stemmen müssen. Hätten Sie Angst im Ihr Leben gehabt?

Niemand will eine Polizei, die sofort zuschlägt, sogar dann nicht, wenn es um Wirrköpfe und Rechtsextreme geht.

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Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

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