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Nach der rechten Demo in BerlinGegen die Fassungslosigkeit

Timm Kühn
Kommentar von Timm Kühn

Der Angriff auf den Bundestag entlarvt auch die Linke. Sie muss raus aus der Wohlfühlzone, in der sie sich als die einzige Stimme der Vernunft wähnt.

Auf den Stufen des Reichstags am Samstag Foto: Fritz Engel/Zenit

I n Berlin haben am Samstag zehntausende Menschen gegen die Coronaauflagen demonstriert. Linke, Grüne, Liberale und Konservative konnten auf das Bild, das ihnen dabei geboten wurde, nur mit Fassungslosigkeit reagieren: Zu sehen waren Reichskriegsflaggen neben Regenbogenfahnen, Hippies neben Nazis, Humanisten neben Trumpisten. Am Ende stürmten Neonazis die Treppen des Parlaments, während die Anhänger der Demokratie sprachlos zuschauten.

Auch die Polizei schien völlig machtlos. Zu einem Zeitpunkt beschützten nur drei Po­li­zis­t*in­nen das Parlament vor der anstürmenden Horde der Faschisten. Diese Beamten sollten als Hel­d*in­nen der Demokratie gelten. Doch darüber hinaus muss gefragt werden, was mit der Polizei los ist: Denn zeitgleich mit dem offenen Angriff der Neonazis auf das zentrale Gebäude unserer Demokratie bewachte eine eigens dafür abkommandierte Reiterstaffel den kümmerlichen Rest der antifaschistischen Gegendemonstration. Zuvor hatte man es als nötig erachtet, tausende An­ti­fa­schis­t*in­nen eine Stunde in einem Kessel gefangen zu halten, augenscheinlich, um sie vom Protestieren gegen die Nazisymbole abzuhalten, die auf der Hauptdemo zuhauf geschwenkt wurden.

In Zeiten, in denen immer wieder neue Skandale ans Tageslicht stoßen, welche eine intime Zusammenarbeit von Teilen der Staatsgewalt mit Rechtsextremisten und sogar mit Rechtsterroristen nahelegen, müssen wir deshalb einsehen: Diese Gesellschaft hat ein gigantisches Problem. Teile der Staatsgewalt sehen anscheinend im Antifaschismus die wahre Gefahr – und nicht etwa in Faschisten, die das Vierte Reich beschwören.

Doch zurück zu den eigentlichen Protesten: Hier kann man davon ausgehen, dass die meisten der Teilnehmenden sich tatsächlich nur Liebe, Frieden und eine harmonische Welt wünschen. Die Gesellschaft muss aber auch einen Weg finden, diese Menschen vor der Naivität ihres eigenen Selbstverständnisses zu warnen: Denn weil sie es unbedingt vermeiden wollen, sich politisch zu positionieren (denn dann könnten sie ja nicht mehr den Anspruch erheben, für die Menschheit als solche zu sprechen), können sie sich gar nicht vom Rechtsextremismus abgrenzen. Wer sich apolitisch gibt, kann niemanden politisch ausschließen.

Die Gesellschaft erschafft sich ihre Nazis durch ihre Politik der sozialen Kälte selbst

Die bittere Ironie ist nun, dass es ebenjener Glaube an das Gute im Menschen ist, der von den Rechtsextremen gnadenlos ausgenutzt wird. Hier überwiegen eiskalte Machtkalkulationen: Man gibt sich bürgerlich, denn man erkennt im verunsicherten Volk ein Radikalisierungspotenzial. Wer nicht mehr weiß, was er in der Pandemie noch glauben soll, der lässt sich doch vielleicht auch für die so alte wie falsche Geschichte eines ganz besonderen Volkes gewinnen, das aber leider von geheimen Mächten unterdrückt wird. Und so wird die BRD plötzlich zum Besatzungskonstrukt, werden Geflüchtete zu einer vom vermeintlichen „Weltjudentum“ gesteuerten Invasionsarmee und wird Homosexualität zu einem Ausdruck kultureller Dekadenz, die von der eisernen Hand des Preußentums (des Faschismus) beiseitegewischt gehört.

Dies sind Realitäten, mit denen wir als Gesellschaft umgehen müssen, wenn wir nicht mit ihnen leben wollen. Wir dürfen deshalb nicht davor zurückschrecken, die Ursachen dieser Zustände zu benennen: Wir leben im Zeitalter einer vom Neoliberalismus hervorgerufenen Sinnkrise, die sich im Zuge zunehmender ökonomischer Unsicherheit, eskalierender Ungleichheit und stagnierender Löhne noch zugespitzt hat. Dass es im Neoliberalismus kaum kollektiven Sinn, Gemeinschaft und einen Lebenszweck außerhalb von Konsum und Profit geben kann, hängt also direkt mit der Attraktivität der Rechtsextremisten zusammen, die einen solchen Lebenssinn anbieten. Die Gesellschaft erschafft sich ihre Nazis durch ihre Politik der sozialen Kälte selbst.

Es ist deshalb Zeit für die Linke, endlich wieder eine eigene Erzählung auf die Beine zu stellen. Wir können dabei von der Hoffnung ausgehen, dass die Perspektive einer besseren und gerechteren Welt immer attraktiver sein wird als die Gegenerzählung der ethnisch-kulturellen Ungleichheit, welche die Abgabe aller persönlichen Autonomierechte an die große Maschinerie der völkischen Diktatur impliziert.

Damit dieses Projekt aber erfolgreich ist, muss die Linke zwei Krisen überwinden. Erstens die Krise der eigenen Kommunikation: Will man für den Glauben an eine bessere Welt stehen, muss man sich auch so verhalten. Menschen ohne Maske niederzubrüllen und als Faschisten zu beschimpfen, erfüllt leider alle Stereotype, die diese Menschen gerade von ihren neuen Kameraden vermittelt bekommen haben. Trotz der Notwendigkeit eines militanten Widerstands gegen den Faschismus gilt also: Die Linke muss raus aus ihrer Wohlfühlzone, in der sie sich als die einzige Stimme der Vernunft wähnt – und mit allen anderen gar nicht erst redet.

Menschen ohne Maske niederzubrüllen und als Faschisten zu beschimpfen, erfüllt leider alle Stereotypen, die diese Menschen gerade von ihren neuen Kameraden vermittelt bekommen

Zweitens muss die Linke aber auch die Krise ihrer Theorie und die ihrer Spaltung überwinden: Denn während die einen wirken, als hätten sie die Hoffnung auf grundlegende Veränderung insgesamt aufgegeben, verharren die anderen in abstrakten Konzepten, die längst keine Wirkkraft mehr entfalten.

Dabei verlangen die derzeit erlebten Krisen – die der Demokratie in einer globalisierten Welt, die der sich verändernden Arbeitswelt, die des sozialen Friedens in einer zunehmend rechtsoffenen Gesellschaft und die des sich erwärmenden Planeten – nach linken Antworten. Sie verlangen nach bedingungsloser Grundsicherung, nach europäischer Demokratie, nach einem Green New Deal. Um all das umzusetzen, muss die Linke raus aus ihrer Blase, sie muss Bündnisse schließen und sie muss sich schmutzig machen. Dann wird ihr auch zugehört werden, womit schlussendlich die Kraft der völkischen Demagogen schwindet.

Links lesen, Rechts bekämpfen

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Timm Kühn
Redakteur
Schreibt seit 2020 für die taz über soziale Bewegungen, Arbeitskämpfe, Kapitalismus und mehr.
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56 Kommentare

 / 
  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    "Zu einem Zeitpunkt beschützten nur drei Polizist*innen das Parlament vor der anstürmenden Horde der Faschisten."

    Dazu ist zu sagen: Die zuerst anstürmende Horde waren alles mögliche, aber keine gewaltbereiten Faschisten. Sonst hätten die 3 Polizisten nicht gereicht. Das Gros der Polizei war vermutlich bei den "gefährlicheren" Gruppierungen der Demo beschäftigt. Als diese nämlich eintrafen, waren auch ausreichend Polizisten vor Ort.

    Was den Kessel um die Gegendemonstranten angeht:



    Das Konzept Konfliktparteien zu trennen ist doch nicht neu. Da absehbar war, dass die Demo beendet werden muss und sich dann eine größere Zahl von Personen des einen Spektrums in der Stadt verteilt, hat die Polizei die Personen des zweiten Spektrums offensichtlich isoliert um Begegnungen zwischen großen Gruppen beider Lager zu minimieren.

    Nichtsdesto trotz, die Bilder/Videos haben einen gewissen Symbolcharakter der Abscheu ggü. jeder einzelnen Flagge schürt, die bei dem Sturm getragen wurde. Und das waren einige. Eigentor, mMn.

  • "Es ist deshalb Zeit für die Linke, endlich wieder eine eigene Erzählung auf die Beine zu stellen. Wir können dabei von der Hoffnung ausgehen, dass die Perspektive einer besseren und gerechteren Welt immer attraktiver sein wird"

    Das hat zuletzt Martin Schulz versucht, aber die "Erzählung" wurde nicht richtig verstanden.

  • Welche Linke, welche Linken?



    - Polizei machtlos? das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen: Rückzug der Polizei schon vergessen?



    - G20 Campen verhindert. ungleiche Gewalt - durchgängig bis zum Gedenken gegen die Morde in Hanau.



    - Libertarians sind rechts und umverteilungsfeindlich, wollen nur „ihren Grund-stehen“ und plappern von Freiheit - solange es nicht den Komplex der Gefängnis-Industrie meint. Strafgefangenen-Arbeit gibt es weltweit von China, Weißrussland bis USA.



    - die wenigen Linken haben vor Ort in Berlin gegen die Faschisten und Covidioten dagegen gehalten.



    - Meine Gegenfrage an die taz lautet:



    wo waren denn die Grünen und die Liberalen gegen die Rechtsradikalen?



    - wie organisiert sich #Unteilbar zu einem bundesweit aktionsfähigen Netzwerk?



    - Diether Dehm: aber die taz-Journalisten veröffentlichen ja selbst auch im Westend-Verlag, der seit 2014 lauter Verschwörungsbücher rausbringt. Dazu gehören Rubikon.news und telepolis als Portale für Verdrehungskampagnen.



    - Was tut der Robert Habeck gegen den Boris Palmer? Gehört Palmer auch zu den Libertarians?



    - Sozialisten fordern eine weltweite gesetzliche Einheitskrankenkasse. Die hätte gute Finanzierungschancen wegen des Gesetzes der Großen Zahl. Im Gegenteil: Privatversichungen sind unbezahlbar teurer Egoismus. Jetzt alles umverteilen!

  • Wie praktisch, dass man „die Linke“ hierzulande mal wieder für alles und jeden Quark verantwortlich machen darf. „Die Linke“ soll demnach irgendwie in einer von Reiterstaffeln gesicherten „Wohlfühlzone“ verharren wollen? Tim Kuehn bedient hier doch auch nur „leider alle Stereotypen“, die aus dem gesamten rechten Lager in Politik und Gesellschaft seit Jahr und Tag gern propagiert werden. Muss man dem denn heute immer noch auf den Leim gehen?



    Wie derartige Verdrehungen so ablaufen, konnte man doch erst vorgestern in Hessen sehr schön nachverfolgen. Nach einer längeren Serie von Brandanschlägen in Frankfurt und zwei weiteren Städten wurde dort nach „aufwändigen verdeckten Ermittlungen“ Joachim S. in Untersuchungshaft genommen. Diese Anschlagserie wurde im Verfassungsschutzbericht von 2018 unter „Linksextremismus“ geführt. Joachim S. ist einschlägig vorbestraft wegen Brandstiftung und wurde von der Polizei gleich an mehreren Tatorten aufgegriffen, aber immer wieder laufen gelassen. Joachim S. steht der AfD nahe und hat mehrfach Spenden an die AfD geleistet. »Dass diese Taten einen offensichtlich rechten Hintergrund hatten, wurde im Landtag und im VS-Bericht schlicht verschwiegen.« (Hermann Schaus, Hessischer Landtag, Innenausschuss)

    btw.: Die Brandanschläge galten bevorzugt Frauenhäusern, linken Treffpunkten, Kulturzentren und diversen alternativen Wohnprojekten.

  • Davon abgesehen, daß "Assimilation" nicht nur unmenschlich klingt (eher nach Borg), fragen Sie sich also, wer die ganzen Eulen nach Athen gebracht hat?

    Willkommen im "Hotspot". Wenn sie mal nen Blick auf die Nazikolonien in Nord- und Südamerika werfen, stellen Sie schnell fest, daß Deutschland - auch den Rassismus betreffend - eher Exportkapazitäten aufweist. Schon bemerkt, daß die Aversion gegen MigrantInnen ausgerechnet dort am höchsten ist, wo es kaum welche gibt? Also sparen Sie uns bitte diese rechte Leier vom "importierten Rassismus".

  • "Mal ganz ehrlich: wer ist nicht für Liebe, Frieden, Freiheit, Wahrheit? "

    für solche universale menschliche werte zu sein bedeutet vor allem nicht unbedingt sie politisieren zu wollen.



    "Liebe" ist nicht politisierbar."Wahrheit" ist es nur sehr begrenzt.



    "Freiheit" ist als oberster wert für eine humane gesellschaft nicht geeignet,muss grenzen haben ,darf nicht schrankenlos sein oder werden-weil sie sonst zwangsläufig missbraucht wird und bedeutet nicht nur aber auch in einem politischen kontext verantwortung und insbesondere auch soziale und ökologische verantwortung.



    "Frieden" ist das ziel jeder vernünftigen und die vorraussetzung jeder demokratischen sozialen und ökologischen politik-aber damit ist in der politik nicht dasselbe sondern viel weniger gemeint wie in der religion oder in der philosophie.

    die möglichkeiten der politik sind begrenzt . sie kann das himmelreich auf erden nicht zu einer wirklichkeit machen und sollte es also auch nicht versprechen

    die schlechtigkeit und sündhaftigkeit der menschen nicht zu bedenken-ist in der politik immer ein fehler

  • "Die Linke muss raus aus ihrer Wohlfühlzone, in der sie sich als die einzige Stimme der Vernunft wähnt – und mit allen anderen gar nicht erst redet."



    Die Linke redet nicht mit allen anderen?



    Ist es nicht eher so, dass all die anderen mit den Linken gar nicht oder nur unter Vorbehalt reden. Gilt nicht immer noch unabgesprochen das Motto "Spielt nicht mit den Schmudelkindern?" Gerade treten die Grünen wieder den Beweis dafür an, sich lieber den Schwarzen anzudienen, als mit der Linken gemeinsam zu agieren.



    Und noch eins. Nicht jeder, der Nazis niederbrüllt, ist links. Manche davon sind genau so d...f, respektive unbedarft wie die Rechtsradikalen, nur auf andere Art.

  • Bannmeile

    Der Reichstag fällt unter das BefBezG. Mit ihm „hat der Gesetzgeber von der Ermächtigung nach Art. 8 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) Gebrauch gemacht, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz zu beschränken...



    Durch das grundsätzliche Verbot von Versammlungen in befriedeten Bezirken nach § 2 BefBezG sollen die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestag, des Bundesrat und des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet werden. Sie sollen ihrer Tätigkeit frei von Beeinträchtigungen, die möglicherweise von Versammlungen ausgehen, nachgehen können...

    Über die Anträge auf Zulassung einer Versammlung entscheidet das Bundesministerium des Inneren im Einvernehmen mit dem Präsidenten des jeweiligen betroffenen Verfassungsorgans. Diese Anträge auf Zulassung sollen nach § 3 Abs. 2 BefBezG spätestens sieben Tage vor Beginn der Versammlung beim Bundesministerium des Inneren eingereicht werden. Spontanversammlungen in den befriedeten Bezirken sind nicht erlaubt, da sie keine Entscheidung über die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Organe ermöglichen.“ (BefBezG)

    Zu Zeiten, als es noch eine Vierte Gewalt gab, hätte diese unverzüglich die Zweite mit folgenden Fragen bedräng: „Wer hat die Zusammenrottung wann vor dem Reichstag bei wem angemeldet? Warum wurde sie vom BMI und Bundestagspräsidenten zugelassen? Welche Auflagen wurden erteilt? Mit konkret welcher Anschuldigung wird gegen wen der Akteure von wem ermittelt?“

    Der Angriff auf den Bundestag entlarvt nicht nur die Linke.

  • "Sie verlangen nach bedingungsloser Grundsicherung, nach europäischer Demokratie, nach einem Green New Deal."



    Die Projekte gibt es alle schon bei den LINKEN. Allerdings weigern sich die größeren Medien im Land darüber zu berichten. Nicht nur die Polizei auch ein großer Teil unserer Medienlanschaft "fremdelt" mit den LINKEN und berichtet lieber zu den Rechten. Die TAZ nicht ganz so stark wie andere Medien.

  • Die Schwäche des Kommentars sehe ich darin, dass Kühn allgemeine Begriffe verwendet (Gesellschaft, Linke, Neoliberalismus) ohne klar machen zu können, wer oder was damit eigentlich gemeint ist. Der Text ist damit eher eine Sonntags-Gardinenpredit bei dem sich niemand angesprochen fühlen muss. Zumal Kühn auch darauf verzichtet zu sagen, was denn nun eigentlich passieren müsste.

  • Auch wenn das hier nicht gerne gesehen wird. Ein großes Problem der Linken ist, dass sie Migration schöngeredet hat. Als Merkel sagte, wir schaffen das, haben wohl die meisten nur genickt. Dabei hatten wir es, nach linken Maßstäben, schon vorher nicht geschafft. Wer solch einen Tunnelblick an den Tag legt, wird es wohl nur zu einem Sozialismus mit Mauer bringen oder er wacht im Faschismus auf.



    Was wir schnellstens brauchen ist eine nachhaltigere und gerechtere Welt. Und eine Debattenkultur ohne Schaum vor dem Mund.



    Sonst nimmt das Drama seinen Lauf.

    • 8G
      83492 (Profil gelöscht)
      @APO Pluto:

      "Was ist den ihrer Ansicht nach beim Thema Migration schief gelaufen? "

      Es gibt z.B. viel weniger deutsch-türkische Ehen als zu erwarten wäre, wenn die Herkunft bei der Partnerwahl keine Rolle spielen würde. Dabei ist die Kombination Frau mit türkischen Wurzel + Biodeutscher nochmal deutlich weniger vorhanden.

      Das ist für mich ein Indikator, dass es mit der Integration nicht geklappt hat. Und ich denke nicht, dass die Ursache alleine auf deutscher Seite liegt.

    • @APO Pluto:

      Was ist den ihrer Ansicht nach beim Thema Migration schief gelaufen? Das sich herausstellt das unsere Gesellschaft rassistischer ist als gedacht? Mit Migranten habe ich keinerlei Probleme.

      • @Andreas J:

        Ich fasse mal kurz zusammen:



        Plumpe rassistische Vorlage und ebenso plumper Versuch den rassitischen Ball weiterzuspielen.

        • @Wagenbär:

          Bitte @ ANDREAS J um Entschuldigung.



          Ist natürlich Antwort an @ TANAGRA

  • Der zweite Verständnisartikel, nachdem die Faschos in der breiten öffentlich aufgetreten sind. Nicht die Polizei, die Verwaltung und die Bevölkerung ist zu hinterfragen. Nein, „die Linke“ muss sich fragen stellen.



    Eure Autoren sind auch nicht ganz knusper.

    • @Hampelstielz:

      Wer sagt denn, dass "Nicht die Polizei, die Verwaltung und die Bevölkerung ist zu hinterfragen ist"? Das kann ich dem Text an keiner Stelle entnehmen.

      Und warum sollte sich "die Linke" nicht auch selbst hinterfragen, wenn sie als selbstveroretes größtes antifaschistisches Korrektiv denn nicht im Stande ist, auch nur ansatzweise so viel unzufriedene, verunsicherte oder von der Gesellschaft enttäuschte Menschen abzuholen, von ihrer Sache zu überzeugen und auf die Straße zu bringen, wie es momentan Rechte schaffen?

      Es sind genau diese Beißreflexe, diese einverleibte Unfähigkeit zu Selbstkritik, dieses Leben in der Blase und die allgegenwärtige Diskursverweigerung, die viele Menschen an der Glaubwürdigkeit für eine starke linke Gesellschaftsalternative zweifeln lassen.

      Genau das kritisiert der Autor hier. Und wie man hier bestens lesen kann, völlig zurecht.

  • "Um all das umzusetzen, muss die Linke raus aus ihrer Blase, sie muss Bündnisse schließen und sie muss sich schmutzig machen."

    Das hat die "Linke" doch schon immer versucht. Ganz ähnlich wie die Rechten. Aus dem Volk, "das aber leider von geheimen Mächten unterdrückt wird" wurde dort das Volk, das vom geheimen Kapital unterdrückt wird.

    Die "Linke" hat sich schon seit Jahren populistisch dreckig gemacht und mit ihrer Elitenkritik nicht nur (braune) Bündnisse geschlossen sondern massiv auch das Volk vs. Mächte Gedöns gefördert.

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Rudolf Fissner:

      Ihre These muss ich Verneinen. Es sei denn sie fassen den Begriff der "Linken" deutlich weiter, bis er so unsauber ist das er keine Relevanz mehr hat.

      Die Kompromissfähigkeit "der Linken" sieht man bei Themen wie z.B. #MeeToo, Gender-Themen oder Political Correctness, Paritätsgesetzen, (d.h. Quoten für Geschlechter) oder Zuwanderung.

      Meiner Wahrnehmung nach haben da eher Idealisten das Zepter in der Hand. (50% Quoten wenn Parteien nicht mal 25% haben, grenzenlose Zuwanderung, Verdacht/Behauptungen ersetzen Beweise). Dieser Trend hält schon ein paar Jahre an und hat meiner Wahrnehmung nach zu einer Verschiebung der Reaktionen zu den Extremen geführt (Entweder Dafür oder Dagegen).

    • @Rudolf Fissner:

      Sie legen der Linken rechte Kampfbegriffe in den Mund und behaupten dann, die seien ja genauso schlimm. "das aber leider von geheimen Mächten unterdrückt wird" Wen zitieren Sie denn hier?



      Das "geheime Kapital" ist noch so ein Kampfbegriffe den Sie hier einstreuen. Erstmal geht es hier nicht um irgendetwas Geheimes, keine Verschwörungstheorie, so wie Sie es hier darstellen. Die Zahlen sind einsehbar, der Zusammenhang zwischen Wirtschafts- und politischer Macht dokumentiert. Die Konsequenzen für Leute, die zu den unteren 50%



      der Einkommensgruppe gehören, sind dramatisch. Die Linke legt hier immer wieder den Finger in die Wunde.

  • Es ist verwirrend: wenn man dem Tagesspiegel glauben darf, hat zum "Sturm" auf den Reichstag eine Heilpraktikern mit Rastalocken aufgerufen. Die Frau ist optisch der Inbegriff von links. Im Wortlaut soll sie gesagt haben: "... Wir (...) gehen da hoch und setzen uns friedlich auf Treppe und zeigen Präsident Trump, dass wir den Weltfrieden wollen und dass wir die Schnauze gestrichen voll haben." Das klingt jetzt auch nicht grad nach aggressivem Neonazi-Sprech.

    • @Katrina:

      Eins vorneweg, ich habe selber Dreadlocks (so heißen die nämlich, Rastazöpfe sind geflochten)...explizit „links“ ist an dieser Frisur aber gar nichts, wird ja auch gerne mal als „kulturelle Aneignung“ kritisiert wenn Weiße Dreadlocks tragen...mensch könnte jetzt kontern mit „das sind altgermanische Häkellöckchen“ (ja, gibt archäologische Nachweise diesbezüglich) und schwupps, schon ist die Anschlußstelle für Rechtsextreme gefunden...meine Dreaderin hier vor Ort hat einen Kunden auch schon mal abgewiesen, der war nämlich bekennender AfDler...

    • @Katrina:

      "Es ist verwirrend (...) eine Heilpraktikern mit Rastalocken (...).Die Frau ist optisch der Inbegriff von links." (Katrina)



      Diese Frau hat sich bereits im Vorfeld mehrmals eindeutig rechtsaußen positioniert:



      www.tagesspiegel.d...rief/26142914.html



      Im Übrigen: Was sollte an HeilpraktikerInnen oder Würstelfrisuren explizit "Links" sein?



      Dieser Song beschreibt es treffend:



      www.youtube.com/watch?v=-W-Wfzvtu3E



      Stammt aus dem Jahre 1968 und mit ein paar kleinen (dem Zeitcolorit geschuldeten) Änderungen ist er top aktuell.

      • @LittleRedRooster:

        Ich würde den Kommentar von Timm Kuehn besser verstehen, wenn er erklärt hätte, was er unter Linke versteht.



        Vermutlich meint er die Rechthaber, die immer auf der Seite der Guten sind. Also die Wohlfühlblase, die schnell skandalisiert und aus 300-400 idiotischen Reichstags"stürmern" empört einen Angriff auf die Demokratie formulieren und sich keine Sekunde fragen, was wirklich los ist in unserer Gesellschaft.



        Aber ist das denn links?

        • @Rolf B.:

          nicht für @ LITTLEREDROOSTER, sondern allgemein.

      • @LittleRedRooster:

        Wunderbar Ihr Verweis auf FJD. Mit etwas Phantasie ist das Lied auch anwendbar auf die Runderneuerten unserer Zeit.

    • @Katrina:

      Das klingt nach dem, was man auf der ganzen Demo beobachten konnte: Friede-Liebe-Freiheit-Kitsch überzuckerte wie klebriger rosa Zuckerguss einen großen, vollkommen unwiedersprochenen Auftritt von Rechtsextremen.



      Mal ganz ehrlich: wer ist nicht für Liebe, Frieden, Freiheit, Wahrheit? Eben. Aber diese Werte verkommen zu billigen Floskeln, wenn sie - völlig ohne konkreten Inhalt - neben Rechtsradikalen spazieren getragen werden. (Zur Erinnerung: Rechtsradikale sind die, die Flüchtlingsheime brennen sehen wollen, die "wohltemperierte Grausamkeiten" gegen Migranten anwenden wollen, die im Zusammenhang mit schiffbrüchigen Flüchtlingen "Absaufen! Absaufen!" skandieren, die den Holocaust zum Vogelschiss erklären. Liebe, Friede, Freiheit - jawoll!)



      Wer den Begriff "Weltfrieden" verwendet, und gleichzeitig Rechtsextremisten zu irgend einer vermeintlich heroischen Tat auffordert, versucht ein positives Framing für Rechtsradikalismus zu schaffen. Ob absichtlich oder aus schierer Dummheit, ist mir persönlich völlig egal: es ist widerlich!

      • @Kolyma:

        Volle Zustimmung. Ich will außerdem daran erinnern dass der Umgang mit Pegida und dem Kuschelkurs mit "besorgten Bürgern" voll nach hinten los ging. Auch die Linke war da nicht gegen gefeit wenn ich an die Wagenknecht Entgleisungen denke. Noch schlimmer, erfüllten Regierungsparteien Forderungen des Mobs. Man schrie zwar nicht offiziell "absaufen" aber schaffte im EU Verbund nach 2015 Schrittweise die staatliche Seenotrettung komplett ab und kriminalisierte die private Rettung tatsächlich besorgter EU-Bürger:innen die mit den Geflüchteten auch die Werte der EU und die internationalen Menschenrechte absaufen sahen. Natürlich gilt das absaufen lassen nur für Bootsflüchtlinge kenternde Kreuzfahrtschiffe werden weiterhin gerettet. Seehofer durfte sich nebenbei dann noch austoben und im Monatsrythmus das Asylrecht verschärfen und den Familiennachzug für syrische Kriegsflüchtlinge abschaffen. Da fühlten sich die organisierten Rechten samt ihrer besorgten Bürger als "Mehrheitsvertreter" und ließen fortan ihrem Hass auf Geflüchtete und allen andere Menschen die irgendwie nicht wie sie aussehen oder reden ungeniert freien Lauf und wen wunderts kam auch der zuvor tabuisierte Antisemitismus verbal und tätlich voll zum Vorschein. Genutzt hat der Menschenverachtende Kurs der "Mitte" Parteien allein der AfD siehe Wahlergebnisse seit 2015.

        • @Nina Janovich:

          Sehr richtig!

  • Endlich mal ein guter Artikel.

  • Erstaunlich, für was der Liberalismus in bestimmten linken Denkschamata alles als Ursache herhalten muss. Jetzt soll er schon für eine wie auch immer geartete Sinnkrise unserer Gesellschaft und damit mittelbar auch für die hirnbefreiten "Corona-Proteste" verantwortlich sein. Die Geschichte hat doch gezeigt, dass es das Denken in kollektiven Kategorien - also genau das Gegenteil des Liberalismus - ist, was verbrecherische Regimes aller Colouer hervorgebracht hat.

    • @Lockenkopf:

      Moment, der Artikel spricht von Neoliberalismus, nicht von Liberalismus. Der Erfolg libertären Denkens hat zu der genannten Sinnkrise geführt; liberal ist etwas anderes.

      Libertäres Denken sieht den Menschen ausschließlich als Individuum. Wenn dieses aufgrund struktureller Ungerechtigkeiten keinen Erfolg im Leben hat, ist es selber schuld.

      Liberalismus betrachtet den Menschen sowohl als Individuum als auch als Teil eines Kollektivs.

      Die verbrecherischen Regimes basieren übrigens auf einem Menschenbild, in dem Hierarchien natürlich und nicht alle Menschen gleich viel wert sind. Nicht unbedingt auf einem kollektiven.

  • "...sie muss Bündnisse schließen und sie muss sich schmutzig machen"

    nein muss sie nicht...jedes bündnis mit parteien die den neoliberalismus,den hartzismus und den militarismus nicht überwinden wollen würde die linke nicht stärken sondern schwächen.

    und nur eine starke linke kann den rechtspopulismus bekämpfen

    unsere potentiellen koalitionspartner*innen müssen das wissen und die bedingungen erfüllen die die linke für eine rot "rot-grüne" koalition auf bundesebene gestellt hat

    solange sie dazu nicht bereit sind-sollte die linke für eine solche koalition nicht zur verfügung stehen.

    • @satgurupseudologos:

      Will "die Linke" die Verhältnisse ändern? Oder will sie nur recht haben und sauber bleiben? Welcher Weg ist zielversprechend?

      • 0G
        03096 (Profil gelöscht)
        @Amandas:

        So wie die Grünen einmal die Verhältnisse ändern wollten, was dann mit der Agenda 2010 oder dem u.a. mit " nie wieder Auschwitz" begründeten Jugokrieg dann auch gut gelungen ist?!Und danach?: entwickelt sich der größte Grüne aller Zeiten so:www.wiwo.de/untern...e-5/5245342-5.html

  • ist nicht die bloße Einteilung in ein simples links und rechts schon nicht mehr zeitgemäß?



    Die großen Themen wie Corona oder Klima gehen jedenfalls quer zu dieser Einteilung, wie auch noch etliche andere.

    • @haribo:

      Da stimme ich voll zu.



      Die beiden Kategorien "links" und "rechts" vermischen sich zunehmend.



      Es werden sich neue Einteilungen, neue Positionierungen daraus entwickeln. Hier müssen wir unseren Verstand, unser Herz und unsere Sinne offenhalten, um uns weiterhin für die Menschenwürde, Gerechtigkeit, Wahrheit und Frieden engagieren zu können!

      • @Wüstenrose:

        Da haben sie ein Mantra der neuen Rechten Querfront hübsch vorgetragen.



        Richtiger wird es dadurch nicht.

  • "Zuvor hatte man es als nötig erachtet, tausende Antifaschist*innen eine Stunde in einem Kessel gefangen zu halten, augenscheinlich, um sie vom Protestieren gegen die Nazisymbole abzuhalten, die auf der Hauptdemo zuhauf geschwenkt wurden."

    Wo soll denn das gewesen sein, ich kann nirgendwo etwas darüber finden.

    • @Jim Hawkins:

      Es gab auf der Gegenkundgebung am Bebelplatz eine Durchsage von der Bühne, dass Gegendemonstranten bei der Friedrichstrasse eingekesselt seien. Daraufhin wollte ein großer Teil der Leute auf dem Bebelplatz dorthin, um sie zu unterstützen. Das wollte die Polizei zunächst verhindern, später sind sie doch dorthin gegangen. Mehr weiss ich darüber nicht, weil ich am Bebelplatz geblieben bin.

  • Marx: "Hegel bemerkt irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce."



    Und Marx hat vergessen hinzuzufügen: Das eine Mal als Farce und das andere Mal als schlechte Parodie einer Farce. Zum Beispiel: Marsch auf die Feldherrnhalle 1923 und Sturm auf den Reichstag 2020.

  • "Sturm" "Horde von Faschisten" "offener Angriff" ganz schlechte Wortwahl. Fassungslosigkeit auch. "Helden der Demokratie". Starke Worte in der Taz. Ojeh...

  • Die Realitätsverweigerer

    Sie leugnen Corona so lange,



    bis sie es selber haben!

    Dann ist das Gejammere groß...

  • Danke!

  • und trotzdem.

    "Sturm" "Horde von Faschisten" "offener Angriff"

    Ist die Wortwahl, trotz Durchbruchs der Absperrung, angemessen? Welche Steigerung soll bei einem wirklichen Angriff verwendet werden? Die Bilder, inkl. des Artikelbildes, entsprechend nicht der Wortwahl.

    Das es illegal war, das es geräumt werden musste und das sich die anderen Teilnehmer der Demo fragen sollten, wen sie da begleiten, steht nicht zu Debatte.

    • @fly:

      Klar

      Das war eine



      "Horde von Faschisten".

      Die Dinge sollte klar beim Namen genannt werden.

    • 9G
      90857 (Profil gelöscht)
      @fly:

      Die Sprache verroht, auch hier bei der taz; und beileibe nicht nur via mancher Kommentare.

      Zunehmend ein Grund für mich, seriöse alternative Medien zu konsumieren. Deren Meinung kann, aber muß ich nicht teilen, darf sie jedoch ein Stück weit reflektieren.

      Und eine Sprache, welche die mir verbliebene Restintelligenz nicht beleidigt, sich nicht subtil bis offen in einer verbrämten Vulgärabrobatik ergeht,

      eine derartige Sprache erwarte ich von einem Qualitätsmedium.

      • @90857 (Profil gelöscht):

        Die “alternativen Medien“ mit gehobener und höflicher Wortwahl musst du mir mal zeigen. Warum eigentlich so schleierhaft? Sag doch einfach, was du so liest ;)

      • @90857 (Profil gelöscht):

        Immerhin kritisiert Frau Schwarz diese Wortwahl in der taz in der taz. Was wiederum die journalistische Bandbreite der Zeitung abbildet.

        Mittelmäßiges neben Perlen.

        taz.de/Berichterst...ona-Demo/!5706576/