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Massaker an Zivilisten in DarfurEuropa trägt eine Mitschuld an den Kriegsverbrechen

Mirco Keilberth

Kommentar von

Mirco Keilberth

Die von Abu Dhabi unterstützten RSF-Milizen schlachten nicht-arabische Menschen im sudanesischen Darfur ab. Europa schweigt währenddessen dazu.

Der als Abu Lulu bekannte RSF-Kämpfer (in Handschellen in der Mitte zu sehen) taucht in mehreren Hinrichtungsvideos auf Foto: Rapid Support Forces (RSF)/afp

N ach über zwei Jahren Krieg und zwölf Millionen Vertriebenen schien im Sudan keine Steigerung an Brutalität gegen Zivilisten mehr möglich. Doch die Aufnahmen der Massaker aus El Fasher an fliehenden Familien lassen auch hartgesottenste Beobachter erschaudern.

Zu sehen sind RSF-Kommandeure wie Abu Lulu, die ihre Opfer zunächst rassistisch beleidigen und dann kaltblütig erschießen. Stolz filmten die Milizionäre ihre Morde an 416 Patienten, Ärzten und Besuchern im Krankenhaus der Provinzhauptstadt Nord-Darfurs und teilten sie auf Tiktok.

Weil der Internationale Strafgerichtshof nun wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermittelt, wurde Abu Lulu auf Weisung von PR-Beratern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten vor laufenden Kameras festgenommen. Nur um Stunden später wieder auf freiem Fuß zum Sturm der nächsten Stadt aufzurufen.

Während in der arabischen Welt die koloniale Afrika-Politik der Herrscher aus Abu Dhabi, dem wichtigsten Partner der RSF, für Empörung sorgt, herrscht in Europa Schweigen. Denn Abu Dhabi ist strategischer Partner des Westens und stellt sich als Bollwerk gegen Islamisten dar. Nun haben sich Hemedtis Kämpfer als Kopie des Islamischen Staates herausgestellt.

Für Abu Dhabi ist der Konflikt ein gutes Geschäft

Über 280 Transportmaschinen voller Waffen sind laut Recherchen von Menschenrechtsorganisationen in den letzten Monaten aus den Emiraten nach Darfur, das benachbarte Libyen und den Tschad geflogen. Mit Gold aus den Minen von Darfur kehrten sie zurück. Für Abu Dhabi ist der Konflikt ein gutes Geschäft. Das Emirat erhält auch Waffen aus Deutschland.

Europa schaut zu, wie die Gier nach sudanesischen Bodenschätzen die Entstaatlichung einer Region von der Größe Südeuropas beschleunigt. In Berlin und Brüssel scheint man ernsthaft zu glauben, dass man mit der Stärkung nordafrikanischer Küstenwachen die Migration und Flucht stoppen kann, die man etwas weiter südlich indirekt selbst mitverursacht. Über zehn Millionen Sudanesen sind auf der Flucht, über eine Million leben an der libyschen Mittelmeerküste. Sie werden weiter nach Norden ziehen.

Die Gier nach Bodenschätzen beschleunigt die Entstaatlichung

Die Vereinigten Arabischen Emirate dürfen kein strategischer Partner Europas sein, solange der Mord an Zehntausenden Menschen der Preis für das Blutgold aus dem Sudan ist, das von Abu Dhabi in großem Stil in die Schweiz geliefert wird. Bekannte Influencer in Abu Dhabi beweisen mit Aussagen wie „100 Männer aus Darfur sind so viel Wert wie ein Mann aus den Emiraten“ was noch hinter den Massakern steckt: Rassismus.

Sie rechtfertigen die ethnischen Säuberungen nicht-arabischer Bevölkerungsgruppen wie den Masalit, Fur und Zaghawa, die Libyens Feldmarschall Haftar, den Herrschern am Golf und ihren strategischen Partnern in der EU und Israel den Zugang zu Bodenschätzen sichern soll. Im Sudan werfen westliche Länder, die stets die Einhaltung der internationalen Rechtsordnung einfordern, genau diese über Bord.

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Mirco Keilberth
Auslandskorrespondent Tunis
Mirco Keilberth berichtet seit 2011 von den Umstürzen und den folgenden Übergangsprozessen in Nordafrika. Bis 2014 bereiste er von Tripolis aus Libyen. Zur Zeit lebt er in Tunis. Für den Arte Film "Flucht nach Europa" wurde er zusammen mit Kollegen für den Grimme Preis nominiert. Neben seiner journalistischen Arbeit organisiert der Kulturwissenschaftler aus Hamburg Fotoausstellungen zu dem Thema Migration. Im Rahmen von Konzerten und Diskussionsveranstaltungen vernetzt seine Initiative "Breaking the Ice" Künstler aus der Region, zuletzt in Kooperation mit der Boell-Stiftung im Rahmen des Black Box Libya Projektes.
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25 Kommentare

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  • Auf die Absurdität der im Artikel konstruierten Kausalitäten haben ja schon andere Kommentatoren hingewiesen. Klar, wenn man Afrikanern Waffen in die Hand drückt, noch dazu solche aus deutscher Produktion, dann haben die natürlich nichts Besseres zu tun, als damit Massaker anzurichten. Denn "wir" müssen aufpassen, dass "die" keinen Unfug anstellen. Wobei "die" hier nicht nur die Sudanesen, sondern auch die Araber einschließt. Und kollektivschuldig sind selbstredend "wir" alle. Dabei merkt Keilberth offenbar gar nicht einmal, dass er faktisch die paternalistische Argumentation der ehemaligen Kolonialherren übernimmt. Auch die haben ab dem späten 19. Jh. ihre Herrschaft ja regelmäßig mit Ordnungsaufgaben begründet.

  • Europa kann nicht viel machen, wir brauchen Öl und Gas und Russland ist in der Hinsicht das viel größere Problem für Europa. Die Waffen die die UAE an die RSF liefert sind fast alles Chinesische: AH4 Artillerie, GB50A Bomben, Dronen etc. Westliche Waffen spielen hier kaum eine Rolle. Aus Deutschland kommen wenige Pistolen und Gewehre die werden aber nicht an die RSF geliefert.

    Es geht der UAE auch nicht um das Gold, stattdessen erlaubt sie der RSF Gold in den UAE zu verkaufen, davon profitiert die UAE auch aber es ist dann doch komplizierter. Die RSF haben die Bodentruppen gestellt für die UAE im Jemenkrieg, dort hat die UAE sich mit der Hirak Bewegung den südlichen Seperatisten zusammengetan. Gewinnen die RSF den Bürgerkrieg dann kontrolliert die UAE das Bab al-Mandab das Tor der Tränen den Eingang zum Roten Meer.

    Außerdem unterstützt die RSF Haftar in Libyen. Dadurch schafft sich die UAE einen Korridor des Einflusses der von Yemen bis nach Libyen reicht. Sie kann den globalen Handel damit beeinflussen und hat dadurch mehr strategische Tiefe gegenüber dem Iran und Saudi-Arabien. Davon wird die UAE nicht lassen. Will man das Sterben beenden muss man die Gegenseite bewaffnen.

  • Bemerkenswert ist, dass erstmals auch der arabische Rassismus gegenüber Schwarzafrikanern erwähnt wird – ein Thema, das sonst kaum Platz findet, obwohl in den berüchtigten libyschen Folterlagern überwiegend Schwarzafrikaner sitzen. Trotzdem wird am Ende wieder eine europäische (deutsche?) Verantwortung konstruiert, obwohl kein deutsches Unternehmen im Sudan Bodenschätze fördert. Das bekannte Muster: Wenn Europa handelt, ist es Kolonialismus – wenn es nicht handelt, ist es Gleichgültigkeit.

  • Europa leckt sich immer noch die Wunden von Afghanistan und Mali, das letzte Mal als ein Einmarsch ernsthaft 'Frieden' brachte war auf dem Balkan...



    ...der lag im Gegensatz zum Sudan allerdings vor der Haustür. Und trotzdem band es Truppen auf Jahrzehnte...



    Zudem klopft Russland heftig an die Tür, Europa hat seine ganz eigene Bedrohungslage.



    Da sind keine Kapazitäten für den Sudan frei.



    Europa müsste, wenn es sich nicht lächerlich machen will, bereit sein auch militärisch im Sudan zu agieren. Ansonsten wird jede politische Äußerung völlig ignoriert.



    Die Bereitschaft das Europa Truppen entsendet ist aber nicht da - weder in der Politik, noch in der Bevölkerung.



    Wir kriegen es ja nicht mal hin eine eigene Mehrheit zur Verteidigung der eigenen Grenzen durch eine Wehrpflicht zu sichern. Und das Sonderpaket für die Bundeswehr wird erbittet kritisiert.



    Wer da eine europäische Führungsrolle im Sudan erwartet, der muss auch bereit sein weitere hunderte Milliarden in die Bundeswehr zu investieren und eine Wehrpflicht oder Berufsarmee aufzustellen



    Alles andere ist nur wohlfeiles Gebell.



    Empörung für Credits.



    Wer A sagt muss auch B sagen - wie sähe denn eine europäische Stellung im Sudan aus?

    • @Saskia Brehn:

      Jede militärische Intervention ist schon deshalb unmöglich, weil auf der RSF-Seite Wagner/Afrikakorps-Söldner mitmischen. Nicht nur, weil eine UN-Friedenstruppe sofort in ein russisches Veto laufen würde, sondern auch, weil durch westliche Truppen getötete Russen in der augenblicklichen Lage extrem heikel sind und sich daran niemand die Finger verbrennen will. Traurig, aber wahr.

  • Diese sog. Emirate einschl. Saudi Arabien sind doch keine richtigen Staaten, da lassen sich viele vom Blingbling und schönen Worten täuschen und wegen der Abhängigkeit von den Energielieferungen findet in Deutschland keiner die richtigen Worte. Das sind Clans mit einer rückwärtsgewandten Agenda, die auch über Millionen rechtloser ausländischer Arbeitskräfte herrschen.



    Die leben vom Öl, Gas und Betrug. Was will man mit denen bereden? Hintenrum machen die weiter, was Ungläubige und Leute außerhalb des Clans wollen interessiert die doch nicht.

  • Was möchten Sie beitragen? Empörung über die Waffenlieferungen der Mrerz-Klingbeil-Koalition. Die gleiche Empörung wie über die Waffenlieferungen der Scholz-Habeck-Lindner-Koalition an die Netanjahu-Regierung.

    Scholz und Habeck hatte ich deswegen angezeigt. Der Generalbundesanwalt hält das Handeln der Regierung für vertretbar. Bei Merz spare ich mir die Anzeige aus Frust. Die machen was sie wollen und dazu gehört die Unterstützung von Kriegsverbrechern. Und die Justiz schaut weg.

    • @A. Müllermilch:

      Haha, peinlich...

  • Und was soll "Europa" dort machen? Einmarschieren? Weil das in Mali und Afghanistan schon so gut geklappt hat?



    Und Appelle an irgendwelche Kriegstreiber nützen gar nichts.



    Wir haben in diesem Krieg nichts verloren - Afrika muss seine Probleme irgendwann alleine lösen.

    • @Sandra Becker:

      Ich gebe ihnen recht. Es sollte nicht „Europa“ heißen. „Deutschland“ wäre der richtige Begriff. Diejenigen die aus wirtschaftlichen Gründen achselzuckend vom Tod anderer Menschen profitieren, sollten zumindest beim Namen genannt werden.

      • @Aloisia:

        Sie haben China Indien und die USA noch vergessen. Deutschland hat da doch eher wenig zu melden.

    • @Sandra Becker:

      Ach was, die Bodenschätze wollen "Wir" aber schon? Ihr Kommentar passt gut zur "Stadtbild" Aussage eines "Herrn" Merz.

  • Danke für die Erklärung der Zusammenhänge! Mir war das nicht so bewusst, und es ist echt heftig. Wie kann Deutschland weiter Waffen in die Emirate liefern, wenn bekannt ist, dass diese postwendend an die RSF weitergesendet werden? Parlament, irgendwer zuhause?

    • @la suegra:

      Im Parlament müssen erst mal die Unsinnsanträge der AfD bis zum Siewissenschon durchgekaut und dann abgelehnt werden.

    • @la suegra:

      Wo haben sie im Artikel gelesen, dass Deutschland Waffen an die Vereinigten Arabischen Emirate liefert?

      Die VAE waschen in den Sudan und erhalten im Gegenzug Bodenschätze.

  • "Europa trägt eine Mitschuld an den Kriegsverbrechen"



    Wenn Sie den russischen Teil Europas meinen, dann gebe ich Ihnen recht!

    • @Demokratischer Segler:

      Seufz.

  • Was mir hier doch fehlt, ist die grundsäztliche Forderung an die arabischen Staaten, ethnisch motivierte Verbrechen arabischer Milizen zu verurteilen. Auch hier handelt es sich um ein genozidales Vorgehen, aber jetzt schweigen die arabischen Staaten. Umso mehr müsste an dieser Stelle die Stimme erhoben werden.

    Statt also zuallererst wieder mal eine Schuld Europa's zusammenzuargumentieren wäre es wichtig, dass wenigstens die TAZ versucht gleiche Massstäbe anzulegen.

    Vergesst den internationalen Gerichtshof. Europa hat keine militärische Macht, die ökonomische Macht schwindet dahin und die moralische Macht ist eine europäische Phantasie. Weil Europa machtlos ist, interessiert sich niemand (mehr) ausserhalb Europas für den Gerichtshof.

    • @Newjoerg:

      Nun unterstützen die meisten arabischen Staaten (genauso wie der Iran) die sudanesischen Armee und gerade Al Jazeera berichtet schon seit langem über die Verbrechen der RSF; die VAE stehen also in dieser Frage auch unter den arabischen Staaten eher allein. Ohnehin ist es billig, jedesmal mit dem Finger auf andere zu zeigen, wenn es um die Mitverantwortung Europas für Verbrechen wie im Sudan geht. Ja, andere sind nicht unschuldig - macht das das eigene Fehlverhalten in irgendeiner Weise besser?

    • @Newjoerg:

      Genau so ist es. Leuchtendes Beispiel des Desinteresses war das Warten der Annalena Bärbock in Peking auf dem Flughafen.

  • Wann immer irgendwas auf der Welt passiert, ist Europa (?) schuld.

    • @DiMa:

      Es scheint wohl so zu sein und fing mit den ersten seetüchtigen Schiffen an.

    • @DiMa:

      Diese Argumentation kann ich irgendwie auch nicht nachvollziehen. Das wird immer so ohne dialektische Erklärung in den Raum geworfen. Allerdings erzielt diese Konstant-Argumentation eher das Gegenteil. Leider.

  • Araber unterstützen Araber beim Völkermord gegen Afrikaner und schuld sind die Europäer. Ist klar. Als wenn die Einstellung vieler Araber gegen Afrikaner neu wäre. Betrachtet man die Geschichte der Sklaverei könnte man auf unerwartete neue Erkenntnisse stoßen.

    Wenn man Europa eine Mitschuld an den Kriegsverbrechen im Sudan geben möchte, über die ja nun endlich auch ausführlicher berichtet wird, seitdem der Gaza-Krieg vorerst vorbei zu sein scheint, dann, dass man zu lange den Fokus nur auf Gaza gerichtet hat.

    • @Katharina Reichenhall:

      Ihr erster Satz unterstreicht sehr schön die Sichtweise vieler West-Linker. Ohne jegliche dialektische Herangehensweise wird irgendwas in den Raum gestellt und dann soll man gefälligst selbst die Gegenargumente liefern. Diese Konstant-Aufregung verhindert einen effektiven Lösungsansatz, da vor lauter Aufregung alles durcheinander geworfen wird.