Letzte Generation blockiert Straßen: Legitim, aber politisch planlos

Die Kritik an den Klimaprotesten ist maßlos. Mit ihren Mitteln wird die Bewegung aber nicht die gesellschaftliche Mitte erreichen können.

Niedersachsen, Hannover: Aktivisten der Gruppierung ·Letzte Generation· blockieren auf der Hildesheimer Straße am Aegidientorplatz den Verkehr

Die Aktionsformen der Letzten Generation sind spektakulär, die Ideen nicht Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Die AktivistInnen der Letzten Generation blockieren mal wieder Straßen. Wütende Autofahrer, bekannte Bilder, gemischte Gefühle. Und zwei Fragen: Sind diese Aktionen legitim? Und sind sie sinnvoll?

Es gab in Deutschland schon viele härtere Aktio­nen. Gleise, über die Atomtransporte rollen sollten, wurden unbrauchbar gemacht, Strommasten gefällt. Es gab Schlachten um AKW-Bauplätze mit der Polizei. Im Vergleich dazu ist das Kleben harmlos. Es ist eine effektive Störung des Alltags, aber trotz wutentbrannter Autofahrer weit entfernt von der Dynamik, der Gewalt gegen Sachen innewohnt und die in Gewalt gegen Menschen umschlagen kann. Insofern ist ein Sich-auf-die-Straße-Kleben legitimer Protest, auch wenn Gerichte sie als Nötigung für justiziabel halten mögen.

Es ist daher absurd, wie von der Union gefordert, AktivistInnen so lange wie möglich präventiv einzusperren. Ein Monat Präventivhaft wegen zivilen Widerstands passt eher nach Russland als in einen Rechtsstaat. Das Gleiche gilt für Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Klima-RAF? Die Letzte Generation will nicht die Regierung stürzen, sondern dass die sich an ihre eigenen Versprechen hält. Das ist keine Subversion, eher angewandte Staatsbürgerkunde.

Daher wäre es in einem liberalen Rechtsstaat angemessen, nicht mit Präventivhaft herumzufuchteln, sondern gelassen zu deeskalieren. Die Konservativen sind hingegen beglückt, endlich wieder Härte zeigen zu dürfen, mit einem Chor empörter Autofahrer im Rücken.

Kleinteilige Forderungen

Also legitim – ja. Und sinnvoll? Die Aktionsformen der Letzten Generation sind spektakulär, die Ideen nicht. Tempo 100 und das 9-Euro Ticket sind richtige Ziele, aber kleinteilig, ja banal. Zudem fordern sie einen Gesellschaftsrat, ein zufällig ausgelostes Gremium, das diktieren soll, wie Deutschland bis 2030 klimaneutral wird. Darin glimmt die schlichte Idee, dass dieser BürgerInnenrat, anders als das Parlament, den unverstellten Volkswillen zum Ausdruck bringen wird. Der klimaneutrale Umbau ist eine hochkomplexe Aufgabe. Die soll bei Laien besser aufgehoben sein als im erprobten parlamentarischen System?

Es ist immer ein Fehler, Protestformen zu überschätzen, die aufsehenerregende Bilder produzieren. Die Anti-Atom-Bewegung war nicht erfolgreich, weil Militante sich mit Polizisten prügelten, sondern weil sie die Mitte der Gesellschaft erreichte. Die Letzte Generation spielt geschickt auf der Klaviatur der Aufmerksamkeitsökonomie, aber ob das hilft, die Mitte zu gewinnen, ist fraglich. Ihre Aktionen schaden mehr, als sie nutzen.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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