Leopard-Kampfpanzer für die Ukraine: Ruinierter Ruf
Die deutsche Entscheidungsträgheit in Bezug auf die Kampfpanzer kommt im Ausland nicht gut an. Berlin sollte zeitnah für Klarheit sorgen.
M an mag zu Leopard-Kampfpanzern für die Ukraine stehen, wie man will. Aber das Unvermögen, eine klare Haltung dazu auch nur zu artikulieren, hat die deutsche Bundesregierung an diesem Wochenende in ein außenpolitisches Debakel gestürzt, das seinesgleichen sucht.
„Scholz und Orbán gegen den Rest Europas“, so lautet der Tenor mancher Kommentare im europäischen Ausland nach dem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein am Freitag, an deren Ende kein Beschluss zur Lieferung von Kampfpanzern stand, weil Deutschland blockierte und Putin damit einen Propagandasieg schenkte. „Deutschland hält sich zurück, um nach dem Krieg wieder große Geschäfte mit Russland zu machen“, vermutet zynisch Bill Browder, Europas vorderster Streiter für schärfere Russland-Sanktionen.
Der profilierte Europa-Historiker Timothy Garton Ash nennt die deutsche Haltung „schwach, widersprüchlich, inkonsistent, historisch unsensibel, moralisch problematisch, verlogen und kontraproduktiv“ und erfindet auf Englisch das Verb „scholzen“ mit der Bedeutung: „gute Ziele kommunizieren und dann jeden erdenklichen Grund erfinden, um sie zu verzögern und/oder zu verhindern“.
Deutschland hat nämlich nicht nur die Lieferung eigener Leopard-Kampfpanzer im Unklaren gelassen mit dem fadenscheinigen Argument, man müsse erst die Bestände prüfen, obwohl das Prüfergebnis längst vorliegt. Man will auch nicht, dass andere europäische Länder Leopard-Kampfpanzer aus deutscher Produktion an die Ukraine weitergeben. Oder vielleicht doch? Von Klarheit fehlt jegliche Spur.
Nicht irgendein Konflikt
„Keine Alleingänge“, sagt Olaf Scholz zu Rüstungslieferungen an die Ukraine – aber in der Leopard-Frage unternimmt er doch den Alleingang und versteckt sich hinter den USA, um Polens europäischen Leopard-Vorstoß abzuwimmeln. Es ist derselbe Bundeskanzler, der in seiner europapolitischen Grundsatzrede in Prag im August 2022 mehr „europäische Souveränität“ verlangte.
Außerhalb Berlins besteht weithin Einigkeit darüber, dass der Krieg in der Ukraine nicht irgendein Konflikt ist, bei dem man aus der Zuschauerposition heraus überlegen kann, wie man das alles findet. Russland nimmt Europas Sicherheit insgesamt unter Beschuss. Wer sich in Berlin nicht mit allen Kräften für ihre Verteidigung engagiert, beschreitet einen deutschen Sonderweg.
Am Ende werden andere Länder Europas für ihre Sicherheit dann lieber ohne Deutschland sorgen. Ist das die Außenpolitik der Ampelkoalition? Es geht in diesen Tagen in Berlin um weit mehr als Leopard-Panzer. Auch um mehr als die Ukraine.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml