Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke: Durchaus eine geschickte Lösung
Laufzeitverlängerung nur, wenn es gar nicht anders geht: Habecks Stresstest-Schlussfolgerung stellt niemanden wirklich zufrieden. Trotzdem ist sie klug.
E s war keine angenehme Ausgangsposition für Robert Habeck: Auf der einen Seite lauerten die oppositionelle Union und der Koalitionspartner FDP darauf, dem grünen Wirtschaftsminister die Verantwortung für sämtliche Versorgungsengpässe im Winter geben zu können, wenn er eine Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke ablehnt. Auf der anderen Seite drohte ein massiver Konflikt mit Umweltverbänden und Teilen der eigenen Parteibasis, wenn er die AKWs länger als bis zum Jahresende am Netz lässt.
Und der verschärfte Stresstest, der klären sollte, ob eine Laufzeitverlängerung erforderlich ist, um Versorgungsprobleme im nächsten Winter zu verhindern, war dabei keine wirkliche Hilfe. Der hat zum einen gezeigt, dass in Süddeutschland der Strom im Winter kurzzeitig tatsächlich knapp werden kann, wenn viele ungünstige Annahmen – AKW-Ausfälle in Frankreich, Niedrigwasser, Gasmangel und stark steigender Stromverbrauch – zusammenkommen. Zum anderen wurde deutlich, dass ein Weiterbetrieb der beiden süddeutschen Reaktoren daran nur sehr wenig ändern würde – aber ein bisschen was eben schon.
Habeck hat sich in dieser Situation für einen Kompromiss entschieden: Er will abwarten, ob das Extremszenario aus dem Stresstest tatsächlich eintritt. Nur dann sollen Isar 2 und Neckarwestheim II weiterlaufen dürfen, und auch das nur maximal bis zum Ende der Heizperiode im April. Anderenfalls ist auch dort wie geplant zum Jahresende Schluss.
Wirklich zufrieden ist mit dieser Lösung niemand: Atomkraftgegner sehen schon die Möglichkeit einer streng befristeten Laufzeitverlängerung als bösen Verrat an. Union und FDP sind dagegen empört, dass die AKWs nicht auf jeden Fall am Netz bleiben. Zudem verursacht der Plan Kosten und Aufwand, selbst wenn am Ende gar kein zusätzlicher Strom erzeugt wird.
Die Entscheidung ist der beste Ausweg
Trotzdem ist die Entscheidung vermutich der beste Ausweg aus dem Dilemma. Habeck zeigt, dass er bereit ist, wichtige Positionen seiner Partei zu räumen, wenn es wirklich nötig ist – aber eben nur dann.
Natürlich werden Populisten aller Art trotzdem versuchen, den Grünen die Schuld für sämtliche Energie-Probleme der nächsten Monate zuzuschieben. Doch das fällt ihnen nun zumindest nicht mehr ganz so leicht.
Und die Anti-Atom-Bewegung ist allein wegen der unwahrscheinlichen Möglichkeit etwas längerer Laufzeiten empört. Doch auch dafür gibt es wenig Grund. Denn während Habeck einen Weiterbetrieb der AKWs für wenige Monate zumindest für möglich hält, hat er zugleich klar gemacht: Nach Ende des nächsten Winters ist Atomkraft in Deutschland definitiv Geschichte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen