Energieversorgung: Längere Laufzeit nur im Notfall

Laut Stresstest könnten zwei AKW unter extremen Umständen gebraucht werden. Bis maximal April sollen sie dann weiterlaufen.

Wirtschaftsminister Habeck bei der Vorstellung der Stresstest-Ergebnisse am Montagabend

BERLIN taz | Zwei der drei noch laufenden deutschen Atomkraftwerke können theoretisch bis zum April nächsten Jahres weiter genutzt werden – doch dass es dazu kommt, ist ziemlich unwahrscheinlich: Das ist in Kurzform das Ergebnis des mit Spannung erwarteten Stresstests, den das Bundeswirtschaftsministerium bei den vier deutschen Fernnetzbetreibern in Auftrag gegeben hatte.

Im Rahmen dieser Analyse war untersucht worden, was es für die Stromversorgung und die Netzstabilität bedeuten würde, wenn im kommenden Winter diverse extreme Ereignisse gleichzeitig eintreten: ein dauerhafter Ausfall von einem Drittel der französischen Atomkraftwerke, eine starke Reduktion der Leistung deutscher Kohlekraftwerke aufgrund von Niedrigwasser, ein Gaspreis von mehr als 300 Euro pro Megawattstunde, ein Ausfall von 50 Prozent des Gasbedarfs in Süddeutschland und ein deutlich gestiegener Strombedarf durch den Einsatz von Heizlüftern im Winter.

Wenn alle diese Annahmen eintreten, würde es in Deutschland in einzelnen Stunden in Süddeutschland einen Mangel an Strom geben. Um diesen auszugleichen, müsste in dieser Zeit eine Leistung von bis zu 5,1 Gigawatt aus dem Ausland bezogen werden. Dieses Problem könnte durch die weitere Nutzung der beiden AKW Neckarwestheim II (Baden-Württemberg) und Isar 2 (Bayern) etwas abgemildert werden. Der Bedarf aus dem Ausland würde auf 4,6 Gigawatt sinken, erläuterten die Netzbetreiber am Montagabend. Die Auswirkungen auf den deutschen Gasbedarf wären noch deutlich geringer: Dieser würde bei einer weiteren Nutzung der AKW im nächsten Winter um weniger als ein Promille sinken.

Nur wenn dieser Fall eintritt, sollen die beiden süddeutschen AKW bis maximal April am Netz bleiben dürfen, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. „Man kann nicht ausschließen, dass sie einen Beitrag leisten können“, erklärte der Grünen-Politiker. Darum sei es die richtige Konsequenz, „dass wir diese Option erhalten“. Entschieden werden solle dies, wenn klar sei, ob das Extremszenario eintritt.

Bei den Eigentümerstrukturen und der Haftung, über die im Vorfeld diskutiert worden war, würde sich bei einer solchen befristeten Laufzeitverlängerung nichts ändern, sagte Habeck. Mit den Betreibern werde es jetzt Gespräche geben, um die Voraussetzungen für den möglichen Weiterbetrieb sicherzustellen. Ob dafür das Atomgesetz geändert werden muss, das eine Stilllegung der letzten deutschen AKW Ende 2022 vorsieht, oder ob eine Änderung des Energiesicherungsgesetzes ausreicht, werde derzeit von Juristen geprüft.

Neue Brennelemente schließt Habeck aus

Während für viele Grüne, die jahrzehntelang für den Atomausstieg gekämpft haben, schon eine Weiterbetrieb der AKW für wenige Monate schwer zu akzeptieren wäre, hatte CDU-Chef Friedrich Merz zuletzt eine Laufzeitverlängerung von mehreren Jahren gefordert. Mit FDP-Chef Christian Lindner hatte sich zuletzt auch ein Minister der Ampel-Koalition hinter diese Forderung gestellt. Solchen Überlegungen erteilte Habeck am Montag eine klare Absage: Eine Laufzeitverlängerung über April hinaus schließe er aus, sagte der Wirtschaftsminister ohne jede Hintertür. „Es wird keine Beladung der AKW mit neuen Brennelementen geben.“

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