Laschets Warnungen vor Rot-Rot-Grün: Willkommene Gefahr
Der Kanzlerkandidat der Union hat das Schreckgespenst R2G aus dem Tiefschlaf geholt. Wer es sich genau ansieht, findet es gar nicht so bedrohlich.
E ndlich spricht mal wieder jemand über Rot-Rot-Grün! Es ist nicht die SPD, nicht die Linke und schon gar nicht die Grünen. Sondern CDU-Chef und Spitzenkandidat Armin Laschet höchstselbst. Dass er solch ein Bündnis als Gefahr für Deutschland bezeichnet, das Wohlstand verspielen würde, kann R2G-Fans nur freuen. Gefahren sollte man nämlich ernst nehmen, zumal wenn eine seriöse Quelle, wie ein amtierender Ministerpräsident, davor warnt.
In den vergangenen Wochen hat kaum noch jemand offen über ein solches Bündnis nachgedacht. Die Grünen schielten unverhohlen zur Union, SPD und Linke waren mit sich selbst beschäftigt. Rot-Rot-Grün schien schon ins Archiv verflossener Ideen einsortiert. Stattdessen gingen viele Beobachter:innen davon aus, dass es sowieso auf eine Koalition zwischen Union und Grünen und möglicherweise der FDP hinausliefe.
Egal, wie man zu einem rot-rot-grünen Bündnis steht, es ist wohltuend, dass dieser Fatalismus über den vermeintlich feststehenden Ausgang der Wahl nun aufbricht. Die Sozialdemokraten mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz haben sich mit hanseatischem Stoizismus an die Union herangepirscht, beide liegen in einer aktuellen Umfrage gleichauf. Die Union und die Grünen schwächeln. Diese Entwicklungen machen Annahmen über mögliche Koalitionen unsicher und die Lage spannend.
Wähler:innen, die meinen, ihre Stimme bewirke sowieso nichts, können nun mobilisiert werden, denn wenige Stimmen könnten über den Wahlausgang entscheiden. Vielleicht wird diese Bundestagswahl tatsächlich zu einer Richtungswahl, in der die Bürger:innen zwischen einem mitte-linken und einem bürgerlich-konservativen Lager entscheiden. In der Abwägung lohnt es sich, nicht nur auf Warnungen zu hören, sondern selbst in den Wahlprogrammen zu stöbern:
Einen höheren Mindestlohn für Geringverdienende, eine Vermögensteuer für Reiche, ein Tempolimit für Raser:innen – das wären Gefahren, die mit Rot-Rot-Grün drohten. Gefahren, mit denen viele Menschen gut leben könnten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“