Kommentar über Klarnamenpflicht: Das Problem heißt Hass
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer fordert eine Klarnamenpflicht im Internet. Das wird Hasskommentare im Netz allerdings nicht verhindern.
Hass im Netz wird ganz einfach weniger, wenn wir alle unseren echten Namen angeben müssen und sich niemand mehr hinter Pseudonymen verstecken kann. Diesen Irrglauben verbreiten CDU-Politiker immer mal wieder, aktuell die Chefin selbst. „Ich möchte wissen, wer hinter solchen Kommentaren steckt“, forderte Annegret Kramp-Karrenbauer angesichts der rechten Hetze gegen den ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten.
Da ist sie nicht allein, klar. Das Problem ist nur: Eine Klarnamenpflicht verhindert keine Hasskommentare. Facebook fordert seine User schon lange dazu auf, sich mit echten Namen zu registrieren, auch wenn eine entsprechende Verpflichtung im vergangenen Jahr für rechtswidrig erklärt wurde. Das hält Nutzer aber nicht davon ab, Beleidigungen und Morddrohungen zu posten. Das Problem heißt nicht Anonymität, das Problem heißt schlicht: Hass.
Der nachlassenden Impulskontrolle in den Kommentarspalten sollte man mit entschiedener und besser aufs digitale Zeitalter zugeschnittener Strafverfolgung begegnen, die auch die Konzerne in die Pflicht nimmt. Wie wertvoll dagegen Anonymität im Netz ist, könnte @AKK, wie die CDU-Vorsitzende sich selbst auf Twitter nennt, von jeder Person erfahren, die sich in Onlineforen über chronische Erkrankungen oder Mobbing am Arbeitsplatz mit anderen austauscht.
Eine Klarnamenpflicht würde nicht nur wenig gegen Hass im Netz helfen, sondern könnte dessen Opfer gefährden. Soll sich jemand, der in Reichsbürgerforen recherchiert oder unter Pseudonym über das Leben als Transperson twittert, zur Zielscheibe machen für die, denen Hasskommentare nicht weit genug gehen?
In Berlin reicht es, Vor- und Zuname sowie Geburtsdatum und Familienstand einer Person anzugeben, um ihre Anschrift aus dem Melderegister abzufragen, Kostenpunkt: fünf Euro. Bevor sie also totale Transparenz im Internet fordert, sollte die CDU sich fragen, ob es da nicht näherliegende Baustellen gäbe – und etwa ihre Haltung zu Lobbyismus und zur Kennzeichnungspflicht für Polizisten überdenken.
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