Klimapolitik in Deutschland: Wer bricht hier das Gesetz?
Das Bundeskabinett hat endlich beschlossen, fossile Heizungen auf erneuerbare Energien umzustellen. Der Verkehrsminister verweigert dagegen die Arbeit.
S ie begehen Rechtsbruch mit Ansage. Sie verstopfen die Straßen unserer Städte. Sie folgen absurden Ideen über die Dringlichkeit der Klimakrise. Sie nerven nur noch. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) wollten dem Klimaschutzgesetz keine Folge leisten. Wissing muss eigentlich ein Sofortprogramm vorlegen, aus dem zum Beispiel hervorgeht, wie die vielen Autos auf den zugestauten Straßen weniger werden oder wie öffentliche Verkehrsmittel, Fahrräder und Fußgänger:innen einen Boost bekommen.
Mit Verweis auf eine künftige Reform des Klimaschutzgesetzes, für die noch nicht einmal ein Entwurf vorliegt, wollte Wissing aber kein Sofortprogramm liefern. Ohne Rücksicht auf das geltende Gesetz oder unsere künftigen Lebensgrundlagen, dafür aber mit dem Segen des Kanzleramts.
Jetzt hat Wissing doch noch eingelenkt, weil selbst aus Kreisen der Regierungsfraktionen Kritik kam. In drei Monaten wird das Sofortprogramm fällig. Es solle doch eines geben, heißt es nun, wenn das bisherige Klimaschutzgesetz dann noch gelte. Wann dann in Windeseile ein wirksames Programm zusammengeschustert werden soll, ist natürlich unklar.
Eine bessere Steilvorlage hätte die Bundesregierung der Letzten Generation nicht liefern können: Die Klimagruppe will nach eigenen Angaben ab Donnerstag Berlin mit vielen Straßenblockaden „lahmlegen“. Sie rechtfertigt diese Verletzung der Straßenverkehrsordnung, die juristisch oft als Nötigung der betroffenen Autofahrer:innen gilt, mit der politischen Untätigkeit in der Klimakrise.
Gasmangel rettete die Bilanz
Dafür hat die Gruppe selbst aus der Ökoszene schon einiges einstecken müssen. Schließlich zieht sie nicht unbedingt die Sympathie der meisten Menschen auf sich. Die Eigenbetrachtung der Letzten Generation als ehrenvoller „Widerstand“, was einen Unrechtsstaat impliziert, bestärkt die Bundesregierung aber natürlich, wenn sie den Bruch des geltenden Klimaschutzgesetzes in Aussicht stellt.
Auch bisher läuft es bei dessen Erfüllung schlecht: Ohne das Herunterfahren der Industrie wegen der Gasknappheit im vergangenen Jahr hätte Deutschland 2022 mehr Treibhausgas ausgestoßen als gesetzlich erlaubt. So stimmte die Gesamtbilanz. Das Verkehrswesen und die Gebäudeheizungen waren für sich genommen trotzdem gesetzeswidrig klimaschädlich.
Zumindest in letzterem Bereich gibt es Bewegung. Die Bundesregierung hat endlich entscheidende Gesetze auf den Weg gebracht, um Energiesparen zur Pflicht zu machen und Deutschlands noch hauptsächlich fossile Heizungen auf erneuerbare Energien umzustellen. Problematisch ist, dass die Vorhaben im Vergleich zu den Erstentwürfen aus dem Bundeswirtschaftsministerium beim Gang durch die anderen Ressorts verwässert wurden.
Die Grünen haben zudem politisch schmerzlich dafür bezahlt, die Projekte überhaupt umzusetzen. Das Energieeffizienzgesetz beispielsweise wurde ihnen schon im Zuge des Machtworts des Kanzlers zum Streckbetrieb der Atomkraftwerke versprochen. Im Ergebnis zum Koalitionsausschuss, mit dem die Regierung auch die desaströse Reform des Klimaschutzgesetzes anvisiert, steht es wieder. Dennoch: Es geht langsam voran beim Klimaschutz in den Gebäuden. Im Verkehrsministerium hingegen herrscht Arbeitsverweigerung.
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