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Interview mit Antisemitismus-Expertin„Klare Parteilichkeit ist möglich“

Nach den Hamas-Angriffen verbreiten auch deutsche Medien antisemitische Vorurteile. Kim Robin Stoller über die hohe Bedeutung, Sprache zu entlarven.

Sicherheitskamera zeigt Hamas-Kämpfer in einer Siedlung in Süd-Israel Foto: Israel Defense Forces via AP
Erica Zingher
Interview von Erica Zingher

taz: Frau Stoller, die Sicherheit ­Israels ist deutsche Staatsräson. Das steht im Koalitionsvertrag. Auch die Ampelparteien betonen das angesichts des Terrors, den die islamistische Hamas an israelischen Zi­vi­lis­t:in­nen verübt hat. Was bedeutet das für Medienschaffende?

Kim Robin Stoller: Für die Bundesregierung hat dieser Grundsatz gegebenenfalls eine militärische Dimension. Um Israels Sicherheit zu schützen, würde die deutsche Bundeswehr auch kriegerisch eingreifen. Diese Dimension gibt es für Jour­na­lis­t:in­nen nicht. Aus den Erfahrungen des Ukrainekriegs wissen wir aber, dass eine klare Parteilichkeit bei einem Angriffskrieg möglich ist. Nach der Kriegserklärung und dem genozidalen Massaker der Hamas ist das geboten.

Wie könnte so eine Positionierung in der Berichterstattung aussehen?

Medien sollten vermitteln, dass es sich bei der Hamas um eine vernichtungsantisemitische Terrororganisation handelt. Eine solche Terrororganisation wird ihre Taten weiter umsetzen, wenn sie nicht gestoppt wird. Diese Dimension sollte in der Berichterstattung deutlich werden.

Sie beobachten in der deutschen Berichterstattung über Israel Sprachbilder, die antisemitische Ressentiments transportieren. Welche Sprachbilder sind das?

Bild: IIBSAF
Im Interview:  Kim Robin Stoller

Vorsitzende des Internationalen Instituts für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung und Mitautorin des Handbuchs zur Anwendung der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus. Ihre Forschungsschwerpunkte sind israelbezogener Antisemitismus und Akteur_innen der antisemitischen Mobilisierung.

Ein verbreitetes Sprachbild ist die sogenannte jüdische Rache. Israels Handeln oder Reaktionen auf Angriffe der Hamas werden dann als solche dargestellt. Ein Bild, das permanent reproduziert wird, ist, Israel als intentionaler Kindermörder, solche O-Töne gab es in einem Radiobeitrag. Immer wieder finden sich in der Berichterstattung über Israel asymmetrische Darstellungen, in denen insbesondere auf die militärische Überlegenheit Israels abgestellt wird: David gegen Goliath, also der starke Unterdrücker, gegen den sich „die“ armen Palästinenser wehren. Hierbei werden Akteure wie die terroristische Hamas nicht genannt. Ein Großteil der Menschen verbreitet diese Falschdarstellungen und antisemitischen Topoi vermutlich nicht bewusst.

Welche Instrumente können Medienschaffende nutzen, um israelbezogenen Antisemitismus in der journalistischen Praxis zu erkennen?

Sie könnten Vergleiche ziehen zu anderen kriegerischen Auseinandersetzungen und überlegen: Wie haben wir im Kontext des Ukrainekrieges berichtet? Welche Bilder wurden damals produziert? Wie berichten wir jetzt in Bezug auf Israel und die Hamas-Angriffe? Es gibt eine internationale Arbeitsdefinition von Antisemitismus, die sogenannte IHRA-Definition, die viele Beispiele von israelbezogenem Antisemitismus enthält. Medienhäuser sollten prüfen, ob sie auf die eigene Berichterstattung zutrifft.

In proisraelischen Kreisen ist das Schlagwort „Pallywood“ verbreitet. Die Behauptung: Palästinenser würden mithilfe gestellter Szenen gewaltsame israelische Übergriffe vortäuschen. Wie bewerten Sie das?

Es gibt auf jeden Fall zivile Opfer. Bekannt ist allerdings auch, dass Bildmaterialien aus anderen Kriegssituationen, wie dem syrischen Bürgerkrieg, oder inszenierte Szenen genutzt werden, um zu behaupten, dass gerade Massaker von israelischer Seite verübt werden. Eine Herausforderung ist, dass Bilder, Videos und Informationen der Hamas teilweise von Nachrichtenagenturen oder von prominenten Sendern verbreitet werden. Selbst wenn Falschmeldungen im Nachhinein als solche benannt werden, ist es kaum möglich, sie wieder aus den Köpfen zu bekommen. Wenn die Bereitschaft besteht, zu glauben, dass Israel gezielt palästinensische Kinder tötet oder die Tötung absichtlich in Kauf nimmt, wirkt auch eine nachträgliche Meldung über eine Falschdarstellung nicht.

Die Hamas hat ihr barbarisches Vorgehen gegen israelische Zi­vi­lis­t:in­nen selbst gefilmt. Sollten Medien solche Videos zeigen?

Es ist einerseits wichtig, jüdische Opfer zu thematisieren. Andererseits wird mit der Verbreitung von Hamas-Material die Perspektive der Täter eingenommen. Wir wissen aus Untersuchungen zum Nationalsozialismus, dass Bilder von Opfern häufig von Nazi-Tätern aufgenommen und inszeniert wurden. Das hat Auswirkungen darauf, wie wir auf diese Opfer blicken – und inwiefern wir zu Empathie für sie fähig sind. Aktuell werden Videos von Hamas-Geiseln, die medizinisch versorgt werden, verbreitet. Deshalb würde ich raten, andere Bilder und Erzählungen über jüdische Opfer in den Vordergrund zu stellen.

Die Grünen-Innenpolitikerin Lamya Kaddor fordert eine strafrechtliche Verfolgung von Personen, die Propagandavideos verbreiten. Die Bilder würden Radikalisierungspotenzial bergen. Wie stehen Sie dazu?

Das Abfeiern der Massaker gegen israelische Zi­vi­lis­t:in­nen ist eine Form der Radikalisierung. Dies hat unter Islamisten und ihren An­hän­ge­r:in­nen zu einem Selbstbewusstseinsschub geführt. Man sollte die Verbreitung von Propagandamaterial und Terrorverherrlichung rechtlich unterbinden.

Israel wird wohl mit einer Bodenoffensive in Gaza auf den Großangriff der Hamas reagieren. Wie bereits in vorangegangenen Kriegen wird es auch auf der palästinensischen Seite zivile Opfer geben. Wofür sollten Medienschaffende in den nächsten Wochen in ihrer Berichterstattung sensibilisiert sein?

Medien sollten auf ihre Sprache achten. Es handelt sich bei der Hamas nicht um „militante Kämpfer“ oder „Widerstandskämpfer“, sondern um Terroristen einer terroristischen Organisation, die Massaker verübt haben. Außerdem sollte sensibel mit Formulierungen wie der „Spirale der Gewalt“, „Eskalation“ oder der Forderung nach Verhältnismäßigkeit umgegangen werden. So eine Forderung würde bedeuten, dass die Israelis im gleichen Verhältnis agieren sollten wie die Hamas, was natürlich völliger Humbug ist. Medien in Deutschland sollten bedenken: Ihre Berichterstattung hat massive Auswirkungen auf Jüdinnen und Juden in Deutschland. Eine empathische Berichterstattung gegenüber Israel und den israelischen Opfern sollte ein ­Gebot sein.

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37 Kommentare

 / 
  • wir sollten unbedingt aufhören, im kontext mit den hamas das wort „barabarisch“ zu verwenden. barbarisch heißt nicht nur unmenschlich, sondern auch unzivilisiert und unkultiviert. die terrorgruppen als unziliviserte, unkultivierte kämpfer sind ein rassistisches westliches topoi.

    • @herstory:

      Der Tagesspiegel kommentierte das Massaker der Hamas an den Israels als absoluten Zivilisationsbruch.



      Mir ist nicht ganz klar, wieso diese unbeschreibliche Grausamkeit nicht als solche benannt werden soll.



      Es zählen schließlich die Taten.

    • @herstory:

      Auch das Wort Terror bzw. Terrorist (bzw. Terrorist*innen) finde ich problematisch. Ich bevorzuge Gewalt, Verbrechen, Völkermord, kriminelle Vereinigung usw., je nach dem, worum es geht. Allzu oft ist der Begriff Terrorismus zum Aufbau von Feindbildern genutzt worden.

    • @herstory:

      Ich denke darüber anders: die Zivilsation zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen miteinander auf einer Grundlage umgehen, die den anderen noch immer als Menschen wahrnimmt, auch wenn er der Feind ist. Daher werden sogar im Krieg getöteten Soldaten nicht noch zur Schau gestellt oder Leichen geschändet....

      Diese Basis der Zivilisation wurde verlassen, wenn man Kinder in ihrem Babybett abschlachtet, Menschen lebendig anzündet und sich dafür feiert, möglichst viele Juden geötet zu haben, als seien sie Ungeziefer. Ich meine, dass der Begriff "barbarisch" darauf sehr genau passt - und den Hamas-Terroristen dabei noch nicht einmal das abspricht, was sie offenbar den Juden absprechen, die Menschenwürde. Es sind nur sehr unzivlisierte rohe Menschen, wenn sie Kinder abschlachten.

  • Nach dem Massaker am 7. Oktober an 1200 unschuldigen israelischen Zivilist/innen und der Kriegserklärung der Hamas, stelle ich allen die selbe Frage.

    "Wie würdet ihr praktisch darauf reagieren, wenn ihr als Teil der israelischen Regierung nun zum Handeln gezwungen wärt? "

    Ich stelle fest: Viele Kritker sind nicht Willens auch nur einmal für lediglich fünf Minuten die israelische Position einzunehmen und über diese Frage ernsthaft nachzudenken. Es kommt ihnen gar nicht in den Sinn, das Israel auf diesen Angriff der Hamas reagieren muss.

    • 6G
      655170 (Profil gelöscht)
      @R. Mc'Novgorod:

      Halten Sie es tatsächlich für akzeptabel, dass die israelische Regierung rücksichtslos die Zivilbevölkerung in Gaza bombardieren lässt?



      Ich nicht.



      Ich bin durchaus bereit, die "israelische Position" (Ihre Formulierung, mit der Sie die Position der israelischen Regierung als "israelische Position" zu generalisieren versuchen) einzunehmen - und nicht nur bereit.



      Aber ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass auf die Morde der Hamas mit dem Tod von zigtausend Zivilisten geantwortet wird.



      Nach nicht einmal drei Wochen des Bombardements sind über 7.000 Zivilisten tot.



      Der Krieg soll/wird Monate dauern.



      Meine Gegenfrage an Sie:



      "Bei wieviel Toten Zivilisten ist für Sie die Legitimation der Bombardement überschritten?"



      50.000? 100.000? Oder wie vielen?



      "Und ist für Sie auch die Vertreibung der Palästinenser durch die israelische Regierung gerechtfertigt? (Netanjahu: "Gehen Sie jetzt!")

    • @R. Mc'Novgorod:

      Tatsächlich habe ich mir diese Frage schon gestellt.



      Ich bin nicht religiös, aber meine Assoziation zu einer Lösung war: Jesus.



      Damit meine ich das Konzept der Nächstenliebe, auch meinem Peiniger noch die Hand zu reichen.

      Es mag reichlich naiv anmuten, aber alles andere spielt nur Hamas in die Hände. Das Kalkül von Hamas geht bisher hervorragend auf: in vielen Teilen der Welt wird nicht mehr über die Massaker in Israel gesprochen, sondern über die Reaktion der Israelis auf Hamas/Gaza. Der Moment, in dem es mehr Tote in Gaza als in Israel gibt, ist bereits überschritten und es war von vornherein das Kalkül von Hamas. (was die Taten in meinen Augen noch mehr verwerflich macht, als sie ea ohnehin schon sind)

      Ich hatte heute im Radio (inforadio vom rbb) ein gutes Interview gehört (Tomer Dotan-Dreyfus, israelischer Autor www.inforadio.de/r...se-frankfurt.html), er hat einen ganz wichtigen Satz gesagt: (frei zitiert)

      "Hamas ist eine Idee und eine Idee kann man nicht dadurch beenden, dass man die, die daran glauben bombardiert.



      Man kann nur erreichen, dass die Idee irrelevant wird. Und das ist die Aufgabe Israels im Moment."

      • @Ringsle:

        Das Gebot der Nächstenliebe ist originär jüdisch und besitzt im Judentum und Christentum zentralen Rang Da muss man nicht erst Jesus bemühen.

        Aus selbigem Grunde (du sollst nicht stehlen) ist die illegale Landnahme im Westjordanland durch mittlerweile 700.000 israelische Siedler nicht im Judentum begründet.

    • @R. Mc'Novgorod:

      "fünf Minuten die israelische Position einzunehmen"

      Es gibt nicht "die" israelische Position.



      Was alle eint ist die selbstverständliche Ablehnung der Anschläge der Hamas.

      Wo es keine Einigung gibt, ist die Frage, wie Israel dauerhaft in Frieden mit den Nachbarn und den Palästinensern leben kann.

      Die Positionen israelischer Nationalisten, die auf die Annektierung palästinensischer Gebiete außerhalb Israel abzielen (wie z.B. die Besiedlung des Westjordanlandes inklusive der Vertreibung der ansässigen Bevölkerung ) sind jedenfalls nicht geeignet dauerhaft Frieden zu schaffen.

      Sie sind mit ein Grund der Feindschaft zwischen Juden und Palästinensern. Auf die Hamas kann man nur reagieren mit guter Politik. Dabei kann man an die Ansätze zwischen Peres und Arafat anknüpfen, sollte aber die Fehler von damals vermeiden.

  • Ein starkes Stück: Einflussgruppen wollen Medien vorgeben, wie diese über sehr ernste Vorgänge fernab in der Welt berichten "sollten".

    Jedes Medium mit Anstand sollte sich in der Berichterstattung an Tatsachen und Grundwerten orientieren, die symmetrisch (!) angewendet werden, und Lobbygruppen bestenfalls ergänzend anführen, auch wenn es solche Lobbygruppen sind, die im engsten oder weitestens Sinne für die Menschengruppe eintreten, der historisch einzigartiges Unrecht geschehen ist. Und wenn man den Lobbys Raum einräumt, dann auch den Lobbys für die anderen Opfer d.h. nicht für Terrorismus aber für Palästinenser d.h. Palästinensische Bürger!

    Ich lese seit vielen Tagen verschiedene deutsche Onlinemedien, sie berichten alle sehr ähnlich und viele Dinge die in Gaza derzeit schrecklich sind und von Israel ausgehen werden dort sehr weit hinten, wenn überhaupt berichtet. Das ist keine gute Berichterstattung.

    Es ist ein hochgradig asymmetrischer Konflikt, das reicht von den offensichtlichen Unterschieden in Organisation, Bewaffnung, Opferzahlen bis zu den zivilen Dingen wie furchtbaren Lebensumständen und Hoffnungslosigkeit in Gaza und zur Sichtbarkeit der Opfer: Israels Opfer werden zurecht mit Namen, Gesicht und Geschichte gewürdigt - aber die vielen palästinensischen Opfer, auch Kinder, die sind bei uns nur - angezweifelte - Zahlen.

    Das ist auch eine Wahrheit über die Berichterstattung. Es ist eine ziemlich geschlossene Sache, diese Berichterstattung. Wir würden es bei nahezu keinem anderen Thema akzeptieren, derart kritiklos einseitig informiert zu werden.

    Aus diesem Grund muss man Leuten wie Zizek dankbar sein, dass die ab und an einen Stich gegen den Kokon, der uns vor unangenehmen Fragen zu unserer Haltung schützt, die tatsächlich auf der Hand liegen, setzen. Denn das zu ignorieren und zu verschweigen ist in vielerlei Hinsicht nicht gut.

  • "Selbst wenn Falschmeldungen im Nachhinein als solche benannt werden, ist es kaum möglich, sie wieder aus den Köpfen zu bekommen. "

    Selbst die korrekten Meldungen sind bereits verheerend und setzen sich ebenfalls als Bilder fest. Es wird immer schwer sein Bilder von toten Zivilisten besonders Kinder zu rechtfertigen. Das Problem haben beide Seiten. Zu behaupten es seien alles nur Falschmeldungen wird da auch nicht weiterhelfen.

  • Are you shure?

    “…Aus den Erfahrungen des Ukrainekriegs wissen wir aber, dass eine klare Parteilichkeit bei einem Angriffskrieg möglich ist.



    Nach der Kriegserklärung und dem genozidalen Massaker der Hamas ist das geboten.“

    Die Hamas ist was? (ah “…eine Terrororganisation!)



    &



    Kann die eine völkerrechtlich beachtliche “Kriegserklärung“ abgeben?!



    Wohl nicht - oder! Na lesens selbst!

    “Bei der Kriegserklärung handelte es sich nach klassischem Völkerrecht um eine einseitige, formlose Willenserklärung an die gegnerische Kriegspartei, die den Eintritt des Kriegszustandes ankündigt…



    Eine Kriegserklärung wurde einem Staat(!!) von einem anderen (!!) vor Aufnahme der Feindseligkeiten zugestellt, wenn letzterer seine Interessen bedroht oder seine Existenz gefährdet sah und keine diplomatische Lösung in Aussicht stand. Auch durch seine Bündnisverpflichtungen konnte sich ein Staat gezwungen sehen, eine Kriegserklärung gegen einen anderen auszusprechen.…



    …Zum Verfahren einer Kriegserklärung muss das innerstaatliche Verfahren, welches durch die innere Struktur des Staates geregelt oder festgeschrieben ist, von dem völkerrechtlichen getrennt gesehen werden. Mit der Kriegserklärung ist eine völkerrechtlich bindende Erklärung nach außen, d. h. an andere Völkerrechtssubjekte gerichtete Mitteilung gemeint, die die Erklärung des Kriegszustandes zwischen den beteiligten Staaten zum Gegenstand hat. Für die Form der Kriegserklärung ist das Haager Abkommen der Haager Friedenskonferenzen bindend:=>



    de.wikipedia.org/w...iegserkl%C3%A4rung



    &



    de.wikipedia.org/wiki/Hamas

    kurz - die für Israel ersichtlich schwierige Situation hinsichtlich seiner Handlungsoptionen leitet sich aus dem Vorstehenden ja gerade ab.



    Ein begriffliche Klarheit aber - sollte einer anvisierten “klaren Parteilichkeit“ -



    Was immer das genau sein mag - zwingend vorausgehen.

    • @Lowandorder:

      Ob der Krieg völkerrechtlich gültig erklärt wurde oder nicht, dürfte weder aus Sicht der Hamas noch aus Sicht der Opfer ihrer Angriffe einen nennenswerten Unterschied machen: Die Hamas begreift sich unbeschadet des Mangels an internationaler Anerkennung als nationale Streitmacht im Krieg, und ihre Opfer sind nicht weniger tot, weil sie das im völkerrechtlichen Sinne nicht ist. Der entstehende Zustand ist in tatsächlicher Hinsicht von einem internationalen kriegerischen Konflikt (in dem von mindestens einer Seite auf das humanitäre Kriegsrecht komplett gesch...en wird) nur in unerheblichen Details zu unterscheiden. Die Hamas kämpft mit Allen Mitteln gegen Israel, und Israel versucht, ihr die Fähigkeit zum Weiterkämpfen zu nehmen.

      Dass das Völkerrecht eine solche Situation nicht unmittelbar regelt, drängt die analoge Anwendung von Kriegsrecht auf. Entsprechend ist die Frage, ob man die Kriegserklärung der Hamas "Kriegserklärung" nennen kann, rein akademisch. Sie kommt jedenfalls einer solchen gleich.

      • @Normalo:

        Sorry - bisher dachte ich - se hätte irgendwas mit Recht ze donn! Woll.

        “Die einen sagen so - die andern sagen anders & das kommt drauf an!“ Woll.



        Warum aber die Erklärung des Interviewten und mein Einwand - rein akademischer Natur sein soll. Dürften ehra Geheimnis bleiben! Gelle.



        Es dürfte selbst ehna doch nicht entgangen sein - daß im Anschluss an Bibis hatespeech die internationale Öffentlichkeit der Mehrzahl der Staaten auf den für die völkerrechtliche Bewertung unverzichtbaren Unterschied hingewiesen - ja insistiert hat! Bisher ja erfolgreich.

        kurz - so ein unbelecktes ♦️einfach Weltbild einschließlich der langen internationalen Einhegungsversuche!



        Verblüfft mich immer wieder.

        • @Lowandorder:

          Die(!) Interviewte hat den Begriff im Hinblick auf die journalistische Wertung des Verhaltens der Hamas verwandt. Da ging es weniger darum, ob Israel nun diese als "Kriegsgegner" einordnet (oder eben z. B. den gesamten Gazastreifen), und die entsprechenden völkerrechtlich zu wertenden Konsequenzen zieht. Es geht nur darum: Hat die Hamas einen Krieg vom Zaun gebrochen oder nicht? Das mit "Effektiv ja." zu beantworten, heißt aus meiner Sicht noch lange nicht, den Konflikt für völkerrechtlich symmetrisch zu erklären. Das würde ich auch nicht tun, war aber auch nicht der Punkt von Frau Stoller.

          • @Normalo:

            Geb‘s auf! Wer am Anfang quasi vor der Klammer - mit einem zumindest erklärungsbedürftigen Begriff einsteigt - baut halt auf nem schiefen Fundament den Rest & ist in seinem recht unverhohlenem “Ich weiß Bescheid!“ zumindest zarter Kritk würdig!;)



            Das ehna “Es geht nur darum: Hat die Hamas einen Krieg vom Zaun gebrochen oder nicht?“ - dacht ich mir ja bereits. Macht’s aber doch grad nicht besser! Woll

      • @Normalo:

        Ich habe bisher keine Beiträge oder Kommentare im der hiesigen Medienberichterstattung wahrgenommen - außer einige wenige pro-palästinensische bzw. eben explizit terrorrelativierende - die nicht darauf hingewiesen haben, dass es sich bei der Hamas um eine terroristische und antisemitische Organisation handelt und deren Angriffe auf die Vernichtung jüdischen Lebens und der Existenz des israelischen Staates abzielen. (Kann ja sein, dass mein Sichtfeld in dieser Sache etwas eingeschränkt ist).



        Übrigens auch bei solchen Äußerungen, die zugleich der Meinung sind, das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser sollte ebenso Beachtung finden wir das Existenzrecht Israels (was meiner persönlichen Position in dieser Frage entspricht). Weil sonst kein Frieden zwischen beiden Seiten möglich ist, sondern Armageddon droht.



        Ist eine solche Feststellung etwa schon antisemitisch? Dann wäre es wirklich schon weit gekommen in diesem Land.



        Aber ich habe ohnehin den Eindruck, dass ein Bewusstsein dafür, dass Krieg und Terror für die betroffenen Menschen oft gleichbedeutende Folgen haben, hierzulande verloren geht. Ist die Rechtfertigung des (zwischenstaatlichen) Krieges als irgendwie „gerecht“ oder legitim - im Gegensatz zur terroristischen Gewalt - erst einmal gedanklich vollzogen, ist die Büchse der Pandora bzw. der Unmenschlichkeit weit geöffnet.

        • @Abdurchdiemitte:

          Es kommt aus meiner Sicht immer ein wenig auf das Verhältnis der Texte vor und hinter dem - bei manchen leider unvermeidbaren "...aber..." an. Wir kennen das Spielchen seit Jahrzehnten: Ob es nun das Selbstverteidigungsrecht Israels ist, die Verwerflichkeit russsicher Angriffe auf die territoriale Integrität der Ukraine, dass man nichts gegen Ausländer habe oder was auch immer - ja natürlich gesteht man das brav erstmal ein, um dann zur eigentlichen - gegenteiligen und weit umfangreicher dargelegten - Kernaussage zu kommen.

          Außerdem ist natrülich das Timing auch nicht ganz irrelevant. Wenn ein Schüler gerade mitten in der Woche besoffen nach Hause kommt, ist das in der Regel ein nicht nicht bloß ungeschickt sondern ENTLARVEND gewählter Zeitpunkt für Beschwerden über zu wenig Taschengeld, so berechtigt die an sich auch sein mögen. Ähnlich ist es bei Terroristen und deren insgeheimen Parteigängern.

          • @Normalo:

            Zuweilen gibt es aber aber ein „aber“ (genau!) und es ist auch begründet. Die Welt ist halt komplex und wir finden keine einfachen Antworten. Schon gar nicht, was diesen Konflikt betrifft.



            Das Existenzrecht Israels ist genau so real wie das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser. Es ist aus meiner Sicht keine Option, das eine auf Kosten des anderen zu negieren.

            • @Abdurchdiemitte:

              Ja wie?

              Nun verunsichernse unseren “Normalvergaser“ mal nich so! Woll



              &



              “Mehr - könnte weite Teile der Bevölkerung verunsichern!“



              ©️ dere von Misère - 🙀🥳😽 - Gelle.

    • @Lowandorder:

      Ergänz mal zum letzten Absatz!

      “Völkerrechtler zum Krieg im Nahen Osten: „Müssen Rechtsverstöße benennen“



      Der Terror der Hamas erlaubt es Israel nicht, mit gleichsam illegalen Mitteln zu antworten, sagt der Völkerrechtler Wolff Heintschel von Heinegg.



      taz.de/Voelkerrech...en-Osten/!5966524/ But.



      “…Insofern erscheint es doch ausgeschlossen, die militärischen Strukturen der Hamas zu bekämpfen, ohne zivile Menschenleben zu gefährden. Wie kann Israel aus diesem Dilemma herauskommen?



      Ich räume ein, dass das ein Dilemma ist. Aber um jedem Missverständnis vorzubeugen: Es ist nach dem humanitären Völkerrecht nicht verboten, bei Angriffen gegen zulässige militärische Ziele auch Zivilpersonen oder zivile Objekte in Mitleidenschaft zu ziehen. Das wird leider allzu häufig missverstanden. Die Regel, die im Übrigen für Israel als Nichtvertragsmitglied der Genfer Zusatzprotokolle gar nicht verbindlich ist, besagt nur, dass bei einem Angriff auf ein zulässiges militärisches Ziel, bei dem zu erwarten ist, dass Zivilpersonen oder zivile Objekte in Mitleidenschaft gezogen werden, diese sogenannten Kollateralschäden nicht in einem exzessiven Missverhältnis zum angestrebten militärischen Erfolg stehen dürfen. Selbst hohe Verluste unter der Zivilbevölkerung müssen also nicht per se rechtswidrig sein.“



      “Im Völkerrecht geht es um Deportationen oder zwangsweise Umsiedlungen. Die sind einer Besatzungsmacht in der Tat verboten. Jetzt kann man lange darüber streiten, ob der Gazastreifen besetztes Gebiet ist oder nicht, aber nehmen wir das einfach einmal an. Man kann auch darüber diskutieren, ob hier überhaupt eine Deportation oder Zwangsverlegung vorliegt, denn Israel hat der Bevölkerung ja nur gesagt, dass sie lieber in den Süden gehen sollte. Aber da die Ankündigung von Gewalt implizit mitschwingt, kann man da Zwang sehen. Aber selbst das Internationale Komitee vom Roten Kreuz sagt, dass dieses Verbot nicht mehr gilt, wenn es der Sicherheit der betroffenen …ff !!=>

  • Danke für das Interview.



    Empathie ist meiner Meinung nach eine menschliche Grundvoraussetzung für Frieden. Es sollte möglich sein, diese für jeden Menschen aufzubringen, egal welcher Hautfarbe, Nation, Religion, etc.



    Es wird in diesen Tagen viel bemüht, um die deutsche Pflicht dem israelischen Staat gegenüber zu unterstreichen. Während ich es persönlich gut und richtig finde, Israel in dieser schweren Stunde beizustehen, denke ich trotzdem doch, dass unsere Geschichte uns nicht vor allen Dingen die moralische Verpflichtung dem jüdischen Volk gegenüber lehrt, sondern zumindest im gleichen Maße die Verpflichtung als Schlichter in Konflikten einzuschreiten, dort wo das gewünscht wird. Dazu gehört Empathie in alle Richtungen, ohne sich parteiisch zu zeigen. Netanjahu selbst spricht von Rache, alle Menschen wissen, Rache wird keinen Frieden bringen. Frieden passiert im Herzen und wird durch Taten aufgebaut. Freundschaft zum israelischen Volk bedeutet meiner Meinung nach den Menschen dort beizustehen, die genau dies wollen. Nicht Rache, nicht weitere 50 Jahre Krieg. Ob diese Menschen in der Regierung sitzen ist eine andere Frage. Einen Krieg zu rechtfertigen, der als Reaktion auf einen Terrorangriff befehligt wird ist finde ich nicht die Lehre, die wir aus der eigenen Geschichte ziehen sollten. Auch wenn es sich dabei um die besten Freunde handelt und vielleicht gerade dann nicht.

    • @Dietrich Görtz:

      Danke. Ich stimme zu. So gut hab ich es in meinen Beiträgen nicht formulieren können.

    • @Dietrich Görtz:

      Würden Sie den Israelis zubilligen, eine andere Lehre aus dem Holocaust und dem 2. Weltkrieg zu ziehen?

      Die Lehre, die man in Israel zieht, ist "Nie wieder Opfer sein."

      Das kann bedeuten, als Reaktion auf einen Terrorangriff einen Krieg zu führen.

      Den Krieg müssen Sie und ich nicht gut finden.

      Vermutlich finden ihn auch die allermeisten Israelis nicht gut.

      Die Jubeldemonstrationen machen zumindest andere gerade.

  • Danke, dass hier eine Expertin zu Wort kommt!



    Der Verweis auf den Ukrainekrieg ist allerdings etwas schief. In diesem Zusammenhang wurde, insbesondere zu dessen Beginn, von den Medien Rassismus gegenüber



    Russen geschürt.



    Ansonsten finde ich auch den Hinweis auf " Bilder im Kopf " über das Thema hinaus wichtig.



    Werden z.B. positive Bilder von AfD Mitgliedern gesetzt, setzt sich das auch im Kopf fest. Demgegenüber gilt das Gleiche für Regierungsmitglieder, die negativ dargestellt werden.

  • Danke vielmals für dieses Interview. Ich hoffr, es findrt Gehör.

  • Identische Kategorien ?

    Zitat: „Es gibt eine internationale Arbeitsdefinition von Antisemitismus, die sogenannte IHRA-Definition, die viele Beispiele von israelbezogenem Antisemitismus enthält.“

    Dazu der israelische Historiker Moshe Zuckermann: „Juden, Zionisten und Israel sind mitnichten identische Kategorien, und sei’s, weil nicht alle Juden Zionisten sind, nicht alle Zionisten Israelis, und nicht alle Israelis Juden. Und weil Juden, Zionisten und Israel nicht gleichzusetzen sind, sind auch (negativ gewendet) Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik voneinander zu unterscheiden. Man kann Zionist sein und dennoch Israel kritisieren. Man kann Jude sein, ohne dem Zionismus anzuhängen. Man muss nicht antisemitisch sein, um sich gegen den Zionismus zu stellen und Israel für seine Politik zu kritisieren. Wohl kann ein Israelkritiker auch antisemitisch sein, aber das besagt nicht, dass da ein zwingender Kausalzusammenhang zwischen beiden Kategorien besteht. „Israelbezogener Antisemitismus“ ist primär ein Slogan, um legitime und notwendige Israelkritik zu verhindern, nicht um Antisemitismus zu bekämpfen.“ (gegenüber der „Berliner Zeitung“ v. 18. 10. 2023)

    • @Reinhardt Gutsche:

      Und?



      Herr Zuckermann widerspricht Herrn Stoller ja nicht.

      Auch Herr Zuckermann erkennt israelbezogenen Antisemitismus.

      Diverse Kommentare zu verschiedenen Israel-Artikeln in der taz belegen gut, wie verbreitet israelbezogener Antisemitismus doch ist.

      Nicht nur unter Rechten.

      • @rero:

        Widersprüche

        Zitat @rero: "Herr Zuckermann widerspricht Herrn Stoller ja nicht."

        Doch, er widerspricht Frau (!) Stoller und ihrer These von einem zwingendem Kausalzusammenhang zwischen Israelkritik und Antisemtismus diametral. Er hält, wie ersichtlich, die Diskursfigur „Israelbezogenen Antisemitismus“ schlicht für einen Politslogan, "um legitime und notwendige Israelkritik zu verhindern, nicht um Antisemitismus zu bekämpfen.“

        Bleibt natürlich die Frage, welchem der beiden Experten für Antisemitismus angesichts ihres jeweiligen Lebenswerkes und ihrer Biografien man die plausiblere Expertise zuschreibt. Die Antwort scheint klar...

    • @Reinhardt Gutsche:

      Besten Dank. Ich verlinke mal:



      www.berliner-zeitu...sraelin-li.2149572

      • @Ingo Bernable:

        anschließe mich - both

        “Einfaltspinsel gleich Ausfallspinsel“



        ©️ Thomas Kapielski - 🙀🥳🧐 -

    • @Reinhardt Gutsche:

      Genau das haben viele Medien nicht beherzigt, zum Beispiel die Tagesschau und der Brennpunkt von heute Abend.



      Das werden die Israelis mal eben als Juden bezeichnet und propalestinensische (nicht pro Hamas!) Demos indirekt als antisemitisch gebrandmarkt.



      So in etwa.

  • Sehr guter Artikel.

    Und hoffen wir, dass es zu keiner Bodenoffensive kommt.

    Im Sinne der Palästinenser, von denen viele umkommen würden, da die Hamas sie als Schutzschilde benutzt.

    Und im Sinne Israels. Es würden viele hässliche Bilder entstehen, welche die arabischen Medien natürlich nutzen würden.

    Der Krieg würde sich mehr und mehr ausweiten. Lachender Dritter: der Iran. Wie es wohl auch geplant war.

    "Die sechs taktischen Gefahren einer Gaza-Invasion"



    www.wiwo.de/politi...sion/29448542.html

  • Die "Antisemitismus Expertin", die tausende palästinensische Todesopfer als "gibt es auch" beiseite schiebt.



    Das ist schon ein starkes Stück Menschenverachtung.



    Angesichts des Terrors der Hamas muss man diese von der palästinensischen und muslimischen Gesellschaft separieren, um sie effektiv bekämpfen zu können.



    Stattdessen bombardiert Israel alles in Gaza zu Staub und Personen wie Stolle leugnen fleißig die zivilen Opfer, die es zu Tausenden inzwischen gibt.



    So erhalten die Terroristen immer mehr Rückhalt in ihrer Gesellschaft.



    Aber vielleicht ist es auch genau das, was die (rechten) israelischen Hardliner wollen: einen endlosen Konflikt.

  • Danke für diese notwendigen Klarstellungen.

    Mögen sie auf fruchtbaren Boden fallen.

    • @Jim Hawkins:

      100% auf den Punkt gebracht, J.H!

    • @Jim Hawkins:

      Anschließe mich.