Innenminister contra „Letzte Generation“: Klima-Kleber kriminell?

Die Union-Innenminister der Länder wollen prüfen, ob die Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung ist. Die Justiz ist da bislang milder.

Eine Person klebt ihre Hand am Asphalt fest

Tanzen sie den In­nen­mi­nis­te­r:in­nen auf der Nase herum? Blockade der Letzten Generation Foto: Boris Roessler/dpa

BERLIN taz | Es ist der Stoff, aus dem die Albträume von In­nen­mi­nis­te­r:in­nen gemacht sind. Eine „maximale Störung der öffentlichen Ordnung“ wollen die Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation künftig verursachen. Die Albträume der Ak­ti­vis­t:in­nen sehen freilich anders aus. Sie verweisen auf die absehbare Knappheit an Lebensraum, Nahrung und Wasser, an der die Menschheit mit ihren CO2-Emissionen schuld ist.

Wie ist umzugehen mit den Menschen, die Straßen und zuletzt den Berliner Flughafen in der Hoffnung blockierten, die klimaschädliche Normalität zu durchbrechen? Die Politik reagiert angespannt. Der Ton wird schärfer. Während die Ak­ti­vis­t:in­nen vor der Klimakrise als Sicherheitsproblem warnen, stehen sie nun im Fokus derer, die die innere Sicherheit qua Amt wahren wollen. Mehrere In­nen­mi­nis­te­r:in­nen prüfen derweil, ob sie wegen der Blockaden ihre Gesetze verschärfen und den Unterbindungsgewahrsam verlängern.

„Der Rechtsstaat darf sich nicht auf der Nase rumtanzen lassen“, erklärte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nach einem Treffen mit seinen Amts­kol­le­g:in­nen aus anderen Bundesländern. Einmal im halben Jahr konferieren die Innenminister:innen. Diesmal beschäftigten sie sich in München explizit mit dem Klimaprotest. Grundsätzlich sei der legitim, räumte Herrmann ein, die Letzte Generation aber verübe dabei „gravierende Straftaten“. Die Polizei müsse diese „effektiv verhindern“, auch mit präventiven Mitteln. „Wir müssen alle rechtlichen Maßnahmen ausschöpfen.“

Auch Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) sprach von „politischen Erpressungsversuchen“. Die Letzte Generation „gängele“ die Allgemeinheit. Es müsse geprüft werden, ob die Gruppe inzwischen eine kriminelle Vereinigung sei, da sie bundesweit koordiniert agiere. „Dieser Verdacht drängt sich auf.“ Die In­nen­mi­nis­te­r:in­nen forderten vom Bund ein Lagebild zu den Protesten ein. Niedersachsens Boris Pistorius (SPD) gab sich bei einer Einstufung als kriminelle Vereinigung indes zurückhaltend: Das entschieden nicht die Sicherheitsbehörden, sondern Gerichte.

Hunderte Verfahren liefen und laufen

In der Justiz ist der Tonfall allerdings milder. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat sich beispielsweise bereits mit der Frage auseinandergesetzt, ob sie die Letzte Generation für eine kriminelle Vereinigung hält. Bescheid: negativ. Dabei beschäftigt die Gruppe die Juristerei gut. Hunderte Verfahren liefen und laufen mittlerweile gegen die Aktivist:innen.

Innenminister:innen Faeser und Herrmann

Bundesinnenministerin Faeser mit dem bayrischen Kollegen Herrmann am 1. Dezember Foto: Matthias Balk/dpa

Allein in Berlin liegt die Zahl schon bei beinahe 900. Erst am Freitag kam ein Neues hinzu: Ein Bilderrahmen in einer Berliner Galerie muss restauriert werden, nachdem eine Aktivistin sich daran festgeklebt hatte. Am Ende blieb etwas Goldfarbe an den Fingern haften und Sekundenkleber am Rahmen. Laut der Staatsanwaltschaft entstand ein Schaden von 2.385 Euro.

Freigesprochen werden die Ak­ti­vis­t:in­nen dabei in der Regel nicht. Meist bekommen sie vergleichsweise niedrige Strafen. In Berlin führten 298 Verfahren bisher zu Strafbefehlen und 24 zu Urteilen mit Geldstrafe. Oftmals artikulieren die Rich­te­r:in­nen sogar Verständnis für das Anliegen der Angeklagten. Ein Münchner Richter etwa gab zu, seiner Meinung nach hätten die drei Ak­ti­vis­t:in­nen auf der Anklagebank in allem Recht, was sie zum Klimawandel und dem Unvermögen der Politik vorgebracht hätten.

Der Argumentation der Aktivist:innen, die Klimakrise sei ein rechtfertigender Notstand für Straftaten, folgen die Rich­te­r:in­nen bislang aber eher nicht. Nur ein Beispiel dafür gibt es bisher: Das Amtsgericht Flensburg sprach Anfang November Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen frei, die Bäume besetzt hatten, um gegen deren Rodung zu protestieren. Die Klimakrise rechtfertige die Aktion. Die Staatsanwaltschaft hat allerdings Revision eingelegt, sodass der juristische Erfolg für die Ak­ti­vis­t:in­nen nicht von Dauer sein dürfte.

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