Grünes Sondierungsteam: Divers wie Weißwurst
Die Grünen kämpfen für Diversität. Da befremdet es, dass ihr Verhandlungsteam nicht eine einzige Person mit Migrationsgeschichte aufweist.
![Cem Özdemir mit Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg Cem Özdemir mit Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg](https://taz.de/picture/5134700/14/28528277-1.jpeg)
T oll, wie die Grünen sich stets für Diversität stark machen. „Was soll das für eine Gesellschaft abbilden?“, klagen sie gerne, wenn irgendwo ignoriert wurde, dass Deutschland nicht nur aus lichtempfindlichen Hell- und Dunkelblonden mit Brustbehaarung besteht. Eine vielfältige, bunte Gesellschaft sei nun mal gesellschaftliche Realität, war bei grünen Wahlkampfterminen landauf-landab über Monate zu hören. Wohl wahr.
Umso mehr verwundert es, dass diese gesellschaftliche Realität sich nicht im Verhandlungsteam der Grünen wiederfindet. Die handverlesene Truppe ist so divers wie Weißwurst. Unter den zehn am Mittwoch veröffentlichten Namen ist nicht ein Mensch mit Migrationsgeschichte. Diese Tatsache ist umso erstaunlicher, als dass zwei Abgeordnete mit Wurzeln in der Türkei und im Iran unter spektakulären Umständen in den Bundestag gewählt wurden.
Cem Özdemir hat mit sage und schreibe 40 Prozent sein Direktmandat gewonnen, während die grünen Zweitstimmen nur bei 28,6 Prozent lagen. Und das auch noch in Stuttgart, einer der Herzkammern der Autoindustrie. Der andere ist Omid Nouripour, der mit 29 Prozent (Zweitstimmen 25,6 Prozent) erstmals den Wahlkreis Frankfurt/Main für die Grünen geholt hat. Das hat nicht einmal Joschka Fischer fertig gebracht.
Stattdessen haben es Politiker*innen ins Team geschafft, bei denen man sich fragt, was sie dort eigentlich zu suchen haben. Da wäre zum Beispiel Michael Kellner, der den verhunzten Wahlkampf der Grünen zu verantworten hat, inklusive des ungeprüften Lebenslaufs von Annalena Baerbock und der Wahlplakate, auf denen die Spitzenkandidat*innen so grünlich aussehen wie Kotz-Emojis. Als Direktkandidat in seinem Wahlkreis Uckermark erzielte er übrigens 5,8 Prozent, weniger als der grüne Zweitstimmenanteil von 7 Prozent.
Oder auch Katrin Göring-Eckardt, die bisher als zweimalige Spitzenkandidatin (2013 und 2017) Bundestagswahlen versemmelt hat, aber nie dafür Konsequenzen ziehen musste. Und dann wäre da noch Ricarda Lang, die bisher eigentlich politisch noch gar nichts vorweisen kann außer einer Menge Follower in den sozialen Medien.
Die Grünen scheinen nach einer hochgeheimen Formel zu entscheiden, bei der ethnische Diversität oder politische Erfolge jedenfalls keine Rolle spielen. Es wird Zeit, dass die Grünen sich der gesellschaftlichen Realität anpassen. Wenn man Diversität nicht nur als glückliche bunte Plakatwelt inszeniert, sondern wirklich ernst meint, bedeutet das eben auch, dass manche auf ein Stück Macht zugunsten anderer verzichten müssen.
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