Gewalt an Frauen: Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
In Frankreich läuft der Pelicot-Prozess, weltweit steigt die Zahl der Femizide. Der Mord an einer Frau sollte ein eigener Straftatbestand sein.
D ie Höchststrafe von 20 Jahren Haft. Das fordert die Staatsanwaltschaft für den Hauptangeklagten im sogenannten Missbrauchsprozess von Avignon. Gisèle Pelicot, wurde zehn Jahre lang von ihrem Ex-Mann medikamentös betäubt und Hunderte Male vergewaltigt. Von ihm und von unzähligen anderen Männern. Vor Gericht stehen 50 Angeklagte, die Behörden gehen von weiteren Tätern aus, sie konnten bislang nur noch nicht identifiziert werden.
20 Jahre Haft. Das ist viel und das ist zu wenig für Taten wie diese. Die Folgen des jahrelangen Missbrauchs werden Gisèle Pelicot für den Rest ihres Lebens begleiten. Das einzig Positive: Sie lebt. Andere Frauen bezahlen die Gewalt ihres (Ex)Partners mit dem Leben. Im vergangenen Jahr wurden weltweit laut der Organisation UN Women 51.000 Frauen von ihrem aktuellen oder früheren Intimpartner getötet. In Deutschland haben 2023 dem Bundeskriminalamt (BKA) zufolge 360 Frauen ihr Leben durch Gewalt verloren. 248 davon waren laut BKA Femizide, also männliche Gewalt gegen eine Frau, weil sie eine Frau ist.
Dass im deutschsprachigen Raum von Femiziden gesprochen wird, gibt es noch nicht allzu lange. Erst nach und nach setzte sich die Erkenntnis durch, dass die gezielten Verbrechen an einer Frau Femizide sind – und dass dies auch genau so benannt werden sollte. Seit die Istanbul-Konvention mit der Maßgabe, Gewalt gegen Frauen einzudämmen, im Jahr 2011 verabschiedet und 2018 in Deutschland ratifiziert wurde, wird tatsächlich öfter von Femiziden gesprochen.
Diese werden durch das Strafgesetz geahndet. Doch die Frage, ob es sich bei der Absicht, die Frau zu töten, um Mord oder „nur“ um Totschlag handelt, ist juristisch noch nicht endgültig beantwortet. Der Unterschied dabei liegt im Strafmaß: Das Gesetz schreibt bei Mord eine lebenslange Haftstrafe vor, bei Totschlag sind es fünf bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe. In Italien, Spanien und Belgien ist man da weiter. Dort ist Femizid ein eigener Straftatbestand. Mit entsprechendem Strafmaß – und klarer politischer Botschaft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Verfassungsrechtler für AfD-Verbot
„Den Staat vor Unterminierung schützen“
Koalitionsvertrag in Brandenburg steht
Denkbar knappste Mehrheit