Geflüchtete an der EU-Außengrenze: Ein Ausdruck von Hilflosigkeit
Die Grünen-Spitze will Migrant*innen per Infokampagne stoppen. Immerhin tun sie damit so, als würden sie das Problem anpacken.
Es ist wirklich eine grandiose Idee der beiden Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck: Wir organisieren mal eben eine groß angelegte Kampagne in Ländern wie Irak und Syrien, um potenzielle Migrant*innen davon zu überzeugen, sich vielleicht doch lieber nicht in einen Flieger nach Belarus zu setzen. Dabei sollte natürlich der Hinweis nicht fehlen, dass es dem Minsker Machthaber Alexander Lukaschenko herzlich egal ist, ob Menschen elendig verrecken – seien es Belaruss*innen in heimischen Knästen oder Kurd*innen bei Minusgraden im Niemandsland zwischen Belarus und Polen.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Eine derartige Aufklärungsaktion, sollte es sie denn überhaupt geben, dürfte komplett ins Leere laufen. Zumindest ist bislang nicht überliefert, dass sich Menschen, die fest entschlossen sind, ihrer Heimat den Rücken zu kehren, durch Appelle von diesem Vorhaben hätten abbringen lassen.
Das wissen wohl auch Baerbock und Habeck. Warum dann trotzdem dieser Vorstoß, der doch vor allem ein Ausdruck von Hilflosigkeit ist? Gründe dafür gibt es viele. Angesichts Tausender Migrant*innen, die teilweise seit Wochen an der EU-Außengrenze unter freiem Himmel und entwürdigenden Bedingungen vor sich hin vegetieren, ist Nichtstun auch keine Lösung. Will heißen: Wir positionieren uns und packen es an. Zumindest tun wir so.
Das ist aber noch nicht alles: In der grünen Wähler*innenklientel dürfte es den Einen oder die Andere geben, der oder die, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, der Aufnahme weiterer Geflüchteter eher ablehnend gegenüber steht. 2015, war da was? Eben. Willkommenskultur war gestern.
Minenfeld Flüchtlingspolitik
Auch in der noch nicht freigeschalteten Ampel scheint Flüchtlingspolitik – vor allem im Hinblick auf die FDP – eher ein Minenfeld zu sein und Konfliktstoff zu bergen. Ergo: Es wäre doch praktisch, blieben die Menschen zu Hause. Dann müsste auch niemand ernsthaft darüber nachdenken, mit Alexander Lukaschenko oder Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Verhandlungen zu treten, um die Krise zu entschärfen.
Aber Baerbock und Habeck haben zum Thema noch mehr im Köcher. Die EU-Sanktionen gegen Belarus müssen verschärft werden, lautet die Forderung – als klares Zeichen, dass man sich von Lukaschenko nicht erpressen lasse.
Einmal abgesehen davon, dass bisherige Strafmaßnahmen den Wahnsinnigen in Minsk nicht haben stoppen können: Dem Oberschleuser Alexander Lukaschenko geht es um sehr viel mehr als nur die Aufhebung der Sanktionen. Vielmehr will er, von Rache getrieben, die Europäische Union in ihren Grundfesten erschüttern. Dafür gibt es schon jetzt viele Einfallstore, und die stehen – auch in der Flüchtlingspolitik – weit offen.
Womit wir bei einem weiteren Punkt wären: Humanitäre Unterstützung für die Geflüchteten, die an der EU-Außengrenze gestrandet sind, so das richtige Credo des grünen Doppels. Dem würde niemand widersprechen, wäre da nicht die Realpolitik. Denn leider spielt Polen nicht mit, christliche Nächstenliebe hin oder her. Humanitäre Hilfslieferungen werden in den Grenzstreifen, wo seit Wochen Ausnahmezustand herrscht, nicht vorgelassen – genauso wenig wie Journalist*innen. Offensichtlich ist es, zumindest bis jetzt, wichtiger, schwere Menschenrechtsverletzungen wie Pushbacks, die klar europäischem Recht widersprechen, zu vertuschen, als Menschenleben zu retten.
Ehrlich gesagt: Eine Lösung, wie mit dieser Situation umzugehen ist, haben nicht nur die Grünen nicht. Niemand hat sie. Aber einen Versuch ist es wert. Das Schreckliche ist nur: Es geht um Leben und Tod – und das jeden Tag ein wenig mehr.
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