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Erster Jahrestag des UkrainekriegsWie der Krieg enden könnte

Gastkommentar von Helmut Däuble

Was sind die roten Linien Russlands? Welche Interessen haben die USA? Der Versuch einer Vorschau auf schmerzhafte Entwicklungen und schmutzige Deals.

Für viele Menschen kommt das Ende des Krieges zu spät Foto: Emilio Morenatti/AP/dpa

N atürlich lässt sich nicht mit Bestimmtheit voraussagen, wann und wie der Ukrainekrieg endet, und nur Scharlatane geben vermeintlich sichere Prognosen ab. Über wahrscheinliche Szenarien, die Kerninteressen und „rote Linien“ der zentralen Akteure ins Visier nehmen, muss dagegen sehr wohl geredet werden.

Dass es Interessen sind, die vorrangig das Handeln von Großmächten bestimmen, ist nichts Neues. Egon Bahr hat es trefflich in folgende Sentenz gekleidet: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“

Fragt man nach Russland und den USA, so kann man beiden ein zentrales Interesse attestieren, ein so großes europäisches Land wie die Ukraine mit solchen Ressourcen an Menschen und Bodenschätzen, mit landwirtschaftlichem, aber auch Hightech-Potenzial ausgestattet, dauerhaft nicht dem politischen Gegner zu überlassen.

Für die Russische Föderation gilt die Ukraine zudem als sicherheitspolitisch notwendige, „eigene“ Einflusssphäre. Eine imperiale großrussische Ideologie unterlegt diesen Anspruch, umgesetzt wird er von einem skrupellosen Schlägertyp. Offensichtlich hat Russland das „Wegkippen“ der Ukraine ins westliche Lager als rote Linie definiert und deshalb einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen.

Bild: privat
Helmut Däuble

lehrt Politik­wissenschaft und -didaktik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Er studierte Soziologie und Politik an der FU Berlin und der New School for Social Research in New York.

Ebenso ist das Festhalten an den bereits seit 2014 – ebenfalls völkerrechtsverletzend – besetzten Gebieten, eventuell sogar dem ganzen Donbass, für Russland nicht verhandelbar. Bei der Krim jedenfalls sind sich auch die westlichen Analytiker einig, würde die Russische Föderation zumindest alle zur Verfügung stehenden konventionellen Waffen einsetzen, um die Halbinsel nicht zu verlieren.

Schaut man sich die zentralen amerikanischen Interessen aus übergeordneter Warte an, so ist nicht Russland, sondern China der Hauptkonkurrent in einer erweiterten bipolaren Weltordnung. Russland steht dabei auf der Seite des autokratischen Chinas, wird aber, wie es Barack Obama schon 2014 formulierte, als „Regionalmacht“ nicht wirklich ernstgenommen (von der Tatsache abgesehen, dass das riesige russische Nuklearwaffenpotenzial nicht außer Acht gelassen wird).

Wenn sich also der kleine Bruder Chinas bei beschränktem eigenem Risiko schwächen lässt, dann ist das geostrategisch gesprochen – neben der Macht- und Markterweiterung durch ein neues Bündnismitglied – eine Gelegenheit, die sich die USA aus realpolitischer Sicht nicht nehmen lassen.

Die Schuldfrage ist zweifelsfrei geklärt

Die Schuld- und Verantwortungsfrage für diesen Angriffskrieg ist nach internationalem Recht allerdings zweifelsfrei geklärt: Die Russische Föderation ist der Täter und die Ukraine das überfallene Opfer, das alles Recht auf seiner Seite hat, sich zu verteidigen.

Dass sich das nicht wiederholt, hat der amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin schon unmittelbar nach Beginn des jüngsten Ukrainekriegs im April 2022 als Ziel der USA formuliert. Es liege in ihrem Interesse, Russland in einem solchen Maße zu schwächen, „dass es die Art von Dingen, die es mit dem Einmarsch in die Ukraine getan hat, nicht mehr machen kann“, und dazu ergänzt: „Wir wollen, dass sie nicht in der Lage sind, diese Ressourcen schnell zu ersetzen.“

Die Lieferung von immer schwereren westlichen Waffen an die Ukraine, in der nächsten Stufe – wenn notwendig – sogar mit Kampfflugzeugen, dient also der Aufrechterhaltung des militärischen Gleichgewichts, welches aus realpolitischer Sichtweise gegenwärtig notwendig und ohne sich abzeichnende Alternativen ist.

Ein beißender Euphemismus für massive Zerstörung

Ebenso dient sie der militärischen Schwächung Russlands: Die Waffenindustrien des Westens können den Verlust an geliefertem militärischem Material in einem Abnutzungskrieg wesentlich schneller wieder ausgleichen als die russischen. Dass „Abnutzung“ ein beißender Euphemismus für massive Zerstörung und unermessliches menschliches Leid ist, soll hier explizit erwähnt werden.

Die waffenmäßige Ausstattung der ukrainischen Armee samt logistischer Unterstützung in dem Maße, dass die russische Armee die sogenannte Kontaktlinie des Minsker Abkommens nicht mehr halten kann, würde jedoch höchst wahrscheinlich eine zentrale russische rote Linie überschreiten. Das Eskalationsrisiko stiege damit unermesslich an, woran auch die USA kein Interesse haben, geschweige denn die Europäer. Ein „Sieg über Russland“ ist daher höchst unwahrscheinlich.

Diese roten Linien sind, je länger der Krieg andauert und je mehr an Material und Menschenleben zerbombt wird, auf beiden Seiten unverhandelbar geworden, wie sich auch auf westlicher Seite zeigen lässt: Wäre ein schneller Sieg der russischen Armee vor einem Jahr von vielen noch achselzuckend als „Was kann man erwarten, wenn der russische Bär sich das ukrainische Karnickel einverleiben will?“ abgetan worden, so haben sich die Wetteinsätze drastisch verändert. Das Halten der nichtbesetzten Ukraine ist für den Westen zwischenzeitlich zu einer Position geworden, von der nicht mehr abgerückt werden kann.

Wie 1948 bei der Blockade West-Berlins, welches mit größtem finanziellen und logistischen Aufwand vom Westen per Luftbrücke gehalten wurde, so ist jetzt eine vollständige russische Besetzung der Ukraine und deren Verwandlung zu einem zweiten Weißrussland nicht mehr duldbar. Der Preis, den der Westen und vor allem Europa bezahlt, von der dauerhaften Erhöhung der Militärausgaben über die Energiekrise bis hin zu einer wohlstandsvernichtenden Inflation, hat einen Point of no Return überschritten: Die Ukraine muss jetzt mit praktisch allen Mitteln als eigenständiger Staat mit einer West-Option erhalten werden.

Die Frage nach dem längeren Atem

Wie also könnte der Krieg ausgehen? Lässt man einmal das niemals auszuschließende Risiko einer nuklearen Eskalation außer Acht, wird sich aus realpolitischer Sicht der Elend, Leid und Flucht bringende Krieg hinziehen. Wenn man davon ausgeht, dass Russland nicht besiegt werden kann, die Ukraine aber nicht verlieren darf, ist die Frage, wer den längeren Atem hat, ausschlaggebend.

Der Westen kann sicherlich noch lange immer schwerere Waffen liefern und wird dies voraussichtlich auch tun. Die russische Armee hat allem Anschein nach ebenfalls noch genügend konventionelle Waffenlagerbestände sowie ein Vielfaches an Menschen, die zum Militärdienst (zwangs-)verpflichtet werden.

In der Ukraine ist allerdings der Nachschub an kampffähigen und -willigen Menschen beschränkt. Wenn der Westen keine Soldaten in den Ukrainekrieg schickt, wovon im Moment auszugehen ist, wird, so die Grundlage für das kommende Szenario, die Kampfkraft der ukrainischen Armee über kurz oder lang abnehmen.

Spätestens in dem Moment – und bis dahin kann der Krieg unglücklicherweise noch länger sehr blutig und zerstörerisch weitergehen –, in dem die westlichen Militärführungen, informiert von insbesondere den amerikanischen Geheimdiensten, zur Überzeugung kommen, dass eine ukrainische Kapitulation droht, geschieht, was historisch nicht selten passiert: Der Interessenausgleich wird hinter verschlossenen Türen diplomatisch ausgehandelt.

So wie bei der Kubakrise 1962, als der Sowjetunion für den Verzicht auf die Stationierung von Raketen auf Kuba unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Abzug von amerikanischen Jupiter-Raketen aus der Türkei zugesichert wurde, so ist mit guten Gründen zu mutmaßen, dass ein solcher Deal auch dieses Mal kommt.

Verhandlungen in Hinterzimmern

Insofern hat der Philosoph Jürgen Habermas – auch von einem realpolitischen Blickwinkel aus – recht, wenn er, aktuell in der Süddeutschen Zeitung, „aus näherliegenden Gründen wie der Erschöpfung von personellen Reserven“ ableitet, es „drängt die Zeit zu Verhandlungen“, wenngleich diese nicht auf offener Bühne, sondern in Hinterzimmern ablaufen.

Voraussetzung dafür ist, dass Russland an einer Absicherung seiner zentralen Ziele und roten Linien interessiert sein wird, und das wird es sein, weil es die roten Linien des Westens ebenfalls kennt und selbst nicht daran interessiert ist, dass die allerschwersten konventionellen westlichen Waffen zum Einsatz kommen oder die Nato direkt mit eigenem Personal eingreift.

Bevor man sich im hier skizzierten Szenario auf ein Schweigen der Waffen einigt, wird möglicherweise vereinbart werden, dass die Waffenstillstandslinie dann nicht mehr wie beim Minsker Abkommen dauerhaft Kriegsfront bleibt, sondern von Blauhelmsoldaten aus Nichtkonfliktparteien samt beidseitiger Demilitarisierungszone überwacht wird.

Zugleich wird man Russland eventuell zusichern, dass die Ukraine auf einen geraumen Zeitraum hin, sagen wir 25 Jahre, verlässlich nicht in die Nato aufgenommen und nur begrenzt militärisch ausgerüstet sein wird – abgesichert durch ein robustes Beistandsabkommen der EU und Großbritanniens.

Die Krim und der besetzte Teil des Donbass werden dann als dauerhaft russische Einflusssphäre akzeptiert, wenngleich die völkerrechtliche Anerkennung versagt wird, ähnlich wie 1967 bei der Besetzung der syrischen Golan-Höhen.

Im Gegenzug wird der Westen sicherlich in einem Memorandum of Understanding die Zurückhaltung Russlands bei einem eventuell kommenden China-USA-Krieg einfordern. All dies nur in Geheimabkommen – denn natürlich würde man das niemals öffentlich zugeben. Und die Ukraine und Russland könnten sich gesichtswahrend als „im Felde“ unbesiegt und standhaft darstellen.

Solche „schmutzigen Abkommen“, welche die roten Linien genauso respektieren, wie sie die Interessen der Großmächte zumindest in zentralen Aspekten berücksichtigen, sind realpolitische Wirklichkeiten, nicht völkerrechtliche Normvorstellungen. Dennoch muss gesagt werden, dass sie, so paradox das klingen mag, wünschenswerter sind als eskalierende Alternativszenarien.

Die Vorstellung, dass das Führen von Verhandlungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt etwas anderes bedeuten könnte, als solche dirty deals abzuschließen, gehört ins Reich des naiven Wunschdenkens.

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90 Kommentare

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  • "ein robustes Beistandsabkommen der EU und Großbritanniens" - das wäre, vor allem was den westlichen Kopf-in-der-Schlinge angeht, äquivalent zu Artikel 5 - der Einsatz westlicher Armeen also vorprogrammiert. Was wäre aus Moskauer Sicht hier der Vorteil gegenüber einer ukrainischen NATO-Mitgliedschaft ? Und aus westlicher ?

    • @lesnmachtdumm:

      Vorteil: Keine NATO-Truppen in der Ukraine.

  • Sicherheitsgarantien sind das Papier nicht wert, auf dem sie niedergeschrieben wurden.

    Praktisches Beispiel ist das Budapester Memorandum. Die Ukraine ließ sich 1994 die Atomwaffen abschwatzen und kriegte dafür eine Sicherheitsgarantie von Russland, Großbritannien und den USA.

    Und was war 2014 bei der Besetzung der Krim und des Donbass durch Russland? Großbritannien und die USA tauchten ab.

    Nur die Mitgliedschaft in einem Verteidigungsbündnis kann helfen aber das will der Autor der Restukraine verweigern.

    • @Gesunder Menschenverstand:

      Das Problem aus meiner Sicht: es existiert faktisch keine unabhängige, neutrale Institution auf internationaler/globaler Ebene, die dem Völkerrecht - gerade für die Schwächeren - zum Durchbruch verhelfen oder es verteidigen könnte. Eigentlich sollten das die UN leisten. Das scheitert jedoch am Willen bzw. den geopolitischen Interessen der einflussreichen Global Player.



      Und also bleibt den Schwächeren nichts übrig, als ihre Zuflucht bei den großen militärischen Machtblöcken zu suchen. Das ist die traurige Wahrheit.



      Vergessen Sie aber nicht: Militärbündnisse haben in letzter Konsequenz die Funktion, die Interessen/Rechte ihrer Mitglieder und Verbündeten notfalls mit Gewalt durchzusetzen bzw. zu verteidigen. Wo sehen Sie da einen Ausstieg aus der globalen Gewaltspirale? Bleibt es letztlich bei der resignativen/fatal(istisch)en Aussage, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf sei?

      • @Abdurchdiemitte:

        Ich vergesse nicht, dass ein Verteidigungsbündnis auch den Verteidigungsfall enthalten kann. Diese Androhung von Gewalt hat bisher erfolgreich Angriffe auf die Nato-Staaten verhindert.

  • Sicher, das ist die große Gefahr, dass die westlichen Regierungen die Ukrainer/innen zu Gebietsaufgaben drängen.



    Es gibt ja eine ökonomische Abwärtsspirale.



    Das Perfide: Putin und co. sind die Menschenleben und die Lebensqualität egal - genau dagegen richtet sich ja ihre Aggression.



    So lange diese Herrscher immer wieder erneut eine Rakete auf ein Wohngebiet abschießen können wird es niemals "Frieden" geben.

  • Der Krieg wird auf eine ganz natürliche weise enden, wenn die Ukrainer weiter mit Waffen versorgt werden und die russischen Soldaten immer auf dem Schlachtfeld sterben, wird ähnlich wie im ersten WK der gemeine Soldat einfach nach hause gehen. Da machen die Führer dann gar nichts gegen. Nicht mal mehr die Wagnertruppe und die Tchechenen.



    Und dann kann verhandelt werden.

    • @Garum:

      Das Dumme ist: Die Russen haben mehr Menschen und können ebenso auf riesige Mengen Vorräte zurückgreifen.



      Die sind zwar weniger hochwertig, aber das Motto der Russen war immer "Quantität hat eine eigene Qualität".



      Es können also auch die Ukrainer zusammen brechen.

      • @Kartöfellchen:

        Nicht vergessen die Russen sind die Angreifer, wenn sich die Erkenntnis breit macht das außer dem Verlust des Lebens nichts zu holen ist, könnte der Überlebenstrieb wichtiger werden.



        Die Ukrainer wollen keine dauerhafte Gefangenschaft, die sind ganz anders motiviert.

    • @Garum:

      "Der Krieg wird auf eine ganz natürliche weise enden, wenn die Ukrainer weiter mit Waffen versorgt werden und die russischen Soldaten immer auf dem Schlachtfeld sterben, wird ähnlich wie im ersten WK der gemeine Soldat einfach nach hause gehen. Da machen die Führer dann gar nichts gegen. Nicht mal mehr die Wagnertruppe und die Tchechenen.



      Und dann kann verhandelt werden."

      So wird es kommen. So ist das übrigens schon seit den ersten Kriegstagen. Es ist nur (noch) keine Massenerscheinung.

      • @Barbara Falk:

        Und was, wenn die Soldaten auf beiden Seiten nach Hause gehen?

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          „Und was, wenn die Soldaten auf beiden Seiten nach Hause gehen?“



          Die ukrainischen Soldaten sind ja schon zuhause.



          Falls Sie meinen, dass es zu Massendesertationen in der Ukrainischen Armee kommen könnte: Das erscheint mir sehr unwahrscheinlich.

          • @Barbara Falk:

            "Die ukrainischen Soldaten sind ja schon zuhause."

            An der Front ist niemand zu Hause.

            Zur Zeit sind Massendesertationen auf beiden Seiten unwahrscheinlich. Aber wir wissen ja nicht, wie sich die Lage entwickelt. Ich würde auf nichts eine Wette abschließen.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          "Und was, wenn die Soldaten auf beiden Seiten nach Hause gehen?"



          Um so besser, oder nicht? Wo ist das Problem dabei?

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Dann wäre der Krieg auch vorbei. Die Ukrainer dürften aber deutlich mehr Motivation haben durchzuhalten.

          Was ich immer komisch finde ist die Aussage, RUS hat unendlich viele Soldaten. Der Faktor Einwohner RUS-UR dürfte bei max. 4 liegen. Die letzten Monate könnte aber das Verhältnis Tote an der Front bei bis zu 10:1 gegen RUS liegen. Deswegen wird die UR auch keinen Waffenstillstand wollen, nicht nur wegen dem Problem dass RUS dann Zeit hat seine Waffenarsenale aufzufüllen, sondern solange RUS so angreift wie aktuell, wird ihm auch das (willige) Menschenmaterial ausgehen.



          Deswegen halte IGH auch die aktuellen Kampagnen, die zu Verhandlungen aufrufen, wie aktuell China oder auch die Vereinigung noAFD/Wagenknecht für aus RUS gesteuert.

  • Da weder die Treffen in Ramstein noch die Münchner Sicherheitskonferenz Aufschluss über eine konkrete, langfristige gemeinsame Strategie des Westens gegenüber Putin-Russland geliefert haben (aber wer weiß schon, was in in „Hinterzimmern“ verhandelt wird), bin ich geneigt, der Analyse Helmut Däubles zuzustimmen.



    Bleibt noch, über die geopolitischen Interessen Chinas in diesem Konflikt zu sprechen: ich denke, die „Eskapaden“ des kleinen russischen Bruders in der Ukraine stören die globalen geostrategischen, auf ökonomische Vorherrschaft zielenden Pläne der Chinesen erheblich, ja durchkreuzen sie möglicherweise … insbesondere, wenn man bedenkt, dass sich die USA offensichtlich auf den „Endkampf“ gegen China im Pazifikraum vorbereiten (und davon abgesehen, dass aus dem selben Grund der russische Angriff auf die Ukraine den Amerikanern auch nicht gerade ins Kalkül passte).



    Von daher auch das Interesse Chinas an einer Verhandlungslösung: man befindet sich auf chinesischer Seite jedoch in der Bredouille - unter dem vermeintlichen Vorsatz, sich als Friedensstifter zu profilieren - , einerseits den Rücken für die Konfrontation mit den USA möglichst schnell wieder frei zu bekommen, andererseits die russischen „Brüder“ (mit weitreichenden Zugeständnissen an die Ukraine bzw. westliche Seite) nicht zu sehr zu düpieren, da da man in China durchaus die überwältigende NATO-Übermacht (gegenüber Russland) erkennt und man sich dort auch nicht über alle Maße engagieren möchte.



    Statt sich in eine militärische Auseinandersetzung um einige ukrainische Äcker zu stürzen, ist die ökonomische (und außenpolitische) „Beackerung“ Afrikas und Lateinamerikas aus chinesischer Perspektive weit lohnenswerter. Der einzige Vorteil für China in diesem Krieg wäre es, wenn sich die USA wirtschaftlich und finanziell dabei ruinieren würden.

    • @Abdurchdiemitte:

      Oder es freut die Chinesen, dass die NATO modernes Equipment und viel Geld in der Ukraine verbrennt, Russland immer mehr auf China angewiesen ist. Während China billige Rohstoffe kriegt und aufrüsten kann.

  • In der Argumentation des Völkerschach spielenden Herrn Däuble finden sich einige erhebliche Schwachstellen, die BUSSARD unten schon treffend ausgeführt hat, insbesondere hinsichtlich einer völlig falschen Einschätzung der Zuverlässigkeit eines russischen Verhandlungspartners, und übrigens auch von Blauhelmmissionen. Zusätzlich erschreckend finde ich aber, dass hier die Ukraine und ihre 42 Mio Bürger in keinem Satz als Handelnde auftauchen. Was wollen die denn, wie werden die sich in verschiedenen hypothetischen Kriegsszenarien verhalten? Das interessiert einen Kalten Krieger offensichtlich nicht. Dabei würde sich hier zeigen, dass die bemühte holzschnittartige Dichothomie zwischen Interessen und Werte-Orientierung an der Komplexität des Lebens scheitert: die Menschen in der Ukraine haben ganz offensichtlich ein massives INTERESSE, in Freiheit und Selbstbestimmung, unter demokratischen Bedingungen zu leben. Viele riskieren dafür freiwillig ihr Leben, massenhaft versuchen Menschen, die russischsprachig aufgewachsen sind, nur noch ukrainisch zu sprechen. Wir wissen nicht, wie viel sie bei ungünstigem Kriegsverlauf am Ende zu opfern bereit sind, das wird nicht im Hinterzimmer ausgehandelt.



    Egon Bahr hatte seine Zeit. Im Heute ist er nicht mehr angekommen. Wie so viele, durch Kalten Krieg und Blockkonfrontation Geschulte.

    • @dites-mois:

      Und noch etwas: ob er es beabsichtigt oder nicht, Herr Däuble reproduziert hier die zarenknechtsche Behauptung eines Stellvertreterkrieges der USA gegen RUS. Das ergibt allerdings keinen Sinn: wäre einer der ursächlichen Gründe für diesen Krieg das Interesse, durch dauerhaftes Köchelnlassen RUS im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit China zu schwächen, hätten die USA die Initiative nicht Putin mit dem 24.2. überlassen müssen, sondern längst seit 2014 für mehr militärische Konfrontation agieren können.

      • @dites-mois:

        Ja, da stimmen wir mal überein … es ist KEIN Stellvertreterkrieg der USA, der da auf ukrainischem Boden ausgetragen wird.



        Denn Russland ist aus US-Sicht nur eine (trotz Atomwaffenarsenal) schon längst deklassierte Regionalmacht, die die globalen amerikanischen Interessen nicht nachhaltig durchkreuzen kann.



        (Putin stemmt sich mit seinem aggressiven Imperialismus natürlich dagegen, aber er kann im Angesicht der NATO-Osterweiterung nur die Fäuste in den Hosentaschen ballen und er wird selbst in der Ukraine scheitern, zumindest was sein ursprüngliches Kriegsziel betrifft, die Liquidierung der Ukraine … und der Besitz der Krim macht aus Russland ja keine Supermacht. Das heißt nicht, dass der russische Expansionismus in den betroffenen Ländern nicht viel Leid und Zerstörung verursachen kann, aber die Interessen der USA „kratzt“ das nicht wirklich an … oder was halten Sie von einer russischen Großmacht, die nicht einmal in ihrem unmittelbaren Einflussbereich die Interessen seines armenischen Schützlings gegen den türkisch-aserbaidschanischen Expansionsdrang verteidigen kann?)



        Das Hauptaugenmerk US-amerikanischer Geopolitik liegt hingegen auf der ökonomischen, politischen (und vielleicht bald militärischen?) Auseinandersetzung mit China … übrigens schon seit Zeiten Barak Obamas.



        Und darum wird es am Ende des Tages wohl einen Deal zumindest um die Krim geben … obwohl das nicht nur aus ukrainischer, sondern auch aus völkerrechtspolitischer Sicht tatsächlich als inakzeptabel zu bewerten ist - erstaunt es Sie, das aus meinem Mund zu hören? - , weil, banal gesprochen, Joe Biden (oder wer auch sonst immer US-Präsident sein wird) das eigene Hemd immer näher sein wird als fremder Leute Hosen.



        Diejenigen, die also auf Friedensdemos den „pöhsen“ US-Imperialismus an dem Pranger stellen, befinden sich zumindest in Sachen Ukraine auf dem Holzweg, wenn auch aus anderen Gründen, als Sie wahrscheinlich vermuten.

        • @Abdurchdiemitte:

          Ungünstigerweise ist das Spiel zu Ende, wenn die USA und Europa die Grenzen ziehen.

          Die UA ist ohne deren Unterstützung weder kampf- noch lebensfähig.

          Sprich: letztendlich fällt faktisch die Entscheidung über den Fortgang in Washington. Insofern kann man mit Fug und Recht von einem Stellvertreterkrieg sprechen.

          • @J_CGN:

            Nicht ganz falsch, dass die USA der entscheidende Faktor für einen Friedensschluss sind … Joe Biden müsste nur zum Telefonhörer greifen.



            Aber vorerst noch ein bisschen abwarten, was die Ukrainer militärisch selbst noch “herausholen” können, bevor die Verhandlungsmasse auf den Tisch kommt … schließlich hat man Milliarden Dollar schon investiert und DAS muss man dem amerikanischen Wahlvolk erklären können. Aber dem durchschnittlichen US-Bürger ist es möglicherweise sowieso gleichgültig, ob in weiter Ferne auf ukrainischen Äckern für ein paar Meter Geländegewinn hin oder her gelitten und gestorben wird … solange nicht die eigenen Jungs involviert sind (da ist Taiwan wahrscheinlich schon eher im Brennpunkt des öffentlichen Interesses).



            Den Ukrainern und allen anderen Europäern dürfte es jedoch nicht egal sein.

          • @J_CGN:

            Völlige Verzerrung des Begriffs. Wenn Sie einem Opfer von Gewalt helfen, das allein zu schwach wäre, sich zu wehren, dann handelt es sich nicht um ihre Agenda gegenüber dem Gewalttäter, sondern um Solidarität mit der unschuldigen Seite.



            Sie wollen die Ukraine einfach nicht als Subjekt sehen, das geht wohl nicht?

            • @dites-mois:

              “Wenn Sie einem Opfer von Gewalt helfen … “.



              Sehen Sie, da liegt der Unterschied zwischen unseren Betrachtungsweisen. Ich denke nicht, das es ausschließlich ehrenwerte Motive sind, der Ukraine zu helfen, sondern eben geopolitische Interessen, die die Handlungen des Westens genau so bestimmen wie die Russlands.



              Zuweilen hilft die analytisch-nüchterne Vogelperspektive eher, einen Konflikt zu verstehen als der emotionale parteiische Blick, auch wenn das jetzt extrem kaltschnäuzig klingt.



              Aber was hilft es, wenn aus der parteiischen, moralisch gefärbten Perspektive heraus eklatante Fehlentscheidungen zustandekommen, etwa wenn der ukrainischen Forderung nach Streumunition nachgegeben würde? Das wäre dann tatsächlich eine Entscheidung, bei der ich aus ethischer Sicht nicht mehr mitgehen könnte, auch wenn ich grundsätzlich für eine



              verantwortungsbewusste militärische Unterstützung der Ukraine plädiere.



              Diese Grenzen der Hilfeleistung deutlich zu markieren und zu kommunizieren, halte ich gegenüber den Ukrainern für geboten. Aber bisher wurde das im westlichen Bündnis kaum bis zum Ende ausbuchstabiert, wie beispielsweise Wolfgang Ischinger im Zusammenhang mit der jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz zurecht monierte (vielleicht, weil westliche Interessengegensätze im Umgang mit Russland nicht zu offensichtlich zutage treten sollen?).



              Und es wäre auch zu billig, sich mit dem Argument aus der Affäre zu ziehen, die Ukraine entscheide über ihre Kriegsziele alleine. Das wäre ein naiver und gegenüber dem ukrainischen Volk absolut unehrlicher Standpunkt.



              Also, wenn Sie so wollen, ein Plädoyer für mehr Verantwortungs- und weniger Gesinnungsethik.

  • Noch einer , der nicht bereit ist, die Ukraine als Subjekt und die Menschen dort als aktive Vertreter ihrer Interessen zu sehen

  • > So ähnlich wird es wohl kommen.

    Auf einer abstrakt-formalen Ebene bestimmt.

    Die Schwäche des Artikels (und die Hybris des Autors) besteht in der Annahme, die roten Linien ungefähr zu kennen. Dabei sind das Suggerieren roter Linien und deren Austesten ebenso wichtiger Bestandteil der Kriegsführung wie der Kampf "im Feld". Und es braucht nur eine kleine Verschiebung der angenommenen roten Linien, damit die Voraussagen des Autors zu einem Logikwölkchen zusammenschrumpfen.

    > Die Frage ist nur, wie viele



    > Menschen noch sterben müssen,



    > bis die Seiten bereit sind, eine



    > schmutzigen Deal zu schließen.

    Ob offizielle Verhandlungen oder Hinterzimmer-Deals - beide sind keine Alternative zu Kriegshandlungen, sondern eine Ableitung aus diesen. Soll heißen: solange die militär-strategische Lage dynamisch bleibt (sei es "im Feld" oder in der Suggestion roter Linien und Eskalationsbereitschaften) wird immer mindestens eine Partei noch keine Interesse an einem Deal haben.

    • @Tezcatlipoca:

      Natürlich gibt es so lange keinen Deal, wie beide Seiten annehmen, sie könnten den Krieg gewinnen.

      Wie viele Menschen müssen also noch sterben, bis sich das ändert?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Wie oft wollen Sie diesen Stoßseufzer denn noch ausstoßen? Denken Sie doch mal nach! Und machen vielleicht mal einen Vorschlag für einen Deal, über den sich dann diskutieren ließe.

        • @dites-mois:

          Steht im Artikel.

          Und ich werde so lange auf die Opfer hinweisen, bis der Irrsinn ein Ende hat.

    • @Tezcatlipoca:

      "Die Schwäche des Artikels (und die Hybris des Autors) besteht in der Annahme, die roten Linien ungefähr zu kennen."



      +++



      z.B. die Annahme, die Demarkationslinie des Minsker Abkommens, sei eine "zentrale rote Linie", von der aus der Weg direkt ins Hinterstübchen führt. Warum das denn?



      Russland hat 30. September 2022 formal mehr ukrainisches Land annektiert, als es überhaupt erobert hat. Seit fünf Monaten findet der Krieg (aus Sicht Putins) ausschließlich auf "russischem Boden" statt, und die russische Armee gibt ständig "russischen Boden" preis. Und verwüstet "russische Städte".



      So was sollte man wissen, wenn man derartige Planspiele anstellt.

      • @Barbara Falk:

        Ich fürchte, die Tragweite des Putinschen Coups vom September letzten Jahres ist im Westen - oder genauer: bei unseren Planspielen hierzulande zu allen möglichen Verhandlungslösungen - noch gar nicht komplett erfasst worden.



        Nach russischer Logik wird in Cherson, Saporoschje, Donezk und Luhansk nur russischer Boden verteidigt … wenn einem das historisch zusteht, worüber sollte man da noch verhandeln?



        Allerdings: die „russische“ Stadt Cherson wird momentan intensiv mit russischem Artilleriefeuer belegt, die ukrainische Stadt Donezk von der der Ukraine. Warum das zerstören, was einem gehört? Wahnsinn des Krieges.



        Aber wahrscheinlich sind meine Fragen zu naiv.

        • @Abdurchdiemitte:

          „Ich fürchte, die Tragweite des Putinschen Coups vom September letzten Jahres ist im Westen - oder genauer: bei unseren Planspielen hierzulande zu allen möglichen Verhandlungslösungen - noch gar nicht komplett erfasst worden.“



          Heute Mittag fanden Sie die Analyse von Herrn Däuble noch ganz toll...

          • @Barbara Falk:

            Na ja, zwischen Zustimmung und Begeisterung besteht immer noch ein himmelweiter Unterschied … “toll” finde ich den Vorschlag Kissingers - über den hier ja auch schon diskutiert wurde - übrigens auch nicht. Es ist nur ein Versuch, den “gordischen” Knoten zu zerschlagen, indem eine klassische Win-Win-Lösung angeboten wird. Der Haken besteht “nur” darin, dass beide Konfliktparteien das nicht so sehen und demzufolge auch dieser Plan ins Leere läuft.



            So also wird das Morden und Leiden weitergehen, auf unbestimmte Zeit. Ob die militärischen Hilfen für die Ukraine den Wahnsinn - der ja unbestritten von Putin aufgetischt wurde - verkürzen oder verlängern (oder eskalieren) werden, liegt ganz im Auge des Betrachters. Es ist so, als wenn Sie sagen würden, das Glas sei entweder halb voll oder halb leer.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    "Die waffenmäßige Ausstattung der ukrainischen Armee samt Unterstützung in dem Maße, dass die russische Armee die Kontaktlinie des Minsker Abkommens nicht mehr halten kann, würde jedoch höchst wahrscheinlich eine zentrale russische rote Linie überschreiten."

    ==

    Realität schlägt höchstwahrscheinlich & Fiktion immer und überall.

    1.Putins Rede -- sein Dekret vom 21. Februar, mit dem sein Edikt vom 2012 über Russlands Position zur territorialen Integrität Moldawiens aufgehoben wurde.

    Putin widerrief seine Anweisungen an das Außenministerium Russlands von 2012, die Grundsätze der Charta der UN – die die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Staaten auf der Grundlage von Gleichheit, Achtung ihrer Souveränität und territorialen Integrität erfordern – und Russlands Verpflichtung nachdrücklich aufrechtzuerhalten aktiv nach Wegen zur Lösung der Transnistrien-Frage auf der Grundlage der Achtung der territorialen Integrität Moldawiens zu suchen.

    Die Aufhebung des Dekrets von 2012 deutet nicht darauf hin, dass Putin beabsichtigt, Moldawien anzugreifen – ein Unternehmen, für das ihm die militärischen Fähigkeiten fehlen –, obwohl es auf eine Eskalation seiner laufenden Bemühungen hindeutet, den moldauischen Staat zu untergraben.

    Klartext: Da die Ukraine Putin bis an die Leistungsgrenzen des russischen Militärs und seiner Milizen beschäftigt knickt Putin in seinen Bemühungen ein Moldau zu untergraben.

    Das bedeutet hinsichtlich der Thesen im Artikel:



    1..Däuble berücksichtigt nicht das Putin auf einer breiteren Front kämpft als nur in der Ukraine - weiteres Bsp. neben Moldawien: - Finnland. Putin hat bislang die Hälfte seiner Truppen von der russischen Seite der finnischen Grenze abgezogen - trotzdem Finnland demnächst Mitglied der Nato wird.

    Der ukrainische Geheimdienst geht davon aus, dass es Putin trotzdem an Kampfkraft mangelt, um seine Offensiven in der Ukraine aufrechtzuerhalten.

    Stärkung der Ukraine = internationale Schwächung Russlands.

  • "Fragt man nach Russland und den USA, so kann man beiden ein zentrales Interesse attestieren, ein so großes europäisches Land wie die Ukraine mit solchen Ressourcen an Menschen und Bodenschätzen, mit landwirtschaftlichem, aber auch Hightech-Potenzial ausgestattet, dauerhaft nicht dem politischen Gegner zu überlassen."

    Diese Aussage - den Konflikt als Funktion der Gegnerschaft USA-Russland zu interpretieren - ist bereits der erste Schritt den Konflikt massiv falsch zu bewerten. Man käme dann auf die völlig falsche Idee, dass ohne die USA/NATO, Russland garkein Interesse an der Annektierung der Ukraine hätte.

    Außerdem haben Sie ja selber dargestellt, dass die antagonistischen Supermächte die USA und China sind. Wenn überhaupt wären hier die Logiken der Nullsummenspiele anzusetzen.

  • So ähnlich wird es wohl kommen.

    Die Frage ist nur, wie viele Menschen noch sterben müssen, bis die Seiten bereit sind, eine schmutzigen Deal zu schließen.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ich stimme Ihnen zu.



      Allerdings ist der Deal für duejenigen, die nicht im Krieg sterben müssen, nicht schmutzig.

      • @Frau Flieder:

        "Allerdings ist der Deal für duejenigen, die nicht im Krieg sterben müssen, nicht schmutzig."



        Wenn das alles so eindeutig wäre...



        Mal angenommen, Russland würde (ein Teil des) Donbass überlassen, und die Kampfhandlungen hörten auf. Alles gut dann? Nein. Das lässt die überall eingerichteten Folterkeller, willkürlichen Verhaftungen und Deportationen in den besetzten Gebieten komplett außer Acht.



        Sprich: solche Deals sind schmutzig für die unmittelbar Betroffenen. Wie immer. Deshalb sind sie ja auch schmutzig.

      • @Frau Flieder:

        Stimmt. Allerdings wenn das den Menschen klar wäre...

  • 6G
    658767 (Profil gelöscht)

    Ziemlich realistisch, wenn Russland nicht den gesamten donbass für unverhandelbar erklärt. Es bleibt die Frage, was mit den Menschen geschieht, die nicht in einem Talibanstaat mit Zwangsrussifizierung leben wollen und wer für die Kriegschäden aufkommt. Umsiedlung, meist wohl in die EU, und die Weigerung Russlands reparationen zu leisten sind da wohl die realistischen Szenarien.

    • @658767 (Profil gelöscht):

      Talubanstaat mit Zwangsrussifizierung?



      Falls es zu der von Däuble skizzierten „Lösung“ unter UN-Beteiligung (Blauhelmeinsatz) kommen sollte, kräht - zynisch gesprochen - kein Hahn mehr danach, was diesseits und jenseits der Demarkationslinie in punkto Menschenrechte passiert … Hauptsache, die Kuh bzw. die militärische Auseinandersetzung ist vom Eis und die am Friedenschluss beteiligten Akteure können sich gegenseitig beglückwünschend auf die Schulter klopfen.



      Auch Selenskyi und Putin werden das so halten, schließlich sind dann beide „Sieger“.



      So ist das eben, leider.

    • @658767 (Profil gelöscht):

      "Es bleibt die Frage, was mit den Menschen geschieht, die nicht in einem Talibanstaat mit Zwangsrussifizierung leben wollen..."

      Die gehen in die Oligarchenrepublik mit der Zwangsukrainisierung.

      Aber im Ernst. Großmächte kümmern sich nicht um Menschen. Es ist doch schon jetzt beiden Seiten völlig gleichgültig, wie viele Menschen draufgehen. Die Opfer des Krieges interessieren nur, wenn man ihren Tod für die eigene Propaganda verwerten kann.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        ""Es bleibt die Frage, was mit den Menschen geschieht, die nicht in einem Talibanstaat mit Zwangsrussifizierung leben wollen..."



        Die gehen in die Oligarchenrepublik mit der Zwangsukrainisierung."



        Solange es keine bestätigten Berichte über Folterkeller oder willkürliche Hinrichtungen auf ukrainischer Seite gibt wie zuhauf auf russischer würde ich behaupten, dass sie damit tatsächlich besser fahren würden.



        Knackpunkt: Putin würde sie nicht lassen. Sonst hätte er erst gar nicht die Ukraine überfallen brauchen.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Und Egon Bahr hat doch recht!

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Aber nur die Tote der Gegenseite; über die eigenen wird Stillschweigen gewahrt, sonst könnten einem ja die Augen aufgehen.

        • @resto:

          So ist es. Wobei eigene tote Zivilisten gern für die eigene Propaganda genutzt werden. Nicht nur in diesem Krieg.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Sie bekommen dann ein Denkmal.

  • Volle Zustimmung zu diesem Artikel.

  • Es ist ja sehr erfreulich, dass hier mal ein Artikel erscheint, der die tatsächlichen Großmachtinteressen auch bei diesem Krieg mal ein bisschen beleuchtet. Danke dafür.



    Und natürlich geht es bei internationaler Politik nie um Menschenrechte oder Demokratie, sondern um die Interessen von Staaten. Die "Interessen von Staaten" sind dabei tatsächlich aber nur die Interessen von mächtigen Minderheiten in diesen Staaten. Wäre dem nicht so, dann müsste man den Menschen nicht seit jeher bis heute mit großem Aufwand windiges Propagandageschwurbel und dreiste Lügen verkaufen, um ihre Zustimmung oder zumindest Akzeptanz für eine im Grunde vollkommen moralbefreite, psychopathische internationale Politik zu erschleichen. Ohne diese durch nichts entschuldbare, strunzdumme Gutgläubigkeit und diesen fatalen, mich zur Weißglut treibenden konformistischen, infantilen Herdentrieb und sonstiges menschliches Versagen wären die "Interessen von Staaten" nämlich andere, könnte internationale Politik ganz anders aussehen. Das ist ja kein unveränderliches, hinzunehmendes Naturgesetz, dass sich Staaten (ja, auch die demokratischen...just saying) auf der internationalen Bühne auf eine Art und Weise verhalten, für die man jedes Individuum einlochen würde. Mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Das ist eine tragische Gemeinschaftsleistung. Zugegebenermaßen sieht es von meiner kleinen Ameisenperspektive gerade definitiv so aus, als würde nix besser, sondern alles rasant schlechter. Aber wer weiß...die Hoffnung stirbt zuletzt.

    • @Merlin von Fantasia:

      "hier mal ein Artikel erscheint, der die tatsächlichen Großmachtinteressen auch bei diesem Krieg mal ein bisschen beleuchtet"



      Mal? Das scheint ja wohl Volkssport zu sein. Die Interessen der Menschen in der Ukraine hingegen scheinen nicht so zu interessieren.

    • @Merlin von Fantasia:

      Richtig. Das fehlt in diesem sehr guten Artikel noch: woher die "Interessen der Staaten" kommen. Den völligrichtig sind das nicht die Interessen, der Bevölkerung, sondern es sind Wirtschaftsinteressen. Und zwar noch jenseits der überaus gutbedienten Wirtschaftsinteressen der Rüstungsindustrie, die es ja nur wirklich in dieser Zeit fett hinten reingeschoben bekommt. Dank billiger Propaganda.

      • @Jalella:

        Interessen der Menschen scheinen Sie nicht so zu interessieren. Die Menschen in der Ukraine haben im Moment weniger wirtschaftliche Interessen, sondern das Interesse: zu überleben. Und das Interesse nach Freiheit übrigens, auch wenn Ihnen das möglicherweise dekadent vorkommen mag.



        PS: mir wär's auch lieber, die Rüstungsindustrie wäre verstaatlicht.

      • @Jalella:

        Russland führt einen Krieg gegen Ukraine. Ukraine möchte, dass der Westen ihr Waffen liefert, damit sie sich gegen Russland verteidigen kann. Waffen werden von der Rüstungsindustrie produziert und kosten Geld.

        • @h3h3y0:

          Ihre schlüssige Argumentation wird gegen Vulgärökonomismus wohl nicht ankommen.

  • Wenn Russland nur die Krim annerktiert hätte, hätte man das als "rote Linie" ansehen können und letztendlich wohl akzeptieren müssen.

    Wenn Russland daneben die Donezk-Republiken bis zur 2014er Demarkationslinie annektiert hätte, entsprechend.

    Nun hat Russland aber 5 Regionen (Oblaste) komplett "annektiert", einschließlich nie besetzter Teile derselben. Damit sind die bisherigen Roten Linien ausgelöscht. Es ist auch nicht zu erwarten, dass Rußland diese Gebietsansprüche so schnell wieder aufgibt und sich damit auf die früher möglichen roten Linien zurückzieht.

    Da die Krim das Asowsche Meer und das westliche Schwarze Meer "beherrscht", ist der Ukraine deren Preisgabe nicht so einfach zuzumuten.

    • @meerwind7:

      Da haben Sie wohl recht. Es geht längst nicht mehr „nur“ um die Krim und den Donbass, sondern um den ungehinderten russischen Zugang zum Asowschen und Schwarzen Meer.



      Na, dann hoffen wir mal inständig, dass Russlands Landhunger damit gestillt wäre … für die nächsten Jahre jedenfalls, bis sie sich wirtschaftlich und militärisch wieder „berappelt“ haben (Zynismusmodus!).

  • Willkommen in der Wirklichkeit!



    Diesseits des Hohns und Schmähs, der über alle, die öffentlich über verhandlungen nachzudenken wagen, ausgegossen wird.

    • @degouges:

      Na ja, die Verhandlungsgrundlagen müssen auch irgendwie realistisch sein, sonst würde doch niemand auf die Idee kommen, Hohn und Schmäh über sie auszugießen.

    • @degouges:

      Wohl alle wollen Friedensverhandlungen, außer: Moskau. Verhandlungen haben Bedingungen und Inhalte. Was Sie hier Wirklichkeit nennen, ist ein sehr schlicht gestrickter Glaubenssatz. Unter Komplexitätsreduzierern grad schwer in Mode.

    • @degouges:

      Sie haben die Aussage des Autors anscheinend nicht verstanden: " Die Vorstellung, dass das Führen von Verhandlungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt etwas anderes bedeuten könnte, als solchedirty dealsabzuschließen, gehört ins Reich des naiven Wunschdenkens."....über "Verhandlungen nachdenken" und einen sofortigen Waffenstillstand zu forden , ist etwas anderes, oder?

      • @Rinaldo:

        Da stimme ich Ihnen zu … trotzdem ist der Eindruck entstanden - gerade beim Lesen so mancher Posts hier in der Kommune -, dass eine totale Niederlage Putin-Russlands die Voraussetzung für den Frieden sein müsse.



        Wenn es hier um den Kampf gegen den Faschismus geht (und nicht bloß lediglich um die militärische Unterstützung der Ukraine, damit sie ihre Souveränität gegen die russische Aggression verteidigen kann) - wie von einigen Mitforisten postuliert - könnte diese Schlussfolgerung sogar naheliegend und konsequent sein.



        Oder etwa nicht? Ich persönlich teile diese Position übrigens nicht.

  • "In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten."



    Dann sollten wir wohl besser schnellsten die Schweiz annektieren bevor es Frankreich tut.



    Aber ernsthaft, das attraktive an einer solchen schmitt'schen Weltsicht ist halt, dass damit alles so schön einfach und übersichtlich wird. Es gibt nur noch Staaten als monolithische Entitäten den man ein rationales und kohärentes Handeln gemäß ihrer Interessen unterstellt, wobei letztere primär geo-strategisch determiniert seien. Damit genügt dann der einfache Blick auf die Landkarte, auf Grenzen, Gebirge, Seehäfen, etc. und schon lässt sich internationale Politik als quasi-mechanisches Uhrwerk erklären. Um festzustellen dass es oft eben nicht die objektiven oder immaginierten Interessen von Staaten sind die das Geschehen in der internationalen Politik bestimmen baucht man sich beispielsweise nur ein paar Aktionen Trumps in Erinnerung zu rufen, die dann doch eher durch innenpolitisches Machtkalkül oder auch nur Dummheit getrieben waren als durch tatsächliche US-amerikanische Intressen.



    "Blauhelmsoldaten aus Nichtkonfliktparteien"



    Wer soll die stellen? Würde Putin wohl Blauhelme an der russischen Grenze akzeptieren die von NATO-Staaten entsandt und ausgerüstet sind?



    "abgesichert durch ein robustes Beistandsabkommen der EU und Großbritanniens."



    Nur warum sollten die sich darauf einlassen für eine abgerüstete und noch immer von Russland bedrohte Ukraine die Sicherheit zu garantieren? Die Chance darauf, dass es Putin in einer solchen Konstellation zum Schwur kommen lassen würde bestünde ja durchaus.



    "Im Gegenzug wird der Westen sicherlich in einem Memorandum of Understanding die Zurückhaltung Russlands bei einem eventuell kommenden China-USA-Krieg einfordern."



    Ich hätte so meine Zweifel was eine solche Zusage Putins letztlich wert wäre.

    • @Ingo Bernable:

      Ich möchte mich an dieser Stelle auch für die Entgegnung bedanken.

      Gerade die EU-Akteure, Frankreich, Deutschland, Polen gewinnen in den nächsten Jahren wahrscheinlich an Gewicht innerhalb der NATO, wegen erhöhter Militärausgaben.

      Die von Autor aufgezeigte Prognose ignoriert schlichtweg den wachsenden Einfluss der EU.

      Es ist leider trotzdem möglich, dass genau so ein Abkommen geschlossen wird.



      Allerdings wäre es kein stabiles Abkommen für die nächsten 10 Jahre.



      Stabilität in Osteuropa gibt es nur mit einer wehrhaften Ukraine. Deswegen ist meine Vermutung, dass Russland allerhöchstens die Krim behalten dürfte und die Ukraine sich abgesehen davon vollständig in EU und NATO integrieren darf.

    • @Ingo Bernable:

      "...baucht man sich beispielsweise nur ein paar Aktionen Trumps in Erinnerung zu rufen, die dann doch eher durch innenpolitisches Machtkalkül oder auch nur Dummheit getrieben waren als durch tatsächliche US-amerikanische Intressen."

      War im Artikel vielleicht etwas undeutlich. Die Interessen von Staaten sind selten nicht objektiv. Die Regierenden definieren nach ihren Ansichten die Interessen.

      Die Suche nach Blauhelmen würde wohl wirklich sehr schwer bis aussichtslos. Allerdings sprach der Autor von Nichtkonfliktparteien. NATO Staaten fallen also bis auf die Türkei und vielleicht Ungarn aus.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Die Regierenden definieren nach ihren Ansichten die Interessen."



        Da verstehe ich politische Theorien wie den Realismus oder die Geostrategie anders als sie. Aber selbst wenn man dieser Sichtweise zuneigen sollte, macht es die Dinge kaum besser, sondern läuft auf ein absolutistisches 'L'état, c'est moi' hinaus das Staat und Herrscher als untrennbare Einheit begreift. Hoffen wir also mal besser, dass Scholz nicht morgen früh aufwacht und aus einer schlechten Laune heraus einige Kürassierregimenter der Bundeswehr gegen Österreich oder Ungarn schickt.

        • @Ingo Bernable:

          Ein Staat hat keinen Willen oder Interessen. Er ist ein totes Gebilde.

          Erst seine Vollstrecker (die Regierung ect.) hauchen ihm Leben ein.

          'L'état, c'est moi'

          Ist eine Variante. In modernen Staaten handelt es sich meist um eine, wie auch immer geartete, kollektive Vertretung.

          "Kürassierregimenter"

          Hat er nicht. Weder Pferde, noch Kürasse. Außerdem darf er nicht allein entscheiden. Ist im Grundgesetz geregelt.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            "Ein Staat hat keinen Willen oder Interessen. Er ist ein totes Gebilde.



            Erst seine Vollstrecker (die Regierung ect.) hauchen ihm Leben ein."

            Ich hätte ja gedacht, die Bewohner desselben spielen dabei auch eine Rolle. Aber so kann man sich irren.

            • @Encantado:

              Da steht "ect.". In manchen Staaten dürfen die Bewohner ja mitbestimmen.

    • @Ingo Bernable:

      Bin ich froh, dass Sie diese Entgegnung geschrieben haben.

      So bleibt mir viel Arbeit erspart und ich schließe mich ihren korrekten Ausführungen einfach an.

    • @Ingo Bernable:

      Stimme weitgehend zu. Was die Blauhelme angeht, die auch bei anderen Konzepten nützlich sein dürften, könnten allerdings NATO-unabhängige Demokratien wie Brasilien und Indien in Frage kommen.

      • @argie:

        Die Sache mit den Blauhelmen ist tatsächlich der schwächste Punkt in Däubles Argumentation … aber immerhin, es kommt Bewegung in unsere Diskussion über Verhandlungslösungen.



        Mögen unsere Beiträge auch in der realen Welt Gehör finden.😉

  • Folgt man dieser Logik, hätte es den Fall der Berliner Mauer und die deutsche Wiedervereinigung niemals gegeben - und daran hat der Eingangs zitierte Egon Bahr sicher auch nicht geglaubt. Also, bitte aus den Geschichtsbüchern nicht das herauslesen, und nur das, -was in den eigenen Kram passt.

    • @Konfusius:

      Haben Sie‘s denn geglaubt, ich meine, zum damaligen Zeitpunkt?



      Heute sind wir natürlich alle schlauer (ob klüger, will ich mal dahingestellt lassen). Und was noch in der Zukunft liegt, können wir auch noch nicht wissen.

    • @Konfusius:

      Sie wissen nicht, wer das war, oder?

      》„Wandel durch Annäherung war das Ergebnis der Tatsache, dass hier eine Mauer gebaut worden war und wir in West-Berlin festzustellen hatten, dass uns kein Mensch half, die Mauer durchlässig zu machen, geschweige denn, sie wegzubringen.“

      „Wandel durch Annäherung“ hieß das politische Konzept, das den Kern der sozialliberalen Ost- und Entspannungspolitik in der Ära Brandt/Scheel bildete. Erstmals öffentlich vorgetragen hat diese Formel der SPD-Politiker Egon Bahr am 15. Juli 1963 auf einer Tagung des Politischen Clubs der Evangelischen Akademie Tutzing. Als Pressechef des Senats von Berlin beriet er damals Willy Brandt, den Regierenden Bürgermeister. Brandt und Bahr deuteten den Bau der Mauer als Zeichen der Angst und des Selbsterhaltungstriebes des SED-Regimes. In seinem Tutzinger Diskussionsbeitrag, Teil eines Streitgesprächs mit dem konservativen Publizisten Matthias Walden, sagte Bahr:

      „Die Frage ist, ob es nicht Möglichkeiten gibt, diese durchaus berechtigten Sorgen dem Regime graduell so weit zu nehmen, dass auch die Auflockerung der Grenzen und der Mauer praktikabel wird, weil das Risiko erträglich ist. Das ist eine Politik, die man auf die Formel bringen könnte: Wandel durch Annäherung.“《

      www.deutschlandfun...naeherung-104.html

      (Und nicht "durch Handel". Was seit James Cook oder so 'Glasperlen gegen alles, was ihr habt' bedeutet...)

  • Wenn man davon ausgeht, dass Staaten "Interessen" haben, kann man in der Tat zu solchen Schlussfolgerungen über das Ende des Ukrainekriegs kommen, die wenig Spielraum für eine wirklich gerechte, nachhaltige Lösung lassen.

    Aber ist das so klar? Sind es nicht eher Regierungen, die Interessen haben? Die sich im besten Fall mit denen von 50-60% des "Staatsvolks" überdecken?

    Wenn man die Sache der "Staatsinteressen" weniger simplifizierend betrachtet, könnte man etwas kreativer werden, was das Ende des Ukrainekriegs anbelangt.

    Wie wäre es z.B. mit einer Lösung, die den Interessen der Putin-Regierung zuwider liefe, aber denen des russischen Staatsvolks entgegenkäme?

    In der Regel profitieren nur Regierungen von expansionistischen Lösungen. Das Staatsvolk höchstens marginal. Oder war etwa der Durchschnittsdeutsche im Kaiserreich besser dran (selbst im Vergleich zum damaligen Weltdurchschnitt) als heute, weil das Territorium größer war?

    Ganz zu schweigen von den Kosten der Sicherung eines Gebiets mit jahrzehntelang "feindlich" eingestellter Bevölkerung.

    Daher könnte das Ziel für ein Ende des Krieges eine Regelung sein, die _territorial_ keine Zugeständnisse macht, aber dafür der Bevölkerung sowohl Russlands als auch der Ukraine eine Perspektive auf eine deutlich bessere Zukunft bietet.

    Ein Teil dieses Konzepts könnte eine von der ukrainischen Zentralregierung weitgehend unabhängige Krim/Donbass sein, bei denen die Umsetzung der demokratischen Standards von der EU und der UN überwacht wird. Die also nicht zu einer Putin-Kolonie werden können.

    Dazu könnten natürlich auch wirtschaftliche "Zuckerbrote" für den Fall eines russischen Rückzugs kommen.

    Die Idee wäre also: Russland kann wieder "groß" werden, wenn es auf das angeblich Staaten inhärente "Interesse" am territorialen Expansionismus langfristig verzichtet. Hat ja auch mit Deutschland funktioniert, das - wie man nicht genug wiederholen kann - zeitweise zu den aggressivsten "Mächten" der Weltgeschichte gehörte.

    • @argie:

      "Wie wäre es z.B. mit einer Lösung, die den Interessen der Putin-Regierung zuwider liefe, aber denen des russischen Staatsvolks entgegenkäme?"



      Ein Lösungsvorschlag aus Russland:



      twitter.com/navaln...627632098608644099

      • @Barbara Falk:

        Ich stimme Herrn Navalny eigentlich überall zu. Gerade Punkt 10 bringt es auf den Punkt, worauf ich hinauswill - Russland ist groß genug und hat sogar noch Probleme, die aus der territorialen Größe resultieren.

        Die Ukraine ist zwar nicht Sibirien, aber dafür ist die Bevölkerung inzwischen für Russland größtenteils "verloren" als Verbündeter, weshalb langfristig rigide Repression und andere teure Maßnahmen nötig wären. Insgesamt dürfte das Kosten/Nutzen-Verhältnis der Besatzung also Nachteile bringen.

        Das Problem bei Navalny ist aber, dass er auf einen Machtwechsel warten will. Das könnte aber, wenn alles so bleibt wie jetzt, noch lange dauern, mit weiteren Tausenden Toten ...

        Der "heilige Gral" dagegen wäre eine Lösung, die Putin zähneknirschend akzeptieren muss und gleichzeitig zum Rückzug seiner Truppen führt.

        Deshalb wäre ein Vorschlag möglichst vieler Mächte (möglichst nicht nur aus der NATO/dem "Westen") für einen Friedensplan, der explizit das Wohlergehen der Bevölkerung und die langfristige Existenz des russ. Staates adressiert, wichtig - damit Putins Propaganda nicht mehr behaupten kann, der "Westen" wolle "die Russen" vernichten oder "Russland zerschlagen".

        Ein solcher Plan kann auch "scheinbare" Zugeständnisse, wie die Aussicht auf einen autonomen Donbass, in dem aber die Demokratie "gesichert" wird (und somit Putins Diktatur entzogen wird), beinhalten (dazu angemerkt: ein nicht-autonomer Donbass könnte nach der langen Besatzung und Propagandabeschallung der Bevölkerung sogar zur Last für die Ukraine werden).

        • @argie:

          "Das Problem bei Navalny ist aber, dass er auf einen Machtwechsel warten will. "



          "Will" ist gut. Er (persönlich) muss. Er wird (wenn er überlebt) solange im Gefängnis sitzen, wie Putin Russland regiert.



          Wie genau die Situation entstehen wird, in der die Menschen in Russland überhaupt eine Wahl treffen können, ist auch erstmal unwichtig. Wichtig ist, dass viele Menschen (Ich würde mal grob schätzen, 15-20 Mio) jetzt schon jetzt hinter dem stehen, was er da formuliert hat. Und je mehr Putin durch den Krieg ins Schleudern und die Wirtschaft in eine Schieflage gerät, um so attraktiver wird die Idee werden. Quer durchs politische Spektrum. Das ist ja kein Parteiprogramm, es geht um viel grundsätzliche Dinge, quasi die Wiederherstellung des politischen Raumes.



          Wichtig wäre, dass der Westen wenn es soweit ist (die Ukraine kann das nicht) deutlich macht, dass dieser Weg nach Europa wirklich existiert.



          Ihre Vorstellung, Putin durch eine wie auch immer breite diplomatische Initiative auch nur einen Quadratmeter Land zu "entziehen" lässt, halte ich (leider) für utopisch. Das wird erst realistisch, wenn seine militärischen Probleme größer werden. Dann wird es aber eventuell gar nicht mehr nötig sein, mit ihm zu verhandeln.



          "ein nicht-autonomer Donbass könnte nach der langen Besatzung und Propagandabeschallung der Bevölkerung sogar zur Last für die Ukraine werden"



          Und die Krim. Aber nicht vergessen, große Teile des Donbass waren bis 2022 nicht besetzt (und nicht "beschallt"). IMO gibt es keine Alternative zur Rückgabe aller Gebiete, mitsamt ihrer Probleme, an die Ukraine. Die Probleme wird sie dann selbst lösen (wenn sie will, mit Hilfe von außen).

          • @Barbara Falk:

            Ich gehe auch davon aus, das eine realistische Friedenslösung wahrscheinlicher wird, wenn der Ukraine noch eine erfolgreiche Offensive wie um Cherson gelingen sollte. So hart das ist (auch dabei sterben Menschen).

            Dennoch: solange der Kern-Donbass (also die 2014 besetzten Gebiete) von Putin kontrolliert wird, kann ich mir leider einen Machtwechsel aufgrund "militärischer Probleme" nicht vorstellen. Und den wird er mit allen Mitteln verteidigen.

            Das heißt: nach einer der nächsten Offensiven wäre die Zeit für einen "intelligenten" Friedensplan am besten. Und wenn diese nicht gelingen sollte, sollte man es zumindest versuchen.

            Ihren Überlegungen stimme ich ansonsten teilweise zu, aber der Weg von 15 bis 20 Millionen Nawalny-Unterstützern bis zu den notwendigen mindestens 50-60 Mio. wird auf jeden Fall hart.

            Der "Westen" und die Ukraine sollten daher dabei nachhelfen, indem sie eben die Punkte, die die Putin-Propaganda so gerne wiederholt, mit transparenten Vorschlägen für eine Nachkriegsordnung neutralisiert, die weder die Ukraine "in den Westen einverleibt", noch sie mit einem Wischiwaschi-Abkommen wie dem Budapester Memorandum abspeist. Hier wäre etwas Kreativität gefragt, zum Beispiel ein atomar abgesicherter Beistandspakt, der auch Indien einschließt.

  • Vielen Dank, endlich ein Artikel, der die Hinergründe beleichtet. Sehr lesenswert!

  • Herr Däuble, ich weiß, Sie schreiben im Konjunktiv, aber letztlich bieten Sie auch nur Spekulationen über ein Ende des Krieges an, was Sie eingangs "Scharlatanen" vorwerfen. Dabei sind einige Ihrer Überlegungen ja durchaus passend, aber an zwei Stellen meiner Meinung nach nicht haltbar:

    1. Wenn die Ukraine nach einem langen Abnutzungskrieg so schwere Verluste hat, dass sie kapitulieren muss, warum sollte Russland gerade dann an einer Verhandlungslösung interessiert sein, die nur den aktuellen Stand (Krim, Donbass) sichert? Ist es gerade dann nicht wahrscheinlicher, dass Russland noch viel weitere Zugeständnisse territorialer wie politischer Art fordert und mit ziemlicher Sicherheit auch mit weiteren militärischen Vorstößen absichert?

    2. Welche Garantie hätten die USA, dass sich Russland an ein geheimes Abkommen hinsichtlich der China-Taiwan-Frage hält und im Fall des Falls seinem wichtigsten Verbündeten gerade dann die Treue aufkündigt, wo doch China auch jetzt gerade Russland offenkundig bei seinem Angriffskrieg unterstützt? Zumal Russland ja nicht einmal im Pazifik aktiv werden müsste, hat es doch mit Moldau, der Ukraine, Georgien, und mit den großen russischen Minderheiten im Baltikum jede Menge Möglichkeiten, unterhalb eines militärischen Beistandes für China für Stress, Ablenkung und Schwächung der USA und seiner Partner zu sorgen. Und Vertragstreue ist nicht Putins Stärke!

    So wie Sie das hier skizzieren, würde die Ukraine, aber auch der Westen jede Menge Kröten zu schlucken und Unsicherheiten zu akzeptieren haben, während Russland alles bekäme, was es sich wünschen kann. So wird das nicht passieren.

    Die Ukrainer haben hohe Verluste, aber die angreifenden Russen haben offenbar noch (deutlich) höhere Verluste, und wir sollten den Ukrainern dabei helfen, ihre Verluste möglichst klein zu halten - d.h. moderne Waffen liefern, die bestmöglichen Schutz für die Ukrainer bieten und es erlauben, die Aggressoren effektiv abzuwehren. Das rettet Leben!

    • @Bussard:

      Scharfsichtig wie immer, sagen wir fast immer.

      Ich schließe mich an.

    • @Bussard:

      Zu den Verlusten: www.merkur.de/poli...dung-91871749.html



      Wenn Sie alle unter 60 mobilisieren, was sagt das über deren Verluste?



      Die Russen haben gerade mal 300K extra mobilisiert.



      Von daher...

      • @Kartöfellchen:

        Es sind nicht alle unter 60 mobilisiert das wären Millionen Soldaten, gehen sie von Millionen toten und Verwundeten auf ukrainischer Seite aus? Es geht um die rechtliche Grundlage Menschen für Arbeiten heranziehen zu können, so braucht die Ukraine im Moment alle die das Stromnetzwerk reparieren können, alle Ärtze etc. Aber der Ukraine werden die Soldaten nicht ausgehen, das ist in keinem Krieg der Moderne passiert. Und Russland hat weitaus mehr als die 300k mobiolisiert, da kommen min destens 50k Gefangene dazu, die ganzen Freiwilligen Regimenter etc.

      • @Kartöfellchen:

        "Von daher..."



        Von daher was?



        Sie scheinen das als Rechenaufgabe (miss)zuverstehen, die sich durch einen Blick in die Wikipedia lösen lässt..



        Die Frage, wie sich die russische Bevölkerung, bzw jeder davon einzelne Betroffene, zur Zwangsmobilisierung stellt, ist doch völlig unbeeinflusst davon, wieviel Zwang der ukrainische Staat gegen die eigene Bevölkerung anwenden muss, um die Verteidigung des Landes zu organisieren.



        Russland hat im Mai-August letzten Jahres versucht, Freiwillige zu werben, das ist krachend gescheitert, trotz lockender Geldgeschenke. Dann wurden 300K Männer zwangsmobilisiert - und genau so viele haben das Land verlassen. Das ist nur die Spitze des Eisbergs - die, die sich eine Flucht leisten konntenn. Die Mobilisierung hat eine echte Schockwelle in der russischen Gesellschaft ausgelöst, die natürlich bei Putin angekommen ist. Er hat, IMO zurecht, Angst davor, das zu wiederholen, und schiebt es deshalb auf "bis zum Letzten". Umso chaotischer und für das System destabilisierender wird die nächste Welle ablaufen.



        Die Idee, einen Angriffskrieg zu beenden und nicht sterben zu müssen, ist einfach eine sehr gute Idee, die jeder versteht, man braucht dafür auch keinerlei politische Vorbildung.

      • @Kartöfellchen:

        Als Ergänzung: Die Ukraine hat ihre vierte Einberufungswelle hinter sich, alle unter 60 sind jetzt mobilisiert. Und mehr lässt sich dementsprechend auch nicht mehr mobilisieren. Russland hat noch ein Reservoir von mehr als 30 Mio. mobilisierbaren Männern und eine schöne jetzt auf Hochtouren laufende Rüstungsindustrie.

        Selbst wenn wir jetzt der Ukrainer jedes erdenkliche technische Gerät zur Verfügung stellen....es wird der Punkt kommen wo dem Land die Soldaten ausgehen.

    • @Bussard:

      Sehr gut! Danke!

  • Danke vielmals, für diesen Beitrag!



    Wäre wünschenswert Herrn Däuble im Bundestag zu hören, in der EU und auch gestern in Polen.



    Der Satz von Egon Bahr sollte auf Plakatwänden stehen.

    • @Frau Flieder:

      „Wäre wünschenswert Herrn Däuble im Bundestag zu hören, in der EU und auch gestern in Polen.“



      Sie loben den Beitrag, ob wohl Sie die Kernaussage nicht verstanden haben. Herr Däuble träumt von Völkerschach im Hinterzimmer, das ist seine „Lösung“.

      • @Barbara Falk:

        „Völkerschach“ findet so und so statt, überall wo politische/diplomatische Lösungen für Zwischenstaatliche oder ethnische Konflikte gefunden wurden oder in Zukunft gefunden werden müssen, wie in der Ukraine.



        Oder setzen Sie eher auf militärische Lösungen? Das kann ja aus pragmatischer Sicht - die moralischen Bedenken lassen wir mal kurz beiseite - in 99 Prozent der Fälle gut gehen. Aber was ist, wenn es mal „daneben“ geht?



        Ich bin mit Ihnen ja einig, dass wir (der Westen) vorerst alles unternehmen müssen, um der Ukraine zu einer günstige Verhandlungsposition gegenüber Putin-Russland zu verhelfen … aber bekanntlich liegt der Teufel im Detail und das fängt nicht erst mit Kampfjets an oder endet bei Streu- und Phosphormunition. Ich weiß ja nicht, welche roten Linien Sie dafür zu überschreiten bereit wären?



        Einige unserer Mitforisten argumentieren auch, es ginge in diesem Krieg über einen Sieg gegen den russischen Faschismus … das würde wohl noch viel weitergehende Implikationen nach sich ziehen, jedenfalls noch andere als nur die Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen.