Erdoğan und die Mohammed-Karikaturen: Steilvorlage für Populisten
Frankreichs Präsident Macron bauscht den islamistischen Mord an einem Lehrer zu einer Grundsatzfrage auf. Das kommt Erdoğan gerade recht.
E s erscheint wie ein Déjà-vu, das an frühere Auseinandersetzungen um Karikaturen des islamischen Propheten Mohammed erinnert: In der Türkei und anderen islamischen Ländern sammeln sich wütende Demonstranten, während in Europa auf Meinungsfreiheit gepocht wird. Dabei ist der Auslöser des aktuellen Konflikts ein ganz besonders trauriger.
Ein französischer Lehrer wurde ermordet, weil er im Unterricht über die Mohammed-Karikaturen diskutieren ließ. Es spricht viel dafür, dass der Mörder Kontakte zu Dschihadisten in Syrien hatte und der Mord keine Tat im Affekt war. Umso mehr hätte dieser Terrorakt deshalb ein Fall für eine professionelle Polizeiarbeit sein müssen und nicht ein Aufhänger für einen scheinbaren Kulturkonflikt.
Man darf annehmen, dass Macron weiß, dass die ganz überwältigende Mehrheit der Muslime in Frankreich den Mord genauso verurteilt wie es alle anderen Franzosen auch tun. Trotzdem hat der französische Präsident nicht gezögert, daraus einen Staatsakt zu machen, der den Populisten in der islamischen Welt nun wiederum die Möglichkeit bot, sich ihrerseits als Verteidiger des angeblich angegriffenen Islam zu gerieren.
Der türkische Präsident Erdoğan hat diese Steilvorlage dankbar genutzt. Angesichts der dramatischen Wirtschaftskrise in der Türkei, die zu einem beispiellosen Wertverlust der türkischen Lira geführt hat, kam Erdoğan die Karikaturenaffäre gerade recht. Und es ist geradezu ein Gottesgeschenk für ihn, dass das französische Satiremagazin Charlie Hebdo jetzt mit einer grenzwertigen Karikatur Erdoğans nachgelegt hat. Nun kann er sich auch noch als Opfer darstellen.
Islamistischer Terror ist eine Bedrohung für Muslime wie Nichtmuslime. Um den Kampf gegen diesen Terror erfolgreich zu führen, darf man nicht zulassen, dass die Mehrheit der Muslime zu Geiseln von Terroristen werden, indem man ihnen eine geistige Mittäterschaft unterstellt. Sonst spielt man Leuten wie Erdoğan in die Hände, die nicht zögern, aus durchsichtigen Motiven einen Scheinkulturkampf anzuheizen.
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