Elektronische Patientenakte: Digitalisierung mit der Brechstange
Medizinische Daten für Patient:innen und Ärzt:innen rasch verfügbar zu haben, ist richtig. Schwierig wird es, wenn die Datennutzung zu weit geht.
W er in Deutschland krankenversichert ist, kann sich schon mal darauf einstellen, demnächst Google und Apple daran teilhaben zu lassen, welche Krankenversicherung sie oder er nutzt. Das ist keine ganz triviale Info. Schließlich gibt es neben dem Unterschied gesetzlich versus privat, der etwa Rückschlüsse auf das Einkommen zulässt, auch regionale Krankenversicherungen oder solche einzelner Unternehmen. Es geht also um valide Datenpunkte, die die Tech-Konzerne sicher dankend annehmen.
Wer sich jetzt fragt, was um aller Welt das soll, der wende sich an den Gesundheitsminister. Karl Lauterbach wünscht sich die elektronische Patientenakte für alle, die nicht explizit widersprechen. Versicherte haben dadurch unter anderem Einblick in ihre Diagnosen, neue Ärzt:innen können die Behandlungshistorie nachverfolgen und Doppelbehandlungen sollen der Vergangenheit angehören. In vollem Umfang verwalten können Versicherte diese Patientenakte allerdings nur mit der App der eigenen Krankenkasse.
Und die gibt es wiederum über die App-Stores von Google und Apple. Nun kann es durchaus sein, dass ein zentraler Ort, an dem die eigenen Gesundheitsdaten gebündelt liegen, für eine große Gruppe von Patient:innen Vorteile bringt. Weil die Ärzt:innen einen besseren Überblick bekommen, weil sich die Medikation besser koordinieren lässt, weil Untersuchungsergebnisse schneller zur Hand sind.
Und ja, wahrscheinlich auch, weil sich aus den großen Datensätzen medizinische Zusammenhänge ablesen lassen, die sonst unerkannt blieben. Aber was Lauterbach derzeit plant, ein „Wer schweigt, stimmt zu“-Modell – das ist Digitalisierung mit der Brechstange. Zumal mit dem Schweigen, wie es sich derzeit abzeichnet, ganz schön vielem zugestimmt werden soll: Nicht nur dem Zugriff für die Ärzt:innen.
Sondern, so es keinen expliziten Widerspruch gibt, auch der Nutzung zu Forschungszwecken von Wissenschaft und Industrie. Was angesichts dessen, dass sich Gesundheitsdaten praktisch nicht anonymisieren lassen, ebenfalls alles andere als trivial ist. Wie wäre es stattdessen, ein gutes Angebot zu machen? Eine digitale Patientenakte, die technisch sicher und intuitiv bedienbar ist, deren Vorteile sich direkt erschließen und bei der die Nutzer:innen gleichzeitig einfach, differenziert und selbstbestimmt Zugriffsrechte und Datenspenden einstellen können?
Ein attraktives Angebot, das viele freiwillig nutzen wollen. Zweifellos wäre das eine Herausforderung, besonders für einen Staat, dessen Digitalisierungsvorhaben bislang nicht als sehr durchdacht aufgefallen sind. Aber es wäre definitiv nichts Unmögliches.
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