CDU will Abriss von Thälmann-Denkmal: Betonköpfe in Pankow

Wegen des Ukrainekriegs will die CDU das monumentale Denkmal abreißen. Was hat der Berliner Kommunist mit Putins Russland zu tun?

Ein Denkmal erinnert an Ernst Thälmann, dahinter Plattenbauten

Erstaunlich widerstandsfähig: Das Thälmann-Denkmal sollte schon oft abgerissen werden Foto: dpa

Es gilt dieser Tage als Zeichen besonderer Reflektiertheit, sich an ewig gestrigen Alt-Linken – ob aus der ehemaligen DDR oder der real existierenden Linkspartei – abzuarbeiten, die Russland aus alter sozialistischer Verbundenheit die Treue halten oder es bis vor vier Wochen noch taten. Dabei wird aber verkannt, dass die Denkrichtung dieser gesellschaftlich unbedeutenden Randgruppe eine weitaus breitere und also gefährlichere spiegelbildliche Entsprechung auf bürgerlicher Seite hat.

Gemeint sind all jene, die beim Wort Russland – oder noch schlimmer: Russe! – weiterhin die rote Gefahr des kommunistischen Feindes sehen. Diese antikommunistisch motivierten notorischen Russlandfeinde haben mit den Russlandfreunden gemein, dass sie mehr als 30 Jahre nach dem Ende der Sowjetunion noch immer nicht realisieren wollen, dass Russland längst ein kapitalistischer Staat ist, der mit kommunistischen Ideen rein gar nichts zu tun hat.

Ein aktuelles Beispiel für diese Alt-Konservativen findet sich in der Pankower CDU. Deren Fraktion hat für die Bezirksverordnetenversammlung am Mittwoch beantragt, die Ernst-Thälmann-Büste in Prenzlauer Berg abzureißen. Das 15 Meter hohe denkmalgeschützte Monument des einstigen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) soll abgerissen werden, weil Russland Krieg in der Ukraine führt. Als Begründung heißt es in dem Antrag, dass Wladimir Putin den Untergang der Sowjetunion „nicht verwunden“ habe und die einstige Weltmacht wiederauferstehen lassen wolle.

Was der in Buchenwald ermordete Thälmann, dessen Fixierung auf den Kampf gegen die Sozialdemokratie trotz der nationalsozialistischen Gefahr auch stramm Linken als fataler Fehler gilt, mit Putins Krieg zu tun hat, führen die Konservativen nicht aus. Stattdessen erläutern sie lang und breit die antidemokratische Grundhaltung Thälmanns und verweisen auf die Begründung für das KPD-Verbot von 1956.

Die Erwähnung der „Darstellung von Hammer und Sichel am Denkmal“ verweist unterdessen auf die eigentliche Motivation: Thälmann soll aus der Erinnerung gestrichen werden, weil er Kommunist war. Und weil Kommunismus in diesem pawlowschen Reflex auch irgendwie Russland bedeutet, kommt der Krieg für dieses Anliegen gerade recht.

Man könnte den Vorstoß der Pankower CDU als unwichtig abtun, als Aufmerksamkeitsgeheische marginalisierter (12,3 Prozent bei der Bezirkswahl) Kalter-Krieg-Kämpfer. Doch das würde dem verbreiteten anti-kommunistischen Ressentiment, das hier zum Ausdruck kommt, nicht gerecht. Bezeichnenderweise sind es ausgerechnet die Grünen, stärkste Fraktion im Bezirk, in Person ihrer Fraktionsvorsitzenden Hannah Wettig, die als Wurmfortsatz der Reaktionäre deren Vorschlag begrüßen.

Laut Berliner Morgenpost verweist Wettig darauf, ihre Partei habe schon Anfang der 90er für den Abriss votiert. Heute kann sie sich auch vorstellen, das Denkmal so zu ändern, dass es gegen „die Verbrechen des Stalinismus und Ernst Thälmanns“ gerichtet ist. Als sei der Platz nicht erst im November mit einer kritisch-künstlerischen Kommentierung des Denkmals umgestaltet worden.

Die Absurdität, den aktuellen Angriffskrieg mit kommunistischen Symbolen oder Persönlichkeiten in Verbindung zu bringen, haben die Geschichtsverdreher hierzulande nicht exklusiv. An der University of Florida wurde jüngst ein nach Karl Marx benannter Gruppenarbeitsraum umgetauft: laut der Universitätsleitung angemessen aufgrund der Ereignisse in der Ukraine.

In beiden Fällen wird der aktuelle Krieg für antilinke Ressentiments missbraucht. Dahinter steckt gleichwohl die Logik, auf die Verbrechen eines Staates mit hilfloser Symbolpolitik zu reagieren. Man kann dies, auch enger gefasst, also auf tatsächliche Verbindungen zwischen dem Symbol und dem betreffenden Staat weiterdenken: Warum wurde nach dem US-Angriffskrieg auf den Irak – oder ein beliebiges anderes Land – nicht das Amerika-Haus oder die Amerika-Gedenkbibliothek gesprengt? Warum wurden nach der chinesischen Unterwerfung Hongkongs nicht die von China als Imagewerbung verschenkten Pandas im Zoo gekeult? Oder, fragt ein Twitter-User, warum wurde nach dem NSU-Terror nicht das Konrad-Adenauer-Haus abgerissen?

Wie man es richtig macht, zeigt aktuell die Potsdamer Gedenkstätte Cecilienhof, wo an die Potsdamer Konferenz zum Ende des Zweiten Weltkrieges erinnert wird. Dort wurden die Blumenrabatten wieder in Form eines Sowjetsterns bepflanzt. Frank Kallensee, Sprecher der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, sagt dazu: Die Sowjetunion des Jahres 1945 dürfe nicht mit der Russischen Föderation des Jahres 2022 verwechselt werden.

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