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BUND-Experte zum Tankrabatt„Die Preise können weiter steigen“

Am Tankrabatt verdienen vor allem die Ölkonzerne, kritisiert Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte beim BUND – und schlägt eine Alternative vor.

Jens Hilgenberg: „Zu allererst verdienen die Ölkonzerne am Tankrabatt“ Foto: Rolf Poss/imago
Interview von Hanna Gersmann

taz: Die Benzin- und Dieselpreise sollen am 1. Juni durch einen Tankrabatt sinken. Genauer: Für drei Monate sinken die Energiesteuern auf Sprit. Das soll Menschen helfen, mit den sprunghaft gestiegenen Preisen besser klar zu kommen. Was ist daran verkehrt?

Jens Hilgenberg: Zu allererst verdienen die Ölkonzerne daran, bei den Autofahrenden kommt der Tankrabatt kaum vollständig an.

BUND
Im Interview: Jens Hilgenberg

Jens Hilgenberg, 46, Leiter Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz. Der Diplom-Politologe und Industriekaufmann ist im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis aufgewachsen.

Genau das soll das Bundeskartellamt erst noch untersuchen. Was macht Sie jetzt schon so sicher?

Wir beobachten schon jetzt einen Mitnahmeeffekt. Dafür muss nur der 30-Tage-Trend betrachtet werden. Am 23. April dieses Jahres kostete der Liter Superbenzin im Bundesdurchschnitt 2,02 Euro, genau einen Monat später lag der Preis bei 2,15 Euro. In derselben Zeit ist der Rohölpreis aber nur von 105 auf 110 US-Dollar pro Barrel gestiegen. Also ist der Rohölpreis umgerechnet gerade mal um 3 Euro-Cent pro Liter gestiegen, an der Tankstelle sind aber 13 Cent drauf gekommen. Und es kann noch schlimmer kommen.

Schlimmer?

Es ist gut möglich, dass die Preise an der Tankstelle im Juni noch weiter hochgedreht werden.

Das müsste Klimaschützer wie Sie eigentlich freuen. Steigende Preise für Benzin gelten als effektives Instrument, um den CO2-Ausstoß zu mindern.

Ja. Darum steht der Tankrabatt auch dem notwendigen Klimaschutz entgegen. Damit ist der Anreiz größer, mehr fossile Energie im Verkehr zu verbrauchen. Damit steigt der CO2-Ausstoß weiter an. Das ist auch mit Blick auf die notwendige Minimierung der Abhängigkeit von Energieimporten kontraproduktiv. Das heißt aber nicht, dass die Regierung Bürgerinnen und Bürgern nicht helfen soll, die von steigenden Preise hart getroffen sind.

Ihre Alternative zum Tankrabatt?

Langfristig muss der Öffentliche Nahverkehr ausgebaut, in Rad-Infrastruktur investiert werden, muss es mehr Car-Sharing-Angebote geben…

Und kurzfristig?

Auf dem Land kann man derzeit nicht überall auf Busse oder Bahn umsteigen. Wer Schicht arbeitet, zum Beispiel drei Orte von zuhause entfernt, kommt da meist nicht ohne Auto hin, schon gar nicht frühmorgens oder nachts. Gutverdienende stecken die höheren Preise besser weg als Ärmere. Darum müssen Entlastungen an die Haushaltseinkommen geknüpft werden.

Oppositionspolitiker aus Union und von der Linken fordern schon jetzt eine längere Senkung der Energiesteuer.

Das ist die völlig falsche Richtung. Alle wissen, dass wegen der Erderhitzung umgesteuert werden muss. Das heißt aber nicht, dass alle Menschen auch im ländlichen Raum in fünf Jahren komplett auf ihr Auto verzichten müssen und sollen.

Aber?

Aber das Mobilitätsverhalten sollte hinterfragt werden. Ist der Zweit- oder gar Drittwagen wirklich nötig? Mehrere und große Autos leisten sich vor allem reichere Haushalte, diese brauchen keine staatliche Hilfe. Hingegen liegt derzeit der für Verkehr vorgesehene Betrag für Hartz-IV-Empfangende bei 40,27 Euro. Das reicht oft nicht einmal für ein ÖPNV-Monatsticket in der Stadt, geschweige denn für die Finanzierung eines Autos auf dem Land.

Das heißt für die Zukunft?

Die Hilfen für Ärmere müssen erhöht und die ÖPNV-Tickets müssen günstiger werden.

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25 Kommentare

 / 
  • Wieso fällt dem BUND nicht ein, die Übergewinnsteuer zu fordern?

    "Hohe Spritpreise



    Zeit für eine Steuer auf Übergewinne der Energiekonzerne

    Die Preise an der Tankstelle sind zuletzt viel stärker gestiegen als die Spritpreise auf dem Weltmarkt – ein Beispiel, wie Energie- und Rohstoffkonzerne gerade sogenannte Übergewinne einstreichen"



    www.deutschlandfun...ergewinne-100.html

  • Die Folgen der freien Marktwirtschaft!



    Dieses System, das an allen Ecken und Enden nicht funktioniert, muss dringend reformiert werden.



    Das geht natürlich nicht mit CDU/CSU und schon gar nicht mit der FDP.



    Also weiter so und Klappe halten!

  • "Damit ist der Anreiz größer, mehr fossile Energie im Verkehr zu verbrauchen."



    So ein Quatsch! Ich fahre doch nicht absichtlich mehr, nur weil der Sprit etwas billiger wird. Ich fahre was ich fahren muss, weil es keinen funktionierenden ÖPNV in unserem Ort gibt.

  • Ich halte Diskussionen um Tankrabatt und/oder Entlastungen für ziemlich witzlos. Beide werden durch erwartbare Energiepreissteigerungen zur Bedeutungslosigkeit herabsinken.



    BTW: Auch Strom wird nicht billiger werden.

  • Dito! So ließe sich ökologische und soziale Politik verknüpfen und gleichermaßen umsetzen.



    Blöd nur, dass Wohlhabende und ihr Autowahn benachteiligt werden. Wir sollten uns mit jenen solidarisieren! Schließlich wolle mensch eigentlich dem kleinen Mann das Auto wegnehmen. Um das zu verhindern, sollten wir CDU, FDP wählen, die SPD ginge zur Not auch noch. Schließlich setzt auch sie sich für freie Fahrt in den Städten ein - wie bspw. Giffey in Berlin. ;-/

  • Es hilft nur ein staatlich festgelegter Höchstpreis für Kraftstoffe, wie es ihn in Luxemburg, Kroatien und Belgien gibt.



    Der Abstand zu Luxemburg hat sich z.B. für Diesel von 8 Cent auf 16 Cent erhöht, zeitweilig waren es über 35 Cent….

  • Könnte man Schwedt nicht verstaatlichen und dann in Berlin wenigstens an 10 Tankstellen kostengünstigen Sprit anzubieten.



    Ohhh, Sozialismus, uhhhh.

  • Das Interview zeigt, wie es aussieht, wenn von einer gut klingenden Idee (ÖPNV) nur die Vorteile erwähnt, die Nachteile aber verschwiegen werden. Ein wichtiger Nachteil besteht darin: „Privatverkehr“ geht jederzeit und von Haustür zu Haustür, ÖPNV dagegen von Haltestelle zu Haltestelle und nur zu den festgelegten Fahrzeiten.



    Für mich sah es einige Jahre lang so aus: Die Arbeitsstelle lag im Nachbarort. Bis zum Bus hatte ich 15 Minuten Fußweg (bei Wind und Wetter). Der Bus brauchte 15 Minuten zum Nachbarort, wo ich in die Straßenbahn umsteigen musste. Diese quälte sich dann weitere 25 Minuten quer durch die Stadt von Haltestelle zu Haltestelle, bis ich (zum Glück) direkt an der Firma aussteigen konnte. Mit dem Auto schaffte ich das locker in 20 Minuten und blieb irgendwann dabei.



    PS: Durch Umzug und Arbeitsplatzwechsel erreiche ich inzwischen die Firma in 10 Minuten zu Fuß. Aber ich vergesse nicht, dass die meisten Pendler nicht so viel Glück haben!

  • Gas + Öl aus Russland

    Wir versuchen Putin zu bestrafen indem wir Gas+Öl woanders kaufen.

    Was ist bis jetzt erreicht:



    Langsam reduzieren wir unsere Energie-Käufe bei Putin, wir zahlen weniger an Putin. Dafür aber viel mehr insgesamt und die Einnahmen von Putin sind auch kräftig gestiegen.

    Eine win-win-Strategie à la Annalena/Robert/Cem !?

  • Ist das Bundeskartellamt schon jemals gegen die Preiserhöhungen vor Ferien usw. erfolgreich vorgegangen?



    Mal davon abgesehen ist der Tankrabatt kontraproduktiv und füllt hauptsächlich den Ölkonzernen weiter die Taschen.



    Es besteht offensichtlich kein politischer Wille dagegen vorzugehen.

  • wahrscheinlich wird der Spritpreis bis zum 31.5. auf 2,30 € steigen und dann wundersam auf 2 € sinken. Die Steuerermäßigung muss doch mitgenommen werden... Aber von Gewinnabschöpfung für "Kriegsgewinnler" ist ja keine Rede mehr. Wer mit Bleifuß weiterfährt, wird unterstützt und kann ja, wie der Finanzminister, dafür einen Baum kaufen. Und wo bleibt der 100 Mrd.-Fonds zur Aufrüstung des ÖPNV, mit anschließenden 2 % des BIP jährlich für den ÖPNV? Die Verkehrsunternehmen kündigen ja schon an, dass sie nach dem Ende der 9 €-Zeit ihre Preise deutlich erhöhen müssen.

  • Der Tankrabatt ist eine schlechte Idee, aber im Interview wird keine kurzfristige Alternative genannt.

    Mein Vorschlag: Einmalzahlungen von 50 € an jeden Landbewohner für die Monate Juni, Juli, August. In diesen Monaten gilt das 9 € Ticket, das aber nur Stadtbewohnern wirklich hilft, denn wo es keinen sinnvollen ÖPNV gibt, ist jede Preissenkung sinnlos.

    Der Bund gibt jetzt 2,5 Milliarden Euro für diese Tickets aus, die Länder nochmal 1,2 Milliarden Euro. Daneben fördert der Staat den ÖPNV jedes Jahr mit 11 Milliarden Euro. Insgesamt sind das pro Stadtbewohner 228 €.

    Außerdem gibt es ein Gehaltsgefälle von der Stadt zum Land, d.h. man nivelliert damit auch das soziale Ungleichgewicht.



    Die 3x50 € sind daher eine sozial und ökologisch verträgliche Alternative zur Energiesteuersenkung.

    Quellen:



    Stadtbevölkerung 77,5% der Einwohner Deutschlands:



    de.statista.com/st...ten/studie/167166/



    9€-Ticket und 2,5+1,2 Milliarden Euro:



    www.bundesregirung...uro-ticket-2028756



    11 Milliarden Euro für ÖPNV:



    www.rp-online.de/66051895

    • @Alexander Schmidt:

      Landbewohner*in zu sein ist jetzt also eine soziale Härte die die Solidargemeinschaft auszugleichen hat? Wie wäre es, denn mit Beihilfen für die Eigentümer*innen von spritfressenden 12-Zylinder-Karossen und Villenbewohner*innen die so furchtbar viel Fläche beheizen müssen?



      Wer auf dem Land wohnt tut das idR aus freien Stücken, der Umzug in die Stadt ist jederzeit möglich und da die meisten Landbewohner*innen eben nicht zu knappen Löhnen vor Ort arbeiten, sondern täglich in die Stadt zum Job pendeln und nur deshalb auf dem Dorf wohnen weil sie sich da das EfH noch leisten können wäre das auch durchaus fördernswert. Das Leben in kleinen Dörfern war vor der mechanisierten Landwirtschaft ein sinnvolles Modell weil es einen Grund gab dort zu sein, aber es ist eben kein sinnvolles Modell für die digitalisierte Dienstleistungsgesellschaft des 21. Jahrhunderts.



      "Daneben fördert der Staat den ÖPNV jedes Jahr mit 11 Milliarden Euro. Insgesamt sind das pro Stadtbewohner 228 €."



      Diese Förderung greift aber doch vA dort wo der ÖPNV sich nicht von allein trägt, kommt also primär auch jenen zu Gute die sie im Sinn haben. Dort wo Nachfrage nach S-Bahn im 5-Minuten-Takt besteht braucht es diese Förderung nicht.

      • @Ingo Bernable:

        > der Umzug in die Stadt ist jederzeit möglich

        Natürlich. Wenn Sie das Glück haben, jemanden zu finden, der Ihnen in einer passablen Lage noch um 13 Euro kalt was vermietet. Und das ist noch ein Schnäppchen.

        Das Problem ist: Es ist nicht einfach nur teuer, sondern Sie müssen auch erstmal was finden. In Berlin ist es jedenfalls keineswegs mehr so, dass der Umzug dorthin jederzeit möglich wäre.

        • @Carcano:

          Sie haben völlig recht.



          Das Problem wurde jahrelang verschleppt. Von heute auf morgen lässt es sich nicht lösen!







          Eine Zuzugssperre wäre eine kurzfristige Teillösung, bis die Anzahl der bezahlbaren Wohnungen halbwegs im Balance ist mit der Anzahl der Bevölkerung mit niedrigem Einkommen.



          Ansonsten findet wie jetzt das Hase-Igel-Spiel weiter statt - oder ein Wunder geschieht oder das krasse Gegenteil.

          Mit diesen Leuten im Senat wird es nicht funktionieren. Es wird also genauso weitergehen, wenn nicht von außen eine radikale Lösung aufgezwungen wird. Ein Anfang wäre DW & Co enteignen.

    • @Alexander Schmidt:

      sie vergessen die Kosten des Tankrabatts den Kosten des 9Eurotickets gegenüber zu stellen. Das ist die aktuelle Maßnahme der Regierung für die Autofahrer. Der Tankrabatt kostet ein vielfaches im Vergleich zum 9 Euro Ticket.



      Das der Tankrabatt nicht zielgerichtet ist und verbesserungswürdig einmal außen vor, aber zu sagen die regierung tut nichts für die Autofahrer stimmt nun auch wieder nicht. Sie tut nur vermutlich das Falsche.

      • @nutzer:

        Ein Vielfaches? Woher haben Sie die Zahl? Es wird mit 3,13 Mrd. gerechnet.

        www.klimareporter....ei-milliarden-euro

        Wenn die Zahlen von AS stimmen, ist das ziemlich identisch.

        Das der Tankrabatt Murks ist, seh ich genauso.

  • 9 € Tickets für Alle!



    Hilft ja auch für Obdachlose (siehe WAHRHEIT)

  • Genau so. Tankrabatt ist hirnrissig, das wissen auch alle mittlerweile.

    Tanken soll ruhig teurer werden. Diejenigen, die müssen, aber nicht können sollen gezielt unterstützt werden.

    Erstaunlich, dass gerade die, die sich früher immer über "Giesskannen" aufgeregt haben jetzt die allergrösste auspacken wollen.

    • @tomás zerolo:

      es ist halt immer eine Frage des Standpunkts und jetzt steht die FDP mal auf der belasteten Seite, da kann man schon mal Prinzipien vergessen...



      Mich wundert am meisten mit welcher Verve die FDP den Markt aushebelt und auf Subventionen setzt, wenn es um die eigene Klientel geht, aber immerhin haben sie daran gedacht, das die Subventionen in der Wirtschaft landen und dort die Kasse klingeln lassen. Eine bloße Kompensation bei Belasteten, wäre ja schließlich wirtschaftfeindlich. Irgendwie muß der Manager ja seinen Dienst BMW bezahlen...

      • @nutzer:

        Ja, die Parallelen zum "Mövenpick-Rabatt"-Desaster sind schon auch frappierend, nur - dieses Mal ist es noch viel dümmer: haben damals immerhin noch tausende Hoteliers (m/w/d) davon profitiert, so kann man dieses Mal keine_n einzige_n tatsächliche_n Wähler_in als Profiteur ausmachen, da die Mineralölkonzerne alles Kapitalgesellschaften sind, die meisten davon mit Sitz im Ausland.



        Daß man als Spendenkönig keine Wahl gewinnt, das sollte die FDP eigentlich wissen.



        Heute wie damals werden auch sehr viele echte FDP-Wähler_innen merken, das "ihre" Vertreter in der Regierung absoluten Blödsinn verzapfen und als Reaktion zuerst von Cayenne auf Taycan, danach zu den Grünen wechseln.

      • @nutzer:

        Ich hoffe, dass die Erstwähler der letzten Bundestagswahl sich nach ihrem Kreuzchen bei der FDP jetzt auch genau ansehen, was für eine Politik diese Partei betreibt: Das junge Image verschleiert eine rückwärtsgewandte, spätkapitalistische Klientel-Politik, die keine Antworten auf aktuelle Probleme hat. Mit Imagepflege statt Inhalten (z.B. nicht mehr zw. CDU und AFD sitzen oder dem Kapern des Wortes "Freiheit" als Markenkern) hat die FDP nicht zufällig den größten Werbeetat pro Kopf Bundestagabgeordnete um den Zeitgeist für sich einzuspannen und zum Markenartikel zu werden ...

        • @Christian Lange:

          Die FDP ist der Wolf im Schafspelz. Seit Jahren kennen die nur ein Thema. Steuern für Unternehmen runter - das hat natürlich soziale Konsequenzen, die zugegeben ganz gut verschleiert werden.



          Lindner als Staatsmann - lächerlich!

  • Das interessiert unsere reflexionsarme Politikerkaste aber nicht, außerdem kommen solche Einwände erstaunlicherweise immer erst nach den Beschlüssen ... Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte beim BUND, ist damit leider zu spät dran, warum hat ihn blos keiner vorher danach gefragt?

    • @Moe479:

      Womöglich waren die Termine alle schon mit Gesprächen mit Auto- und Ölindustrielobbyist*innen belegt. ;-)