Start des 9-Euro-Tickets: Nahverkehr wie Woodstock

Mehr als sieben Millionen 9-Euro-Tickets wurden vor dem Start verkauft. Branchenvertreter erwarten Gedränge in den Zügen wie bei einem Rockkonzert.

Das 9-Euro-Ticket in digitale Form auf einem Handy und anlag als ausgedruckte Fahrkarte

Das 9-Euro-Ticket gibt es digital im Internet und an Fahrkartenautomaten zum Ausdrucken Foto: Emmanuele Contini/imago

BERLIN taz | Mehr als sieben Millionen Menschen haben bereits vor dem Start am Mittwoch ein 9-Euro-Ticket gekauft. „Im Herzen der Menschen in Deutschland hat dieses Ticket bereits einen festen Platz“, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bei einem Online-Pressegespräch am Dienstag.

Das 9-Euro-Ticket kann für den Juni, Juli und August erworben werden. Es gilt bundesweit im Nah- und Regionalverkehr. Der Bund zahlt den Ländern dafür 2,5 Milliarden Euro. Für den auch ab 1. Juni anlaufenden Tankrabatt in Form von Steuersenkungen stellt der Bund mehr als 3 Milliarden Euro bereit. Beides ist Teil des Entlastungspakets von SPD, Grünen und FDP, mit dem die hohen Energiekosten abgefedert werden sollen.

Hinter den bislang verkauften sieben Millionen Fahrkarten stehen zusätzliche Kund:innen, sagte Wissing. Denn für Stamm­kun­d:in­nen mit Monatskarten, Job- oder Semestertickets gilt das 9-Euro-Ticket automatisch. Sie können ihre Karte bundesweit nutzen, der Differenzbetrag zwischen den 9 Euro und dem von ihnen gezahlten Preis wird erstattet. Bei Job- oder Semestertickets suchen die Beteiligten noch nach Lösungen. Mancherorts soll etwa die Summe mit der Zahlung für das kommende Semester verrechnet werden. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) geht davon aus, dass bis zu 30 Millionen Menschen – einschließlich Stamm­kun­d:in­nen – von dem Angebot Gebrauch machen könnten.

Unklar ist, wie und wie oft die Kun­d:in­nen das Ticket nutzen werden. Klar ist aber, dass die Reserven der Verkehrsbetriebe und der Deutschen Bahn nicht ausreichen, um den Ansturm vor allem auf attraktive touristische Strecken zufriedenstellend zu bewältigen. Ein „Woodstock“ und ein „schönes Happening“ im ÖPNV erwartet der VDV-Hauptgeschäftsführer, Oliver Wolff, für die Fahrgäste. „Ich rate zu ein wenig Gelassenheit. Bei einem großen Konzert steht man auch im Gedränge“, sagte er.

Gestritten wird in einigen Ländern noch darüber, ob das 9-Euro-Ticket auch auf Fernverkehrsstrecken der Deutschen Bahn gilt, die auf bestimmten Abschnitten als Nahverkehr firmieren, weil es dort kein anderes Angebot gibt. „Darüber wird verhandelt bis zuletzt“, sagte Wolff.

Länder wollen mehr Geld

Angesichts der prekären Lage der Verkehrsunternehmen ist auch ungewiss, wie es nach dem 9-Euro-Ticket weitergeht. Einige Länder hätten signalisiert, dass sie die Ticketpreise nach dem Auslaufen erhöhen müssten, sagte die Bremer Verkehrs­senatorin Maike Schae­fer (Grüne), zurzeit Vorsitzende der Lan­des­ver­kehrs­mi­nis­te­r:in­nen­kon­fe­renz. „Das ist kontraproduktiv“, meinte sie weiter. Schließlich soll das 9-Euro-Ticket dazu dienen, einstige Kun­d:in­nen zurückzuholen und neue zu gewinnen.

Die Länder fordern mit Hinweis auf gestiegene Energie- und Personalkosten für 2022 weitere 1,5 Milliarden Euro. „Wir brauchen zusätzliche Mittel vom Bund, Kommunen und Länder können nicht alles ­stemmen“, sagte Schaefer. Der ÖPNV müsse vor allem auf dem Land ausgebaut werden. „Wenn ich auf dem Dorf wohne, wo nur zweimal am Tag ein Bus fährt, nützt mir ein verbilligtes Ticket nichts“, führte sie aus. Umweltverbände fürchten ein „Strohfeuer“ aufgrund der zeitlich begrenzten Geltung und fordern ebenfalls mehr Geld und langfristig niedrigere Preise.

Bislang ist Wissing nicht bereit, mehr für den ÖPNV zu zahlen. Er will Erkenntnisse aus der Einführung des 9-Euro-Tickets abwarten. „Am Ende steht die Finanzierungsfrage nicht am Anfang“, sagte er.

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