Diskussion in Bundestagsfraktionen: Ringen um den AfD-Verbotsantrag
Eine Gruppe um CDU-Mann Marco Wanderwitz will im Bundestag ein AfD-Verbot beantragen. Doch der Widerstand in den Fraktionen wächst.
Die FDP- und BSW-Fraktion waren von Beginn an gegen das Vorhaben. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sprach vom „dümmsten Antrag des Jahres“. Man könne einen unliebsamen Konkurrenten nicht mit der Verbotskeule erledigen.
Auch in der Union ist der Widerstand groß. Ursprünglich war dort geplant, das Thema am Dienstag in der Fraktion zu besprechen – doch der Tagesordnungspunkt wurde um eine Woche verschoben. Laut dem Parlamentarischen Geschäftsführer Thorsten Frei stehen nur 7 der 196 Unions-Abgeordneten hinter dem Antrag – einer von ihnen ist Wanderwitz. In der Fraktion herrsche „maximale Zurückhaltung“, sagte Frei am Dienstag. Im Laufe der Woche solle es ein Gespräch der sieben Abgeordneten mit Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz geben. Er gehe nicht davon aus, dass die Zustimmung über die Siebener-Gruppe hinausgehe, so Frei.
Merz und Frei haben sich bereits mehrfach gegen den Verbotsantrag ausgesprochen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte am Dienstag, er gehe davon aus, dass es unter den CSU-Abgeordneten gar keine Unterstützung für den Antrag gibt. Er habe zwar keine Zweifel, dass es in der AfD radikale und extremistische Kräfte gebe. Doch die Partei müsse politisch bekämpft werden, so Dobrindt. „Man muss die AfD wegregieren.“ Ein Verbotsantrag sei „vollkommen falsch und kontraproduktiv“. Alle „Gedankenspiele“ eines gemeinsamen Antrags von Ampel-Abgeordneten und der Union könne er „eine klare Absage erteilen“, so Dobrindt – Wanderwitz und die anderen sechs Christdemokraten ließ er dabei unter den Tisch fallen. Merz pflichtete dem CSU-Mann am Dienstag bei: Er sehe es ganz genau so.
Grüne zeigen sich ambivalent
Ambivalent äußerte sich auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. Am Dienstagnachmittag wollte ihre Fraktion über den Antrag beraten. „Wir Grünen sagen ganz klar, die AfD ist eine brandgefährliche Partei“, sagte Dröge zwar. Überall da, wo sie Einfluss bekomme, nutze sie diesen „um die Demokratie in Frage zu stellen, den Parlamentarismus zu zerstören und das freiheitliche Leben in diesem Land zu gefährden“. Das habe sich in Thüringen gerade eindrucksvoll gezeigt. „Die AfD ist so gefährlich, dass man ein AfD-Verbotsverfahren prüfen muss“, sagte Dröge.
Prüfen aber ist etwas anderes, als ein AfD-Verbot zu beantragen, wie es der Antrag vorsieht. Und Dröge forderte erstmal die Innen- und Justizminister von Bund und Ländern auf, „endlich“ eine Beweissammlung zu erstellen, auf deren Grundlage der Bundestag eine „fundierte Entscheidung“ treffen könne.
Und Dröge gab zu bedenken, dass ein Antrag im Bundestag nun einmal eine Mehrheit brauche, mit Blick auf die ablehnende Haltung der Union. An deren Fraktion richte sich nun die Frage, ob es „eine Möglichkeit gebe, dass die demokratischen Fraktionen zusammenkommen und einen gemeinsamen Weg beschreiten“. Das soll wohl heißen: Lieber noch eine Runde mit der CDU hinter verschlossenen Türen verhandeln als schnell einen Antrag einbringen.
Wanderwitz-Gruppe bleibt „zuversichtlich“
Doch die Gruppe um Wanderwitz gibt sich weiter entschlossen. Sie umfasst inzwischen rund 50 Abgeordnete von CDU, SPD, Grünen und der Linken. Für die Einbringung des Antrags im Bundestag braucht es 37 Parlamentarier*innen, 5 Prozent des Parlaments. Schon im Juni hatte Wanderwitz der taz gesagt, dass er diese Zahl beisammen hat.
Am Dienstag sagte Wanderwitz, dass es momentan „viel Bewegung und Diskussionen“ in den Fraktionen in Sachen Verbotsantrag gebe. Aber: „Wir sind weiter zuversichtlich, von unserem Vorhaben überzeugt und entschlossen, den Antrag im Bundestag einzubringen“, so Wanderwitz zur taz. „Die Gefahr der AfD für diese Demokratie ist akut, eine baldige Verbotsprüfung durch das Bundesverfassungsgericht dringend.“
So sieht das auch Befürworterin Martina Renner (Linke). „Wir brauchen jetzt Klarheit und zügig eine Einbringung des AfD-Verbotsantrag in den Bundestag.“ Eine in den Fraktionen diskutierte Abschwächung des Antrags, ein Verbot nur zu prüfen, lehnt sie ab. „Wir können da keine Lightvariante machen. Die verfassungsfeindlichen Ziele der AfD sind unbestreitbar“, sagte sie der taz. „Es braucht jetzt eine zeitnahe Prüfung des Bundesverfassungsgerichts.“
Auch die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge betonte, die AfD sei „keine Partei, die ein bisschen rechts steht“. „Das sind Verfassungsfeinde, das sind Feinde der Demokratie. Wir erleben es jeden Tag in den Parlamenten und den sozialen Medien.“ Das Grundgesetz biete aus gutem Grund die Möglichkeit, die Verfassungswidrigkeit von Parteien prüfen zu lassen, so Wegge zur taz.
Wann es konkret zur Einbringung des Antrags kommt, hängt nun von der Unions-Fraktionssitzung am Dienstag ab. Kommt es tatsächlich zu einer Abstimmung im Bundestag, bräuchte der Antrag eine einfache Mehrheit für einen Erfolg. Es wird mit vielen Enthaltungen gerechnet. In dem Antrag wird ersatzweise auch ein Verbot einzelner Landesverbände gefordert oder ein Entzug der Parteienfinanzierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um Neuwahlen
Inhaltsleeres Termingerangel
Ausschreitungen in Amsterdam
Ein hitziges Nachspiel
Linkspartei nominiert Spitzenduo
Hauptsache vor der „asozialen FDP“
Obergrenze für Imbissbuden
Kein Döner ist illegal
Lehren aus den US-Wahlen
Wo bleibt das linke Gerechtigkeitsversprechen?
Überwachtes Einkaufen in Hamburg
Abgescannt