Krise der Grünen: Das linksgrüne Dilemma

Der Richtungsstreit droht die Grünen zu zerreißen. Eine linke Abspaltung? Schwierig. Nützen dürfte das Ganze den Konservativen.

Friedrich Merz und Angela Merkel lachen sich an

Kitschige Familien­zusammenführung: Friedrich Merz und Angela Merkel beim 70. Geburtstag der früheren Bundeskanzlerin in Berlin Foto: Kay Nietfeld/dpa

Es ist zum Verzweifeln, aber immerhin leicht zu erklären, warum sich die Konservativen im Kampf um die Macht viel leichter tun als die progressiven Kräfte. Ihre bewährte Zauberformel heißt „Geschlossenheit zeigen“. Während sich die Rechtsorientierten meistens zusammenraufen, wenn es darauf ankommt, neigen alle irgendwie links Orientierten seit jeher zur Spaltung, wenn es schwierig wird. Selten wurde dieser Kontrast so deutlich wie in dieser Woche bei den Grünen und der CDU.

Hier heilloses Chaos, dort eine kitschige Familien­zusammenführung: Am selben Tag, an dem die Grünen-Parteispitze ihren Rücktritt und die Führung der Grünen Jugend ihren Austritt verkündeten, zelebrierte die CDU ihre Versöhnung mit Angela Merkel. Frisch gestärkt durch seine Kür zum Kanzlerkandidaten überwand sich Friedrich Merz endlich, die Verdienste der Ex-Kanzlerin halbwegs angemessen anzuerkennen, und bekam dafür ein Geschenk, mit dem er wohl selbst nicht mehr gerechnet hatte: die öffentliche, uneingeschränkte Unterstützung seiner Erzrivalin.

Wer’s glaubt, dass die beiden sich jetzt lieb haben, wird mit den netten Bildern selig. Aber für die Union reicht es, dass sich auch die verbliebenen Merkelianer brav hinter Merz einreihen.

Bei den Grünen sind sie sich nur in einer banalen Analyse einig: So wie bisher in der Ampel kann es nicht weitergehen. Zähneknirschend mitzuregieren, aber wenig durchzusetzen und bei jedem Kompromiss laut aufzustöhnen, hat zum endlosen Ampelstreit und zum Absturz aller Beteiligten geführt. Doch daraus ziehen verschiedene Grüne verschiedene Konsequenzen, die alle nachvollziehbar, aber miteinander kaum zu vereinbaren sind. Linke Grüne wünschen sich mehr Mut.

Die Lücke ist links

Die Regierungsgrünen rund um Robert Habeck wollen aber künftig noch weniger mit den Zähnen knirschen und mit Blick auf schwarz-grüne Machtoptionen noch kompromissbereiter werden. Rein wahltaktisch ist Habecks Strategie naheliegend. Nie waren die Grünen so stark wie mit dem Ultrarealo-Kurs in Baden-Württemberg und Hessen. Doch er reißt links eine Lücke auf.

Vielen ökologisch und menschenrechtlich Engagierten dreht sich jetzt schon der Magen um. Sie könnten wie die Grüne Jugend den Grünen den Rücken kehren. Nur wohin? Der Bedarf für eine standhaft sozialökologische Partei links von den Grünen ist zweifellos da. Aber bis zur Bundestagswahl wird die Zeit knapp. Jetzt noch die Linkspartei wiederzubeleben oder eine neue Formation zu bilden, die über 5 Prozent kommt, ist nicht unmöglich, aber schwierig. Leider ist zu befürchten, dass von einer Grünen-Spaltung eher die geschlossenen Konservativen profitieren.

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