Konsequenzen aus den Bauernprotesten: Süßes Gift Subvention
Die Bauern müssen sich öffnen für mehr Umweltschutz. Sonst werden sie viel mehr Subventionen verlieren als die für Agrardiesel, die kaum Höfe retten.
D ie meisten Bauern in Deutschland sind Agrarsubventionsritter. Im Schnitt bekommen sie rund 50 Prozent ihres Einkommens vom Staat. Wenn es jemand wagt, ihnen diese Pfründe auch nur teilweise zu streichen, gehen sie auf die Barrikaden. So wie in diesen Tagen. Dabei haben es sich die Wutbauern auch selbst zuzuschreiben, dass ihre Branche den Rabatt bei der Energiesteuer auf Agrardiesel gerade komplett verliert. Denn sie haben berechtigte Forderungen nach einer Reform dieser klimaschädlichen Subvention jahrzehntelang ignoriert. So lange, bis es angesichts des akuten Sparzwangs infolge des Verfassungsgerichtsurteils zur Schuldenbremse keine Reform, sondern eine radikale Streichung gab. Das kann auch bei viel wichtigeren Agrarsubventionen als dem Spritsteuerzuschuss passieren.
Schon 2008 kritisierte das Umweltbundesamt die teilweise Steuererstattung beim Agrardiesel. Bereits damals war klar: Je billiger der fossile Kraftstoff ist, desto weniger Anreiz haben Landwirtschaft und Landtechnikbranche, den Dieselverbrauch zu reduzieren – zum Beispiel durch die Entwicklung sauberer Antriebe, eine weniger intensive Bearbeitung der Böden oder eine sparsamere Fahrweise. Seit Jahren empfiehlt die Behörde, mit dem Geld lieber eine umweltfreundlichere Landwirtschaft zu fördern. Doch die Subventionsritter ließen alle Klimaschutzargumente an sich abprallen.
Diese Verweigerungshaltung fällt den AgrarunternehmerInnen nun auf die Füße. Wegen des Urteils des Verfassungsgerichts zum Bundeshaushalt riss plötzlich ein Milliardenloch auf. Da die Regierungspartei FDP sich partout weigert, die Schuldenbremse auszusetzen oder etwa eine Vermögensabgabe für Reiche zu erheben, muss nun auch in der Landwirtschaft gespart werden. Jetzt sollen die zuletzt 440 Millionen Euro Dieselsteuererstattung nicht innerhalb der Branche umverteilt, sondern ihr ganz gestrichen werden.
Diese Niederlage sollte den Bauern und ihren Verbänden eine Warnung sein. Denn auch der weitaus größte Teil der Subventionen für ihre Branche ist umstritten: die jährlich rund 6,2 Milliarden Euro aus den Agrarfonds der EU. Sie werden weitgehend nach Fläche verteilt: Wer mehr Land hat, bekommt mehr Geld vom Staat – weitgehend egal, wie umweltfreundlich oder -schädlich er wirtschaftet.
Ob WissenschaftlerInnen, der EU-Rechnungshof oder UmweltschützerInnen – alle halten die Agrarsubventionen für stark reformbedürftig. Denn die Landwirtschaft ernährt uns zwar. Aber sie verursacht auch viele Probleme: Sie trägt maßgeblich dazu bei, dass immer mehr Pflanzen- und Tierarten aussterben sowie das Grundwasser verschmutzt wird. 14 Prozent der deutschen Treibhausgase kommen laut Umweltbundesamt aus der Branche, inklusive der Emissionen aus Agrarböden. Viele Nutztiere werden unter ethisch nicht vertretbaren Bedingungen gehalten.
Deshalb fordern Umweltorganisationen schon seit Langem, die EU-Milliarden nur noch für konkrete Leistungen der Landwirte etwa im Interesse der Natur zu zahlen. Die Bauern würden also kein Geld mehr einfach nur dafür bekommen, dass sie Bauern sind. Aber sehr wohl dafür, dass sie dabei Raum für Vögel und Insekten lassen, auf chemisch-synthetische Pestizide verzichten oder Tiere nicht nur im Stall, sondern vor allem auf der Weide halten.
Die EU-Kommission hat mehrmals Verordnungen vorgelegt, die in diese Richtung gehen. Doch immer wieder sind sie vor allem von den Regierungen der Mitgliedstaaten weichgespült oder gleich entkernt worden. Am Ende blieb im Wesentlichen alles beim Alten. Das geht schon so seit Jahrzehnten.
Dass die EU-Regierungen Agrarreformen regelmäßig sabotieren, geht meist auf das Konto der Landwirtschaftsorganisationen, allen voran des Deutschen Bauernverbands. Er ist gut vernetzt mit dem Bundesagrarministerium – und besonders gut mit CDU, CSU und FDP. Also mit den Parteien, die seit Gründung der Bundesrepublik mit wenigen Unterbrechungen das Ministerium geführt haben. Es sind die Parteien, die auch mehrheitlich von den Bauern gewählt werden.
Die Spitze des Bauernverbands hat sich folglich keinesfalls gegen die kleinen Höfe verschworen, wie oft von linker Seite kolportiert wird. Der Bauernverband ist ja auch demokratisch organisiert, vom Ortsverband bis zur Bundesorganisation. Wer mit Landwirten spricht und Social-Media-Beiträge von Bauern liest, erkennt schnell, dass sich die Basis mit der Spitze im Großen und Ganzen einig ist.
Die Argumente sind immer die gleichen: Wenn die Bauern mehr für die Umwelt tun müssten, würden ihre Kosten steigen und die Höfe weniger verdienen. Besonders kleine Höfe müssten aufgeben. Dann würde die EU mehr billigere Lebensmittel importieren, so die Lobby.
Aber das stimmt nicht. Die Forderung war stets, den Umfang der Agrarsubventionen zu erhalten, sie aber innerhalb der Landwirtschaft umzuverteilen – hin zu den Betrieben, die ökologischer arbeiten. Und große Sprünge bei den Importen sind nicht möglich, weil die EU ihre Agrarmärkte stark abschottet gegenüber Drittstaaten. Richtig ist, dass von 2021 zu 2022 in Deutschland laut Statistischem Bundesamt rund 500 der 259.200 Agrarbetriebe aufgaben. Gegenüber 2010 verschwanden etwa 13 Prozent von der Bildfläche.
Doch das bedeutet keinesfalls, dass die Landwirtschaft hierzulande aussterben würde. Schließlich bleibt die Agrarfläche ungefähr gleich: rund 16 Millionen Hektar. Die aufgegebenen Höfe werden also nicht durch Betriebe im Ausland ersetzt – sondern durch ihre Nachbarn.
Höfesterben ist vor allem das Ergebnis eines erbitterten Konkurrenzkampfs der deutschen Landwirte untereinander. Sie werden dank beispielsweise immer ausgeklügelterer Maschinen und Chemikalien immer produktiver. So erzeugen sie mehr Lebensmittel, als die VerbraucherInnen essen können. Deshalb sind die Preise ihrer Produkte langfristig gesunken. Um trotzdem noch etwas zu verdienen, senken viele Landwirte ihre Stückkosten, indem sie noch mehr produzieren. Betriebe, die da nicht mithalten können, geben auf – und werden von Konkurrenten geschluckt.
Politik kann Höfesterben kaum bremsen
So eine „Konsolidierung“ ist normal für eine Branche im Kapitalismus. Die Zahl der Bankfilialen etwa verringerte sich 2022 um 6 Prozent, im Jahr davor sogar um 10 Prozent, berichtet die Bundesbank. Auch hier ist der Hauptgrund die technische Entwicklung: Immer mehr Bankkunden nutzen jetzt Online-Banking.
Wie wenig Einfluss die Agrarpolitik auf das Höfesterben hat, belegt eindrücklich ein Diagramm mit der Zahl der Höfe im Zeitverlauf. Die Kurve zeigt seit 1950 im weitgehend gleichen, sehr steilen Winkel nach unten. Egal, wer regiert hat.
Für einen minimalen Einfluss der Politik spricht auch, dass die Entwicklung fast überall auf der Welt ähnlich ist: in der EU sowieso, in den USA, in Australien, in Japan, selbst in Staaten wie Norwegen oder der Schweiz, die ihre Landwirtschaft besonders stark abschotten und subventionieren. Betriebsschließungen haben also – anders als viele Bauern behaupten – wenig mit angeblich immer strengeren Umwelt- und Tierschutzgesetzen zu tun. In den vergangenen beiden Jahren sowieso nicht. Bundesagrarminister Cem Özdemir ist zwar von den Grünen, aber er hat kaum strengere Umweltregeln durchgesetzt.
Fast gar keinen Einfluss wird es haben, dass der Rabatt auf die Agrardieselsteuer wegfällt. Die 155.000 Betriebe, die laut Özdemirs Ministerium einen Antrag auf Agrardieselbeihilfe stellen, bekommen im Durchschnitt knapp 2.800 Euro im Jahr. Bei zuletzt im Schnitt 115.000 Euro Gewinn der Haupterwerbsbetriebe steht fest: Diese kleine Einbuße wird keinen Hof in die Pleite treiben. Auch nicht die Klein- und Nebenerwerbsbetriebe, denn sie bekamen im Wirtschaftsjahr 2021 rund 900 Euro – bei 17.000 Euro Gewinn. Übrigens: Rund 100.000 Betriebe – 40 Prozent – erhalten keinen Cent dieser Subvention, verlieren jetzt also nichts.
Unvollständige Einkommensstatistik
Den Bauern geht es im Schnitt auch nicht so schlecht, wie sie behaupten. Wer mit 250.000 Euro teuren Traktoren vor das Brandenburger Tor fahren kann und viele Hektar Land sein Eigentum nennt, gehört gewiss nicht zu den Armen der Republik. Auch nicht, wessen Betrieb im Schnitt 115.000 Euro Gewinn im vergangenen Wirtschaftsjahr und 79.000 oder 54.000 Euro in den beiden Jahren davor eingefahren hat. Und diese Statistiken erfassen oft noch nicht einmal alle Einkommensquellen einer Bauernfamilie. Die erheblichen Einnahmen aus Photovoltaikanlagen etwa sind regelmäßig nicht dabei.
Die wenigen Supermarktketten, die den Einzelhandel beherrschen, haben kaum Schuld, dass manche Höfe schließen müssen. Die Konzerne kaufen in der Regel gar nicht bei Bauern, sondern bei Schlachthöfen, Molkereien oder Lebensmittelherstellern, die die Produkte der Bauern verarbeiten. Und dabei tun die Ketten, was sie tun müssen, um im Kampf mit ihrer eigenen Konkurrenz zu überleben: Sie kaufen bei den Lieferanten, die die Lebensmittel am billigsten anbieten. Die Verarbeiter geben natürlich den Preisdruck der Ketten an die Bauern weiter, aber das funktioniert nur, weil sie eben immer genug Landwirte finden, die zu den gewünschten Kosten liefern. Das wäre nicht anders, wenn es mehr Supermarktketten gäbe.
Die Konsequenz aus diesen Fakten muss sein, weniger Agrarsubventionen im aussichtslosen Kampf gegen das Höfesterben zu verpulvern. Stattdessen sollten die Landwirte mehr Geld für Umwelt- und Tierschutz bekommen. Dann können die Subventionsritter ihre Milliarden auch besser verteidigen gegen Angriffe in künftigen Sparschlachten.
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