Elektronische Patientenakte: Digitalisierung mit der Brechstange

Medizinische Daten für Pa­ti­en­t:in­nen und Ärz­t:in­nen rasch verfügbar zu haben, ist richtig. Schwierig wird es, wenn die Datennutzung zu weit geht.

Eine Ärztin schaut auf die Röntgenaufnahmen eines Zahns

Auf die digitale Patientenakte freuen sich auch Google und Apple Foto: David Fuentes/imago

Wer in Deutschland krankenversichert ist, kann sich schon mal darauf einstellen, demnächst Google und Apple daran teilhaben zu lassen, welche Krankenversicherung sie oder er nutzt. Das ist keine ganz triviale Info. Schließlich gibt es neben dem Unterschied gesetzlich versus privat, der etwa Rückschlüsse auf das Einkommen zulässt, auch regionale Krankenversicherungen oder solche einzelner Unternehmen. Es geht also um valide Datenpunkte, die die Tech-Konzerne sicher dankend annehmen.

Wer sich jetzt fragt, was um aller Welt das soll, der wende sich an den Gesundheitsminister. Karl Lauterbach wünscht sich die elektronische Patientenakte für alle, die nicht explizit widersprechen. Versicherte haben dadurch unter anderem Einblick in ihre Diagnosen, neue Ärz­t:in­nen können die Behandlungshistorie nachverfolgen und Doppelbehandlungen sollen der Vergangenheit angehören. In vollem Umfang verwalten können Versicherte diese Patientenakte allerdings nur mit der App der eigenen Krankenkasse.

Und die gibt es wiederum über die App-Stores von Google und Apple. Nun kann es durchaus sein, dass ein zentraler Ort, an dem die eigenen Gesundheitsdaten gebündelt liegen, für eine große Gruppe von Pa­ti­en­t:in­nen Vorteile bringt. Weil die Ärz­t:in­nen einen besseren Überblick bekommen, weil sich die Medikation besser koordinieren lässt, weil Untersuchungsergebnisse schneller zur Hand sind.

Und ja, wahrscheinlich auch, weil sich aus den großen Datensätzen medizinische Zusammenhänge ablesen lassen, die sonst unerkannt blieben. Aber was Lauterbach derzeit plant, ein „Wer schweigt, stimmt zu“-Modell – das ist Digitalisierung mit der Brechstange. Zumal mit dem Schweigen, wie es sich derzeit abzeichnet, ganz schön vielem zugestimmt werden soll: Nicht nur dem Zugriff für die Ärzt:innen.

Sondern, so es keinen expliziten Widerspruch gibt, auch der Nutzung zu Forschungszwecken von Wissenschaft und Industrie. Was angesichts dessen, dass sich Gesundheitsdaten praktisch nicht anonymisieren lassen, ebenfalls alles andere als trivial ist. Wie wäre es stattdessen, ein gutes Angebot zu machen? Eine digitale Patientenakte, die technisch sicher und intuitiv bedienbar ist, deren Vorteile sich direkt erschließen und bei der die Nut­ze­r:in­nen gleichzeitig einfach, differenziert und selbstbestimmt Zugriffsrechte und Datenspenden einstellen können?

Ein attraktives Angebot, das viele freiwillig nutzen wollen. Zweifellos wäre das eine Herausforderung, besonders für einen Staat, dessen Digitalisierungsvorhaben bislang nicht als sehr durchdacht aufgefallen sind. Aber es wäre definitiv nichts Unmögliches.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.