piwik no script img

Nach dem Tod von Mahsa „Zhina“ Amini„Wir Frauen sollten vereint sein“

Die iranische Regimekritikerin Masih Alinejad gibt auch westlichen Politikerinnen eine Mitschuld.

Masih Alinejad trug auch im Ausland noch drei Jahre den Hidschab: „Ich war gehirngewaschen.“ Foto: Isabella De Maddalena/opale photo/laif
Interview von Lisa Schneider

taz am wochenende: Frau Alinejad, Ihre Proteste gegen den Zwang zum Hidschab haben Sie bekannt gemacht. Können Sie sich noch erinnern, wann Sie das Kopftuch das erste Mal tragen mussten?

Im Interview: Masih Alinejad

Iranische Journalistin, Aktivistin, Kritikerin des Regimes. Lebt im Exil in den USA. Fast 8 Millionen Menschen folgen ihr in den sozialen Medien.

Masih Alinejad: Ich bin in einem traditionellen Elternhaus aufgewachsen und musste den Hidschab von klein auf auch zu Hause tragen. Immer wenn mein Vater nicht da war, habe ich meinen Hidschab abgelegt und meine Freiheit genossen, heimlich, im Verborgenen. Ab dem siebten Lebensjahr kann man in Iran nicht mehr zur Schule gehen, wenn man keinen Hidschab trägt. Mein Bruder und ich gingen gemeinsam zur Schule, ich wollte einfach nur so frei sein wie er. Ich habe meine eigene Revolution aus der Küche meiner Familie gestartet – nicht für die Freiheit, sondern einfach, um das Kind zu sein, das ich wirklich war.

Und wann haben Sie sich entschieden, mit Ihrer Revolution an die Öffentlichkeit zu gehen?

Ich hatte nie vor, den Iran für immer zu verlassen. Aber ich hatte zwei Möglichkeiten: In Iran bleiben und Selbstzensur üben oder das Land verlassen und laut werden. Ich kenne mich selbst: Niemand kann mich zum Schweigen bringen. Als ich 2009 den Iran verließ, lag mein Hauptaugenmerk als Journalistin auf der politischen Berichterstattung. Eines Tages ging ich joggen und postete ein Foto von mir auf meiner Face­book-Seite mit den Worten: „Wow!

Jedes Mal, wenn ich in einem freien Land laufe und den Wind in meinen Haaren spüre, erinnert mich das an die Zeit, als dieselben Haare eine Geisel in den Händen der iranischen Regierung waren.“ Frauen, die mich um meine Freiheit beneideten, bombardierten mich mit Nachrichten. Wir brauchen eine Frauenrevolution.

Wie meinen Sie das?

Wir müssen Frauen zu Wort kommen lassen. Wir sollten ihre Anliegen nicht herunterspielen, nicht sagen, dass wir zuerst politische Probleme lösen müssen. Also beschloss ich, ihnen eine Stimme zu geben. Unter dem Hashtag #mystealthyfreedom habe ich eine Onlinekampagne dazu ins Leben gerufen, später gab es auch eine Offlinekampagne, #whitewednesdays.

Jeder, der gegen den Zwangs-Hidschab ist, soll am Mittwoch etwas Weißes tragen, sei es ein Kleidungsstück oder ein Accessoire. An nur einem Tag wurden mir über 90 Videos von Teilnehmenden geschickt. Für mich ist der Hidschab nicht nur ein kleines Stück Stoff. Wenn wir anfangen, ihn abzulegen, dann wird es die Islamische Republik nicht mehr geben.

Wie reagiert der Iran auf Ihren Aktivismus?

Das iranische Regime hat meinen Bruder verhaftet und für zwei Jahre ins Gefängnis gesteckt, um mich zu bestrafen. Es schuf extra ein Gesetz, das besagt, dass jeder, der Videos an mich schickt, etwa im Rahmen meiner Hashtag-Aktionen, mit zehn Jahren Gefängnis bestraft wird. Die Regierung zerrte meine Schwester ins iranische Fernsehen, sie sollte mich öffentlich verleugnen.

Sie versuchten, mich aus New York zu entführen. Kürzlich verhaftete das FBI einen Mann mit einem geladenen Sturmgewehr vor meinem Haus. Aber es ist ihnen nicht gelungen, mich zum Schweigen zu bringen. Und ich hoffe, dass es ihnen nicht gelingen wird, ihr Narrativ an Linke und Liberale im Westen zu verkaufen.

Gegen den Zwang zum Kopftuch

1979 Revolutionsführer Chomeini erlässt ein erstes Dekret, das Frauen zum Tragen des Kopftuchs in Regierungsbüros zwingt. Das führt zu den ersten Protesten gegen den Zwangshidschab in der jungen Islamischen Republik.

1981 Das Kopftuch wird für alle Frauen über neun Jahren verpflichtend.

2014 Masih Alinejad ruft unter dem Hashtag #mystealthyfreedom („Meine heimliche Freiheit“) iranische Frauen dazu auf, Fotos von sich ohne Hidschab online zu teilen.

2017 Unter dem Hashtag #whitewednesdays ruft sie dazu auf, am Mittwoch etwas Weißes zu tragen, als öffentliches Zeichen des Protests gegen den Zwangshidschjab.

2022 Mahsa „Zhina“ Amini wird bei einer Kontrolle der Kleiderordnung von der Moralpolizei verprügelt und stirbt.

Für Mahsa „Zhina“ Amini endete diese Revolution tödlich. Was haben Sie gefühlt, als Sie diese Nachricht erhalten haben?

Ich war sehr deprimiert, als ich hörte, dass sie im Koma lag. Ich habe mein Privatleben vergessen, habe alle meine Termine abgesagt. Viele Mädchen und Frauen schickten mir Videos, in denen sie weinten und sagten: „Ich hätte Mahsa sein können“, denn wir alle wurden schon mal von der Sittenpolizei verhaftet. Keine der Politikerinnen weltweit hat dieses Problem bisher ernst genommen.

Als Mahsa starb, dachte ich: Wie viele sollen noch wie sie ihr Leben opfern? Ich wusste, dass das Regime eines Tages Menschen wegen des Hidschabs töten wird. Aber niemand hat auf mich gehört. Ich war nicht nur deprimiert, sondern auch zornig. 2014 forderte ich Politikerinnen auf: Wenn ihr nach Iran reist und diesen barbarischen Gesetzen folgt und einen Hidschab tragt, bedeutet das, dass ihr unsere Unterdrücker legitimiert, noch mehr Druck auf uns auszuüben.

Nach dem brutalen Tod von Mahsa gebe ich nicht nur der Islamischen Republik die Schuld, sondern auch allen Politikerinnen, die den Hidschab in Iran getragen haben. Zum Beispiel Claudia Roth von den Grünen: Als ich sie fragte, warum sie sich dem beuge, antwortete sie, es gebe so viele größere Probleme, die wir lösen müssten. Größer als Mahsas Leben?

In der Öffentlichkeit und den Medien gibt es Stimmen, die den Kampf gegen das Kopftuch als westlichen Diskurs betrachten – auch in der taz.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Es ist eine Beleidigung für uns im Nahen Osten, wenn Sie das sagen. Dieses Argument wird von vielen Politikerinnen verwendet, wenn sie in mein Land kommen. Ich finde: Das ist Rassismus. Der obligatorische Hidschab ist nicht unsere Kultur, sondern die Kultur der Taliban und der Islamischen Republik, er ist das wichtigste Symbol der religiösen Diktatur. Sie sehen die Körper der Frauen als eine politische Plattform, auf die sie ihre Ideologie schreiben. Als Frau verdiene ich es, Würde zu haben.

Ich will die Autorin des taz-Textes nicht angreifen, auch die taz als Medium nicht. Aber ich greife sehr wohl dieses Argument an. Wir Frauen sollten vereint sein, Solidarität zeigen und nicht zulassen, dass Männer und religiöse Diktaturen ein falsches Narrativ verbreiten. Wahlfreiheit ist ein universeller Wert. Der Hidschab kann erst dann wirklich eine Wahlmöglichkeit sein, wenn alle Frauen auf der ganzen Welt die Freiheit haben zu entscheiden, ob sie ihn tragen wollen oder nicht.

Deutschlands Außenministerin, Annalena Baerbock von den Grünen, hat sich einer feministischen Außenpolitik verschrieben. Glauben Sie an dieses Konzept?

Als Feministin stehe ich für meine Werte ein. Keine der westlichen Feministinnen hat das bisher getan – alle haben sich der Hidschab-Pflicht in Iran unterworfen. Die ganze Welt hat das Burkini-Verbot in Frankreich verurteilt. Warum kümmern sie sich um das Recht muslimischer Frauen, einen Burkini zu tragen, aber nicht um die Millionen Frauen in Iran, in Afghanistan, im Nahen Osten, die gezwungen werden, das zu tun? Ist das Feminismus?

Nein, es ist Heuchelei. Wenn die Feministinnen im Westen ihre Haltung gegenüber den Frauen im Nahen Osten nicht ändern, werden sie keinen Erfolg haben. Sie könnten von den Frauen in Afghanistan und in Iran lernen, was eine echte Feministin ist.

Was wünschen Sie sich von westlichen Politikerinnen?

Dass sie die Taliban und die Islamische Republik Iran nicht legitimieren – bis zu dem Tag, an dem die verschwunden sind. Die Taliban können nicht reformiert werden. Und die Islamische Republik kann auch nicht reformiert werden. Seit 44 Jahren dürfen Frauen in Iran nicht selbst wählen, was sie anziehen wollen. Ich möchte, dass die westlichen Feministinnen hart gegen dieses Gender-Apartheid-Regime und gegen islamistische Staaten vorgehen.

Wenn die Taliban und die Islamische Republik westlichen Politikerinnen und Feministinnen nicht erlauben zu entscheiden, was sie bei den Treffen mit ihnen tragen wollen, werden sie sie auch niemals als Politikerinnen ernst nehmen, die viel größere Entscheidungen treffen.

Können Sie sich noch an das letzte Mal erinnern, dass Sie den Hidschab getragen haben?

Ja, da war ich bereits im Westen. Dabei gibt es hier keine Sittenpolizei, keine Gesetze, die ihn vorschreiben. Aber das ist das Ergebnis der Unterdrückung ab dem siebten Lebensjahr. Drei Jahre hat es gedauert, bis ich ihn abnahm. Ich habe immer gesagt: Das ist meine Kultur, das ist meine Entscheidung. Ich habe mich selbst belogen. Mir wurde mein ganzes Leben lang gesagt, dass ich in die Hölle komme, wenn ich den Hidschab nicht trage.

Ich war gehirngewaschen. Und: Ich wollte meinen Eltern nicht das Herz brechen. Ich wollte meine Gemeinschaft nicht verlieren. Es war schwierig, meine eigene Identität zu finden. Ich wurde in einer muslimischen Familie geboren. Wenn man sagt, dass man kein Muslim mehr sein will, gilt man nach iranischem Recht als „Murtad“ – als Abtrünniger. Und das bedeutet, dass man hingerichtet werden kann.

Würden Sie sich denn als Muslima bezeichnen?

Im Westen wird mir immer wieder die gleiche Frage gestellt: Warum sind Sie gegen den Islam? Ich antworte: Warum ist der Islam gegen mich? Ich bin gegen Islamismus und den politischen Islam. Ich bezeichne mich nicht als Ex-Muslima – sondern einfach als freien Menschen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

55 Kommentare

 / 
  • All das habe ich gesehen und mein Herz richtete sich auf jede Tätigkeit unter der Sonne. In dieser ganzen Zeit hat der Mensch über den Menschen zu dessen Schaden geherrscht.

    Das sage nicht ich sondern die Bibel.

  • taz: "Wenn man sagt, dass man kein Muslim mehr sein will, gilt man nach iranischem Recht als „Murtad“ – als Abtrünniger. Und das bedeutet, dass man hingerichtet werden kann."

    Das war bis vor ein paar Jahrhunderten im Christentum auch so. Anscheinend funktionieren die meisten Religionen - besonders patriarchalische Religionen - nur, wenn man unbedingten Gehorsam verlangt und darüber hinaus auch noch Angst und Furcht bei seinen "Anhängern" verbreitet. Eigentlich sollten Religionen ja Zuversicht und Hoffnung geben, dass das Leben nicht sinnlos ist, aber dann wäre es ja eine richtige Religion und damit können machtbesessene Männer, die sich auch noch "religiöse Führer" nennen, wohl nicht viel anfangen.

    Problematisch ist auch, dass in vielen Religionen alte "Traditionen" mit hineingemischt wurden, die mit der eigentlichen Religion aber nichts zu tun haben. Das passierte oftmals in patriarchalischen Religionen; wohl um weiterhin Frauen unterdrücken zu können. Übrigens gibt es im Koran keine 'Vorschrift', dass die Frau sich verschleiern oder ein Kopftuch tragen muss (siehe Sure 24).

    Sure 24: "Und sag den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Augen niederschlagen, und ihre Keuschheit bewahren, den Schmuck, den sie tragen, nicht offen zeigen, soweit er nicht normalerweise sichtbar ist, und ihre Tücher über ihren Busen ziehen."

    Daraus aber nun eine Verschleierung abzuleiten, oder auch "nur" die Pflicht ein Kopftuch als Frau tragen zu müssen, kann man wohl als ein Meisterwerk der Interpretationskunst ansehen. Aber Texte so auszulegen, damit das humanoide Männchen der alleinige "Gebieter" bleiben kann, darin waren Männer ja schon immer sehr gut gewesen; egal ob "er" nun religiöse oder weltliche Texte "interpretiert". Außerdem ist in den patriarchalischen Religionen "Gott" immer männlich.

    • @Ricky-13:

      Die eigentlichen Religionen sind eigentlich das was eigentlich gelebt wird.

      Die gelebte Religion ist es nämlich die das Leben von Menschen beeinflusst, egal ob die einzelnen Elemente dieses sozialen Gebildes aus einem Buch kommen oder andere Ursprünge haben. Sich auf eine reine Lehre und deren vermeintlichen Zweck zu berufen geht daher vollkommen an der Wirklichkeit vorbei.

    • @Ricky-13:

      Was wäre denn ein Beispiel für eine nicht "patriarchalische Religion" in der es so etwas nicht gibt?

  • Omid Nouripour hat, auch in seiner Eigenschaft als Co-Vorsitzender der Grünen, zum Tod Mahsa Aminis auf Instagram sehr eindrucksvolle Worte gefunden

    www.instagram.com/...gshid=YmMyMTA2M2Y=

  • Masih Alinejad : „Ich war gehirngewaschen.“



    Schrecklich wenn ich mir sowas vorstelle. Bei einer näheren Analyse bekommt man dann auch noch das ungute Gefühl: Gehirnwäsche scheint auf der Welt verbreiteter zu sein, als die jeweiligen Weltregionen immer so wahrhaben möchten.

  • "Es ist eine Beleidigung für uns im Nahen Osten, wenn Sie das sagen. Dieses Argument wird von vielen Politikerinnen verwendet, wenn sie in mein Land kommen. Ich finde: Das ist Rassismus. Der obligatorische Hidschab ist nicht unsere Kultur, sondern die Kultur der Taliban und der Islamischen Republik, er ist das wichtigste Symbol der religiösen Diktatur"

    Genau das sollten sich die ganzen DauerrelativiererInnen einmal hinter die Ohren schreiben!



    Es ist schön so klare Worte zu lesen, denn genau so ist es.

  • Die Iran-Diskussion würde davon profitieren, wenn verschiedene Stimmen zu Wort kommen würden, nicht nur die üblichen Scharfmacher; ich will mich nicht ein weiteres Mal an den immer selben Details abarbeiten (der Anspruch, für DIE Frauen zu sprechen, als gäbe es keine konservativen Frauen; das Postulieren universaler Wert, ohne diese begründen zu können - die Islamisten behaupten das von ihren Werten auch; die manichäische Endkampf-Rhetorik, die wir seit dem katastrophalen Scheitern des neokonservativen War on Terror eigentlich hinter uns gelassen haben); aber jenseits aller Ideologeme könnte man zumindest zur Kenntnis nehmen, wie internationale Politik funktioniert - und dazu gehört ein diplomatisches Protokoll; wer Claudia Roth und anderen Politikerinnen, die im Iran ein Kopftuch tragen, eben das zum Vorwurf macht, muss sich bewusst sein, dass es andernfalls keine Gespräche gäbe. Dass die Welt dann besser wäre, wage ich zu bezweifeln.

    • @O.F.:

      Die AEMR enthält sich weitgehend einer Letztbegründung, die auf ihr aufbauenden Konventionen auch, mal abgesehen von frei und gleich an Würde geboren und sowas. Genügt das?



      Die unsägliche Kairoer Menschenrechtserklärung diverser Staaten mit Staatsreligion Islam oder zumindest deutlicher Mehrheit bspw. taugt nichts, denn sie missachtet die Religionsfreiheit und diverse andere Individualrechte, nicht nur von Frauen.

      Frau Alinejad sagt doch sehr klar, dass es um die eigene Entscheidung geht, einer jeden Frau, die kann aber nur getroffen werden, wenn kein Zwang ausgeübt wird.

      Dieses kulturrelativistische Polemisieren gegen Menschenrechte und Menschenrechtsaktivist_innen vom grundrechtlich gut gesicherten deutschen Sofa aus, ist immer wieder eine Freude... Nein, kollektive Gruppenrechte, die irgendwelche Partikluarinteressen religiöser Machthaber sichern sollen, sind keine Menschenrechte.

      • @hierbamala:

        Eben: die Letztbegründung fehlt. Auf welcher Grundlage wollen Sie dann aber die universelle Gültigkeit eines westlichen Menschenrechtskonzepts einfordern? Das reine Behaupten stellt keine Normativität her. Genau deshalb ist es übrigens ein großer Fehler, die Kairoer Erklärung als "unsäglich" zu diffamieren; es handelt sich dabei um einen Versuch, von einer anderen, islamischen Perspektive aus einen Beitrag zu einer gemeinsamen Ethik zu leisten - eine solche Ethik ist dringend nötig, allerdings kaum zu etablieren, wenn sie mit einem großspurigen "Wir haben Recht" verkündet wird; Europa ist nicht die Welt (und der gegenwärtige Liberalismus nicht Europa); wer ein "Weltethos" anstrebt, muss auch andere - islamische, konfuzianische etc. Stimmen zu wort kommen lassen.



        Die Polemik gegen Kulturrelativisten auf dem deutschen Sofa verweigert sich dem Problem - nämliche einem realen Begründungsdefizit: es gibt mehr als eine Kultur und mehr als eine Moral. Wieso sollte also unsere Werte der Maßstab für die gesamte Welt sein? Weil "wir" (besser gesagt: ein Teil des Westens) bisher mächtig genug war, die Regeln zu diktieren? Nun, diese Zeit ist vorbei.

    • @O.F.:

      "der Anspruch, für DIE Frauen zu sprechen, als gäbe es keine konservativen Frauen"

      Ich wüßte nicht, daß irgendjemand konservativen Frauen ihre Kopfbedeckung verbieten will. Es geht ausschließlich um das Recht weniger konservativer Frauen, dieses nicht zu tragen.

      "das Postulieren universaler Wert, ohne diese begründen zu können"

      Fehlt eine Begründung für den universalen Wert der rechtlichen Gleichstellung der Geschlechter? Ich denke nicht.

    • @O.F.:

      "aber jenseits aller Ideologeme könnte man zumindest zur Kenntnis nehmen, wie internationale Politik funktioniert"

      -Dann nehmen wir mal zu Kenntnis, das der Turban bei Staatsbesuchen im Westen nicht abgenommen wird, obwohl eine Kopfbeckung hierzulande in Innenräumen traditionell als unhöflich empfunden wird. Gleichzeitig muss sich aber eine westliche Politikerin an die Gebräuche des Irans anpassen.



      Hier gibt es also nur ein Entgegenkommen und Toleranz in eine Richtung. Ich würde das Frau Roth auch nicht unbedingt persönlich vorhalten, aber welche Seite hier engstirnig auf die Einhaltung ihrer Regeln beharrt, das sollte klar sein.

      "der Anspruch, für DIE Frauen zu sprechen, als gäbe es keine konservativen Frauen; das Postulieren universaler Wert, ohne diese begründen"

      -Diskutieren wir hier gerade über ein Kopftuchverbot um Iran? Ist mir was entgangen?🤔....



      Was bitte soll konservative Frauen davon abhalten, weiterhin Kopftuch im Iran oder Afghanistan zu tragen, wenn es keinen Kopftuchzwang mehr gäbe?



      Wenn konservative auf eine Kopftuchzwang bestehen, dann ist das totalitär und nicht mehr konservativ.

      "die manichäische Endkampf-Rhetorik, die wir seit dem katastrophalen Scheitern des neokonservativen War on Terror eigentlich hinter uns gelassen haben"

      - wo es einem Bush niemals um die Befreiung des Iraks von Hussein ging, sondern um Ölquellen. Deshalb war das ganze Projekt von vorneherein zum scheitern verurteilt und niemand spricht gerade davon, dem Iran den Krieg zu erklären.

    • @O.F.:

      In mir arbeitet es gerade mächtig, wie ich es wohl hinbekommen könnte, Ihnen zb das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit zu begründen. Ihnen den Anspruch auf universelle Gültigkeit der Idee, dass Menschen nicht geschlagen, gequält oder ermordet werden dürfen, zu erklären. Wie könnte ich das schaffen?

    • @O.F.:

      Sie machen hier einen falschen Gegensatz auf niemand will iranische Frauen zwingen den Tschador ablegen zu müssen, es geht darum das diese Frauen und Männer nicht das Recht haben anderen Frauen das Kopftuch aufzuzwingen. Daher ist die Meinung konservativer Frauen irrelevant es betrifft sie nicht ihnen wird nichts genommen.

      Universelle Werte können sie nicht begründen, sie können keine Werte begründen. Werte basieren auf Annahmen die nicht belegbar sind wie alles (auch die Wissenschaft basiert auf der nicht belegbaren Annahme das Empirismus Aussagekräftig ist - vereinfacht gesprochen).

    • @O.F.:

      "das Postulieren universaler Wert, ohne diese begründen zu können"

      Da wäre z.B. das Recht auf Meinungsfreiheit, das Sie gerade wahrnehmen.

      Gilt als das als Begründung?

      Muss man begründen, warum es nicht gut ist, dass eine Frau getötet wurde, weil eine paar Strähnen ihrer Haare nicht bedeckt waren?

      Muss man begründen, warum es falsch ist LGBTQ+-Menschen zu ermorden?

      Hier geht es darum, sich solidarisch zu äußern. Nicht mehr, nicht weniger.

      Dass ihnen angesichts dessen, was gerade im Iran passiert, nur ihre üblichen relativierenden Argumente einfallen, das ist ein moralischer Offenbarungseid.

      • @Jim Hawkins:

        Ich traue meinen Augen nicht, solche Kommentare, wie diejenigen von @O.F oder von @KABUTARDOBORJ hier zu lesen. Menschenrechtsverletzungen, hier Mord und Totschlag einfach relativieren.

        • @resto:

          Tut mir leid, aber irgendwann werden die Unterstellungen (und auch der persönliche Furor) mit dem hier gegen mich gepoltert wird, albern: ich habe nicht "Mord und Todschlag" gerechtfertigt, sondern lediglich die Tatsache festgestellt, dass westliche Moral- und Ordnungsvorstellungen eben nicht überall auf der Welt geteilt werden; es genügt einfach nicht, deren Universalität zu postulieren - das machen andere ja auch. Das Problem konkurrierender Geltungsansprüche verschwindet nicht, wenn man es ignoriert - insbesondere dann nicht, wenn man nicht mächtig genug ist, diese einfach durchzusetzen. Womit wir eigentlich wieder beim Ausgangspunkt wären: der westliche Glaube an die eigene zivilisatorische Mission hat sicher für mehr Mord und Todschlag gesorgt als ein paar Skeptiker, die auf moraltheoretische Argumentationsdefizite verweisen.

          • @O.F.:

            Danke, ich habe verstanden, dass das Recht des Individuums, von seinem Gemeinwesen nicht unterdrückt, gar gefoltert oder getoetet zu werden, fuer Sie nur ein "konkurrierender Geltungsanspruch" ist. Und jetzt fragen Sie mich bitte nicht nach einer "Letztegruendung", warum ich dieses Recht weltweit durchgesetzt sehen will. Dieses Recht spricht fuer sich selbst, und indem Sie das relativieren, rechtfertigen Sie eben doch Mord und Totschlag!

          • @O.F.:

            konkurrierende Geltungsansprüche? Gibt's immer, ist aber auch banal. Und was machen wir damit nun? was machen die Iraner die gerade gg ihre Regierung demonstrieren damit? Demokratie u Menschenrechte vs Theokratie u Diktatur sind genauso gleichwertig u beliebig wie Reispilaw mit Köfte vs. Sauerbraten mit Klöße? Den einen schmeckt halt dies den anderen das. Und alle haben das gleiche Recht darauf zu schlucken was man ihnen vorsetzt. richtig? Aber sei es drum, unter den taz- Foristen wird sich ohnehin niemand finden Sauerbraten in Teheran mit der Kavallerie durchzusetzen.

          • @O.F.:

            Sie verstehen anscheinend nicht, das ein Kopftuchzwang und Islamismus kein iranischer Wert ist, genausowenig wie der Faschismus ein italienischer Wert ist.

          • @O.F.:

            Hier geht es aber konkret um Frauen, die wegen der Kleidung in Lebensgefahr kommen. Über die westlichen Gräueltaten wird in anderen Artikeln geschrieben. Hier noch ein guter Artikel aus dem Jahr 1979: www.emma.de/artike...-betrogenen-264297

        • @resto:

          Ich bin mir sicher, er genießt es seine anti-westlichen, anti-universalistischen und die Menschenrechte relativierenden Steine ins Wasser zu werfen, dabei kühl ignorierend, dass er das nur wegen dieser Rechte kann, um dann die Wellen zu beobachten, die sich erwartbar bilden.

          Und wir tun ihm dann diesen Gefallen, weil es eben nicht anders geht.

  • Vielen Dank für dieses Interview.

    Es hat lange gedauert, bis diese wichtige Stimme in der taz zu Wort kam.

    Traurigerweise muss man sagen, dass der gewaltsame Tod einer Frau, die nicht "ordnungsgemäß" gekleidet war, der Grund dafür ist.

  • Tja, wer unterstützt diese Oppositionsbewegung im Iran. Wer verhängt hier Sanktionen und sagt "Menschenrechte werden verletzt, wir verhängen Sanktionen, auch wenn wir im Winter frieren"?



    Klar, das müsste man dann zu ziemlich vielen Ländern sagen.

    Oder interessiert es uns vielleicht gar nicht? Oder hat womöglich hier im goldenen Westen jemand etwas davon, dass der Iran so ist wie er ist?

  • Danke für dieses Interview. Mögen die Worte von Masih Alinejad auch gehört werden. Von den vielen Politikern aber auch von den Frauen, die hier noch Hidschab tragen und behaupten, dass das Freiheit wäre.

  • "Ich habe immer gesagt: Das ist meine Kultur, das ist meine Entscheidung. Ich habe mich selbst belogen." Danke für diese ehrliche Einschätzung und diese klaren Worte.

    Auch der letzte Satz hat mich sehr bewegt und bestätigt Eindrücke von ehemaligen Muslimen aus meinem Bekanntenkreis: "Ich bezeichne mich nicht als Ex-Muslima – sondern einfach als freien Menschen." Auf der anderen Seite ist die Unfreiheit, die der Islam den Menschen (übrigens auch den Männern) beschert, immer wieder erschütternd.

  • Warum werden die iranischen Frauen von den TAZ Leser*innen so alleine gelassen? So gut wie keine Kommentare oder Solidarität unter diesem sehr guten Beitrag? Unter den Artikeln zu Umweltthemen geben sie duzende Kommentare, warum nicht hier? Ist es unbequem zu erkennen, dass im globalen Süden unsere normalen Menschenrechte als Frauen und Queere nicht gelten. Ich bin eine non-binäre Muslima und würde in meinem Heimatland Iran vor johlenden Menschenmassen am Kran aufgehängt werden. Nur hier in den westlichen Gesellschaften kann ich mich entscheiden den Wind durch mein Haar wehen zu lasen, im globalen Süden schreibt mir das islamische Patriachat vor, wie ich mich einzuschränken habe. Liebe TAZ Leserin*innen zeigt Eure Solidarität bitte auch für uns.

    • @Meriem Aboud:

      Danke für deinen Kommentar! Meine Solidarität ist dabei :)

    • @Meriem Aboud:

      Liebe Frau Aboud, ich bin solidarisch mit den unterdrückten Frauen - sowohl im Iran, als auch hier und im Rest der Welt. Ich bin bekennende Atheistin/Anarchistin. Und auch hier, im angeblich säkulären Deutschland, braucht man sehr, sehr lange um all die "Schweinereien" unserer beider Religionen endlich aufzuarbeiten.



      Es gibt noch viel zu tun - und wir Frauen benötigen einen langen Atem. Aber die Freiheit ist es wert.

  • Sind wieder die Frauen verantwortlich, wie "Politikerinnen, die den Hidschab in Iran getragen haben".

    Es haben genügend männliche Politiker und Mitarbeiter in Delegationen den Iran besucht. Hat einer von denen aus Solidarität einen Hidschab getragen? Wurde dasselbe von männlichen, regierungsnahen Besuchern aus dem Iran verlangt?

    • @meerwind7:

      So ist es. Menschenrechte gehen nicht nur Politikerinnen etwas an. Die männlichen Kollegen sind ebenfalls gefragt. Aber manche von denen fallen den Frauen im Iran auch einmal nonchalant in den Rücken, wie z.B. Steinmeier, der dem Iran letztes Jahr zum Jahrestag der Revolution gratuliert hat. Kann man sich gar nicht vorstellen.

    • @meerwind7:

      Sehr gute Idee!!

      Allerdings käme so ein Auftritt natürlich wenig staatstragend rüber und ist daher von Politikern



      vielleicht etwas viel verlangt. Sie sollen Kommunikationswege offen halten, wenn sie andere Länder besuchen (wer weiß wozu die mal gut sind), nicht demonstrieren.

      Aber die Ideewäre sicher was für Promis oder Social Media-Aktionen. Der Hashtag #metoo ist ja schon vergeben, aber was in der Richtung könnte passen...

  • ...Ich bezeichne mich nicht als Ex-Muslima – sondern einfach als freien Menschen...

    Genau! Alle Menschen sollten das so sehen!

  • Danke für diese klären Worte und eindeutigen Statemens!

    "ich hoffe, dass es ihnen nicht gelingen wird, ihr Narrativ an Linke und Liberale im Westen zu verkaufen."



    Das Tragische ist, dass diese "Linken" und "Liberalen" von sich aus mit großem Eifer nach solchen Narrativen suchen - wie wir zb gerade eindrucksvoll auf der Dokumenta vorgeführt bekommen haben. Aufklärerische Gedanken werden insgeheim oder offen gehasst - sie seien eurozentristisch. Der "Westen" wird ausschließlich als Kolonisator gesehen, Kritik an Verhältnissen in der ehemals mehr oder weniger kolonisierten Welt als rassistisch.

  • Großartige Frau. Sehr gutes, wirklich gutes Interview.

    Artikelzitat: " . . . ich hoffe, dass es ihnen nicht gelingen wird, ihr Narrativ an Linke und Liberale im Westen zu verkaufen."

    Längst passiert. Da fällt mir ein anderer, ebenfalls sehr guter taz-Artikel ein, aus einer Pascale-Bruckner-Buchbesprechung:

    "Den Schleier als Fahne der Emanzipation der muslimischen Frau zu bezeichnen ist für Bruckner ein Irrweg auch des intersektionalen Feminismus. Mittlerweile sei daraus die Suche nach dem multiplen Opfer geworden, das man jetzt in der Kopftuch tragenden Muslimin entdeckt haben will, die „rassifizierten“ Stigmatisierungen ausgesetzt sei."

    Tja, wir alle wissen wie sich manche Teile der Linken und Grünen für das Kopftuch in Deutschland einsetzen. Da gruselt's mich. Und wenn wir schon bei den Grünen sind und Claudia Roth - wir alle kennen Claudia Roths "High Five" mit Irans Botschafter. Roth trägt nicht nur Kopftuch, wenn man es verlangt (vielleicht macht sie das auch gern freiwillig), sondern scheint sich mit dem Mullah-Regime auch bestens zu verstehen. Gemeinsam gegen Israel?

    Auf den im Artikel verlinkten Text von Julia Neumann werde ich jetzt nicht eingehen, sonst wird mein Kommentar wieder gelöscht.

    taz.de/Islamismus-...llschaft/!5722020/

  • Erstaunlich, dass die TAZ sich traut, dieses Interview zu veröffentlichen. Haben sie keine Angst davor, dass eine Handvoll Feministinnen 2.0 einen shitstorm organisieren?

  • Ja taz. Lange hast du das Problem verschlafen bzw wolltest nicht als Islamhasserin abgestempelt werden.

  • Inhalt und Aussage des letzten Absatzes sagen letztlich alles.

    Nicht vergessend, dass das westliche Europa noch in den den 1960er -, und im südlichen Europa noch in den anfänglichen 1990er Jahren das Tragen eines Kopftuches unter Frauen "üblich" erschien und häufig anzutreffen war, wenngleich nicht gesetzlich verordnet, bekümmert mich dieser frauenverachtliche Umgang mit der Hälfte der Bevölkerung "eines ganzen Landes".

    Ich bin nicht so ignorant intellektuell nicht zu "verstehen", dass der "Islam" keine "Lust" hat, sich gesellschaftlich dem "USA"-Gesellschaftsmodell angleichen zu wollen; ja darin sogar einen zu bekämpfenden "Gegner" erblickt.



    Die Historie jeden Landes - auch unter Berücksichtigung kolonialer Ereignisse - sollte es jedem Land gestatten seinen eigenen Weg zu finden. Doch dieses "Gestatten" kann doch unmöglich die (nach unserem Verständnis) in den Bereich der Menschenrechte eingreifende Unterdrückung aller Frauen, also von gut 50% eines ganzen Landes "rechtfertigen".

    Der Islam leidet einfach unter dem Problem, in seinem Kulturkreis keine Zeit der Renaissance, und zudem auch keine Zeit der "Aufklärung" erlebt zu haben.



    Dieses doppelte Fehlen eines jeweils damit geforderten Einsatzes/Gebrauchs des menschlichen Verstandes, lässt den Islam (der umgekehrt in Zeiten wissenschaftlich geforscht hatte, als wir Christen uns in Gänze zutiefst "mittelalterlich" "gaben") leider fortwährend "zurückgeblieben" erscheinend, UND faktisch geschlechtspezifisch menschenrechtsverletztend.

    Auch ich bin fest davon überzeugt, dass sich solche Strukturen nicht reformieren lassen.



    DESHALAB sind Frauen gezwungen, hiergegen härtere Geschütze aufzufahren; was (unverzeihlich anklagend meinend), noch viele "Mashas" als Opfer dieses Befreiungskampes fordern wird.

    Sollte Frau Alinejad von der Hoffnung getragen sein, dass die "westlichen" Frau da helfen könnten, wird sie LEIDER diesbezüglich bitterlich enttäuscht werden.

    :-(

    • @tazeline:

      Um ein wenig pedantisch zu sein: natürlich gab es in der islamischen Welt keine Renaissance - den deren Anspruch, ein Rückbezug auf die griechisch-römische Kultur macht in Isfahan und Bagdad nun wirklich keinen Sinn (dass er auch an der europäischen Kulturgeschichte vorbeigeht, ist noch einmal eine andere Frage); es gab aber in derselbe Zeit in einigen islamischen Ländern, man denke an den safawidischen Iran, ebenfalls eine Kulturblüte; den Gebracu der ratio kannte man in beiden Sphären ohnehin schon vorher (und gerade die Humanisten waren auch keine typischen Rationalisten). Worauf ich mit diesem kleinen historischen Exkurs hinaus will: es macht wenig Sinn, eine (vereinfacht verstandene) europäische Geschichte zum Entwicklungsmodell für den Rest der Welt zu erklären; das ist übrigens nicht nur ein methodischer Fehler, sondern ein habituelles Problem: wir glauben viel zu oft, wir wären der Maßstab, an dem andere sich messen müssten (was 2022 nicht nur arrogant, sondern auch noch realitätsfern ist).

      • @O.F.:

        O.F. Danke für Ihren Hinweis.



        1. als Kommunard*in sind wir gezwungen aus Platzgründen manches zuzuspitzen, was auch als unzulässige Vereinfachung ausgelegt werden könnte.



        2. Die Renaissance ging in ihrer Wirkung weit über die von Ihnen genannte Entwicklung hinaus. Vor der Renaissance war in der christlichen Sphäre die Erfüllung eines gottgefälligen (und in weiten Teilen vorherbestimmten) Lebens der Maßstab der Dinge. Und wie dieses auszusehen hatte, bestimmte die Kirche.



        Doch genau dies änderte sich mit der Renaissance, da damit einhergehend von der kirchlich vorgeschriebenen Gottgefälligkeit hinsichtlich der eigenen Lebensführung abgewichen wurde, und somit auch von der Absolutheit eines gottgefälligen Glaubens.



        Dies wiederum eröffnete den Raum für ein (auch) (weltliches) Leben neben oder gar abseits des kirchlich verabsolutierten, was wiederum vorbereitend für die spätere Aufklärung wirkte.



        Natürlich muss ich auch hier SEHR verkürzen. Doch mit etwas gutem Willen wird der gemeinte rote Faden sicherlich erkennbar sein.



        Und diese Entwicklung würde ich mir – im Interesse der Menschen, und hier konkret der doch leider noch immer sehr stark unterdrückten Frauen in islamischen Gesellschaften – sehr wünschen.



        Denn die Einnahme eines „weltlichen“ Blicks auf die Situation der vielfach unterdrückten Frauen in islamischen Gesellschaften belegt doch deutlich, dass es für diese unterdrückende Behandlung von 50% der Gesellschaft keine Rechtfertigung gibt.



        😉

        • @tazeline:

          Das ist - fürchte ich - ein Bild der Renaissance, das stark von der Historiographie des 19. Jahrhunderts geprägt ist (der olle Burckhardt...), die viel mit dem Selbstbild des Bürgertums in dieser Zeit zu tun hat. Die Renaissance war eine tief religiöse und kirchentreue Epoche (das Mittelalter war oft viel anarchischer); nicht grundlos wurde es von Reformation (eine genuin fundamentalistische Bewegung) und konfessionellem Zeitalter gefolgt.



          Aber was viel wichtiger ist: diese ganze Entwicklung war das Produkt spezifisch europäischer Umstände; man kann sie daher nicht als Blaupause für die Geschichte anderer Zivilisationen verwenden.

  • 0G
    06455 (Profil gelöscht)

    Wunderbare, richtige und wichtige Worte!

    • @06455 (Profil gelöscht):

      anschließe mich. Quel homme

    • @06455 (Profil gelöscht):

      Ich schließe mich an.



      Den - aus meiner Sicht - skandalösen Artikel von Frau Neumann:



      taz.de/Frauenrecht...4&s=julia+neumann/ hat sie allerdings ein bisschen zu vorsichtig kritisiert.

      • @Henriette Bimmelbahn:

        Schonn. But.

        “Wirf nicht alle Türen zu.“



        & B. B.



        “Seid klug wie die Schlangen.“*

        unterm—-* servíce —



        Bibelgeklaut - früh bei unserer alten Dame gelernt & “Jung - du weißt nie - ob & wann man sich mal wieder sieht.“ ihr früherer Verlobter - aka de Ohl.

        • @Lowandorder:

          Hm. Wenn schon Bibel, dann lieber den Text, den die Byrds berühmt gemacht haben: "To Everything (Turn, Turn, Turn)



          There is a season (Turn,Turn,Turn)..."



          Jetzt, wo Frauen im Iran wegen ein paar herausschauender Haare totgeschlagen werden ist nicht die Zeit des Herumlavierens. Jetzt ist die Zeit sich glasklar hinter sie zu stellen!

          • @Henriette Bimmelbahn:

            Moinmoin - Geschätzte - mal in Ernst sein Mantel:

            Masih Alinejad - ist ehna nicht “glasklar“ genug?! Mach Bosse.

            unterm—— btw but not only —- nur —



            Exil in NY - is halt nicht den Hintern im Warmen! - Mit Verlaub •