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Antisemitismus-Streit der LinkenFeigheit vor dem Freund

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Skandalös ist nicht die Antisemitismus-Definition der Linkspartei. Skandalös ist eine hasenfüßige deutsche Politik gegenüber Israel.

Was wir brauchen: eine sachliche Debatte um Antisemitismus in Deutschland und die Frage, welche Kritik an Israel legitim ist Foto: Michael Eichhammer/imago

D ie Linkspartei hat ein Steinchen ins Wasser geworfen – und eine Empörungswelle ausgelöst. Die GenossInnen haben sich gegen die gängige IHRA-Antisemitismus-Definition gewandt. Die würde, so die nachvollziehbare Kritik, die Trennlinie zwischen der Kritik an Israel und Antisemitismus verwischen. Daher will die Linkspartei sich lieber an die „Jerusalemer Erklärung“ halten, die diese Grenze deutlicher markiert. Der Antisemitismusvorwurf wird oft benutzt, um die Kritik an der rechten Regierung in Israel in eine dubiose Ecke zu rücken. Die Linkspartei thematisiert damit zu Recht die enger werdenden Grenzen des Sagbaren.

Wenig weitsichtig wirkt die Reaktion des Zentralrats der Juden: Die Linkspartei verschweige Antisemitismus und befördere den Hass auf Israel. Das ist überzogen. Die Jerusalemer Erklärung wurde von anerkannten liberalen, teil israelischen Intellektuellen verfasst. Sie in die Ecke des Antisemitismus zu rücken, erinnert an die Strategie der israelischen Rechten.

Die nutzen den Antisemitismusvorwurf als eine Art Superwaffe. Die rhetorische Eskalation um den Linkspartei-Beschluss erschwert, was wir brauchen: eine sachliche Debatte um Antisemitismus in Deutschland und die Frage, welche Kritik an Israel legitim ist – und welche nicht.

Dazu gehört auch die Frage: Welche Kritik ist nötig? Welche zu zaghaft? Frank-Walter Steinmeier lobt beim Treffen mit Israels Präsident Jitzchak Herzog Israel als rechtsstaatliche liberale Demokratie, die sich gegen den islamistischen Terror wehren müsse. Steinmeier merkt nebenbei an, dass Hilfslieferungen nach Gaza zu erlauben wünschenswert wäre. Und mahnt unverbindlich einen Waffenstillstand an.

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Diese eingeübte deutsche Sprechweise ist doppelt unangemessen. Im Angesichts des Schreckens des Gazakrieges reicht es nicht, pflichtschuldig in einen Halbsatz das Leid der Zivilisten zu erwähnen.

Das ist, wenn man politische Moral reklamiert, einfach zu wenig. Zudem wird Steinmeier am Dienstag Benjamin Netanjahu lächelnd die Hand drücken. Dabei nebenbei die Einhaltung der Menschenrechte zu erwähnen, wird auf die rechte Regierung in Israel wenig Eindruck machen. Die reagiert, wenn überhaupt, auf Druck. Die Instrumente dafür sind bekannt: ein Stopp der Waffenlieferungen und die diplomatische Anerkennung Palästinas. Das aber ist von der deutschen Politik nicht zu erwarten.

Skandalös ist nicht, dass die Linkspartei sich diese Definition zu eigen macht. Skandalös ist eine hasenfüßige deutsche Politik, die lieber Fototermine macht, als Konsequenzen aus der Tatsache zu ziehen, dass Israel Kriegsverbrechen begeht.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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82 Kommentare

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  • Ja, dass es den Holocaust gab, was zig Mal schlimmer war als Kriegsverbrechen, gibt Israel trotzdem nicht das Recht, Kriegsverbrechen zu begehen. Im übrigen auch nicht der terroristische Angriff der Hamas.

  • Wir brauchen eine sachliche Debatte um Antisemitismus in Deutschland und die Frage, welche Kritik an Israels politischer Führung legitim ist – und welche nicht.



    Die Regierung Israels begeht Kriegsverbrechen. Kritik daran ist nicht nur berechtigt, sondern notwendig. Der Raum des Sagbaren muss für alle gleich sein. Das schließt "positiven" Rassismus aus.



    Echte Freundschaft zum Staat Israel würde sich darin ausdrücken, dass die Regierung Netanjahu von der deutschen Regierung so behandelt wird, wie jede andere Regierung in einer vergleichbaren Situation. Da genügt kein Nebensatz.



    Die Verbindung dieser Kritik mit Kritik an der Existenz des Staates Israel ist antisemitisch.



    Zur Vorgeschichte des Konflikts gehören auch arabische Pogrome in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts und die Vertreibung der Juden aus den arabischen Staaten nach der Gründung des Staates Israel.

    • @e2h:

      Schließe mich Ihrem Appell für eine sachliche Debatte um Antisemitismus und die deutsch-israelischen Beziehungen an.



      Würde aber noch hinzufügen: das Wissen um den Holocaust und die deutsche Verantwortung gebietet eine solche Sachlichkeit geradezu.



      Gerade die Diskussionen um schwere israelische Kriegsverbrechen in Gaza (bis hin zum Genozid-Vorwurf) machen eine Präzisierung, Konkretisierung und Neujustierung unserer Verhältnisses zu Israel zwingend notwendig - dazu gehört unverhandelbar (!) das Bekenntnis zum Existenzrecht des jüdischen Staates, aber genau so auch die Abkehr von einem schwiemeligen, vormodernen (letztlich absolutistischen) Staatsraison-Verständnis, dass jedes von Israel verübte Unrecht an den Palästinensern (mit stupidem Verweis auf eben jene Staatsraison) ausblendet.



      Auch deutsche Waffenlieferungen und das Anbiedern an eine rechtsextreme Regierung haben mit echter Israel-Solidarität rein gar nichts zu tun.

    • @e2h:

      "Echte Freundschaft zum Staat Israel würde sich darin ausdrücken, dass die Regierung Netanjahu von der deutschen Regierung so behandelt wird, wie jede andere Regierung in einer vergleichbaren Situation."

      Ich weiss nicht, ob die Freundschaft unbedingt "echt" sein muss, das klingt so klebrig. Und Freundschaften pflege ich mit Staaten auch nicht, die höhren mir bei Liebeskummer nie zu.

      Aber ansonsten Zustimmung. Nur: Welche andere Regierung ist "in einer vergleichbaren Situation". Also die Regierung eines Staats, der gegründet worden ist, weil seine Bevölkerung vor dem deutschen Vernichtungsantisemitismus aus Europa fliehen musste, und dessen Nationalismus (der Zionismus) das konstitutive Feindbild für die nationale Identität sehr vieler Staatsbürger:innen aller anderen Staaten ist. Er wird bereits für all das kritisiert, was man am eigenen Staat nicht wahrnehmen möchte, und wenn Israel sich dann gegen daraus folgende Aggression wehrt, wird dem israelischen vorgeworfen, alleiniger Urheber des Übels zu sein.

      So funktioniert auch die Kritik von Netanjahus "rechter Regierung".

    • @e2h:

      Jeder noch so kleine Bruchteil an Antisemitismus ist schlecht. Den Umgang zu debattieren bedeutet, auch kleinste Teile zulassen zu wollen oder Kompromisse zu machen.

      Solange du nicht in die Köpfe der Menschen blicken kannst, muss jede Israelkritik als Vorwand angesehen werden. Schließlich ist der Durchschnittsfeind des Menschen auf dem Planeten nicht der reiche Milliardär, sondern der Jude.

      • @Troll Eulenspiegel:

        "Solange du nicht in die Köpfe der Menschen blicken kannst, muss jede Israelkritik als Vorwand angesehen werden."

        Manchmal hilft lesen und verstehen wollen. Da steht halt klar geschrieben, dass es eben nicht um "Israelkritik" -also an pauschaler kritik am Staat Israel- sondern um Kritik an der Regierung Netanjahu geht. Das ist nach keiner der gängigen Definitionen antisemistisch. Und das wird sie auch nicht, nur weil irgendwelche Eiferer versuchen, sich das so zurechtbiegen.

  • Eine Lösung ist Universalismus. Nach Prinzipien schauen, ob eine völkerrechtswidrige Besatzung vorliegt, wie Krieg geführt wird, ggf. aus rein egoistischen Motiven des Regierungschefs, ob Vertreibung vorliegt, ... das von allen Seiten durchdenken und dann genauso kritisch sehen und handeln wie bei anderen Ländern auch, nicht weniger, nicht mehr.



    Sonst ist es ein Geschäft auf Kosten Dritter, der Palästinenser; und wir haben 2 Mio. hungernde Geiseln von Netanyahus Koalitionsproblemen (und eine unnötig gut aussehende Hamas übrigens gleich auch).



    Palästina endlich anerkennen, Waffenunterstützung zeitweise aussetzen, voller Einsatz gegen Antisemitismus & Faschismus in der BR Deutschland (und andere Gruppenabwertung) - das geht durchaus alles zugleich.

  • Deutschland hat anscheinend leider nur eine Lehre aus der Nazizeit gelernt: Das "nie wieder" betrifft nur das Verbrechen an den Juden (und bisweilen anderen Minderheiten), nicht die universelle Geltung der Menschenrechte. Die Waagschale hängt immer nach der einen Seite.

  • Wenn es schon um eine Gegenüberstellung von Definitionen geht: Kriegsverbrechen sind etwas anderes als Genozid.



    Die Anerkennung „Palästinas“ als Staat (Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt) ist eine Anerkennung, dass Palästina (die Hamas in Gaza) einen Krieg gegen Israel begonnen hat. Das ist ein Unterschied zum Holocaust: Jüdische Deutsche (Pol:innen, ...) haben ebenso wenig wie Sinti, Roma, ... einen Krieg gegen das Deutsche Reich begonnen!



    Insofern ist eine Anerkennung „Palästinas“ eine hinsichtlich der hier gestellten Fragen eher unerheblich, insbesondere in Bezug auf mögliche Holocaust-Vergleiche. Diese sollten sich im Übrigen auch für Nicht-Deutsche von selbst verbieten und das nicht nur im Hinblick auf Israel!



    Ob Israels Militär und Regierung im Kampf gegen eine Terrororganisation, die de facto die Staatsgewalt im Gaza innehat(te) Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung begeht bzw. angeordnet hat und immer noch anordnet, ist davon auf das Deutlichste zu unterscheiden.



    Die Forderung jedenfalls, Deutschland solle deswegen Israel insgesamt fallen lassen und keine Waffen mehr liefern, ist unverantwortlich. Kritik an konkreter Tagespolitik mit Belegen? Ja! Mehr? Nein!

  • "Die Linkspartei thematisiert damit zu Recht die enger werdenden Grenzen des Sagbaren."

    Das sagen die Rechten von sich auch. Zumindest in diesem Punkt sind sich Linke und Rechte einig: In Bezug auf Juden muss der Raum des Sagbaren erweitert werden.

    Dass sich darin ausgerechnet sog. "Linke" als Speerspitze hervortun, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

    Obwohl: eigentlich passt das. Waren es doch Linke, die als erste Deutsche nach dem Holocaust wieder Juden selektierten. Vor fast 20 Jahren war sich die taz dessen auch noch bewusst.



    taz.de/Antisemitis...-der-RAF/!5193915/

    Shame on you.

    • @BrendanB:

      Daß die Deutschen seit der Shoah einen psychologischen Dachschaden hatten, wie Sie mit dem zitierten Artikel in Erinnerung rufen, das ist klar.

      Als jungem Wissenschaftler, mit diesem Komplex sozialisiert, mußten mir Israelis erklären, was eigentlich klar hätte sein sollen: ich trug keine Schuld oder Verantwortung für die Taten der Generation meiner Großeltern. Im Ausland leben hilft auch als Therapie.

      Deutsche, die am 8. Mai 1945 18 Jahre und älter waren sind heute über 98. Alle anderen sind mit Sicherheit unschuldig an den Naziverbrechen. Nehmen Sie das zur Kenntnis! Kann, wer nach dem 8. Mai 1945 geboren ist, Opfer von Naziverbrechen sein?

      Wir müssen uns nicht für diese Verbrechen entschuldigen und wir täten gut daran, diese Geschichte mit der angemessenenen Distanz zu integrieren. Auch daß ist aus dem Ausland her leichter zu verstehen: Wenn eine solche moralische, politische, kulturelle, kriegerische, mörderische Katastrophe Absturz in der damaligen Kulturnation Deutschland möglich ist, ist sie ÜBERALL möglich.

      • @Deutschfranzose:

        Wenn Sie immer noch von einem "Schuldkomplex" reden haben Sie nichts verstanden. Das ist auf einer Ebene mit Schlussstrich-, Vogelschiss-und Das wird man ja wohl noch sagen dürfen-Debatte.

    • @BrendanB:

      Es geht doch gar nicht um Juden. Wer Israel nur deswegen kritisiert, weil es ein jüdischer Staat ist, handelt glasklar antisemitisch, nach jeder "Definition".

    • @BrendanB:

      Ich kann Ihre Frustration, dass sich immer größere Teile dieser Omerta entziehen, verstehen.

  • Sorry, wenn ich jetzt versucht habe auch nur einen kleinen historischen Ansatz zu bringen, der einer sachlichen Debatte um Antisemitismus in Deutschland eine winzige Spur weiterhelfen könnte. Sorry, wenn ich die Beobachtung geäußert habe, dass ich bei Die Linke bisher wenig Basiswissen gesehen habe.

    Sorry, wenn ich aus der Danke-danke-danke-Hymne ausschere.

  • Danke, ein notwendige Klarstellung.



    Hoffentlich liest das auch unsere Bundesregierung.

  • Danke für diesen Kommentar, dem nichts beizufügen ist!

  • Ja, es ist feige und unverantwortlich. Punkt. Scheiß ungerechte Doppelmoral.



    Danke für den Kommentar.

  • Sehr gut gemacht, Herr Kollege. Vielen Dank!

  • Exakt das.

  • Danke für den Kommentar!! Auf der einen klare Aussage: Israel begeht im Gaza Kriegsverbrechen habe ich auch als taz Leserin lange gewartet

  • Endlich spricht mir jemand aus der Seele, vielen Dank.

  • Danke für den Kommentar! So unbedingt wichtig!

  • Der Kommentar ist aus meiner Sicht grundfalsch!



    Der Frieden in Gaza hängt eben nicht davon ab, ob die deutsche Regierung kritisiert oder nicht.



    Es gibt mehr als genug Länder die Israel kritisieren.



    Unser Land hat 6 Millionen Gründe Israel, als Heimstatt der Überlebenden, nicht zu kritisieren, auch wenn Israel nicht alles richtig macht!



    Damit wird Deutschland seiner Verantwortung gerecht und könnte eventuell als Beispiel dafür herhalten, wie man mit historischer Verantwortung in monströsem Ausmaß umzugehen hat.

    • @Thomas Kühnelt:

      Was für ein bestechendes Argument. Niemand, absolut niemand kann eigene Verbrechen dadurch entschuldigen, selbst Opfer eines Verbrechens geworden zu sein. Auch nicht Israel! Das gilt übrigens gerade bei Genoziden. Sonst versinkt die Welt in absoluter Barbarei. Und das zu verhindern, ist gerade Deutschlands Verantwortung!

      • @Gerd Mischler:

        "Niemand, absolut niemand kann eigene Verbrechen dadurch entschuldigen, selbst Opfer eines Verbrechens geworden zu sein."

        Rape is no resistance. Kann nicht oft genug wiederholt werden. Will nur niemand hören und hat die Hamas bis heute nicht begriffen. Sie sagt ja selbst, dass sie den 7. Oktober bei nächster Gelegenheit wiederholen würde.

      • @Gerd Mischler:

        "Niemand, absolut niemand kann eigene Verbrechen dadurch entschuldigen, selbst Opfer eines Verbrechens geworden zu sein. Auch nicht Israel!"

        Das hat der Kommentar auch gar nicht behauptet.

    • @Thomas Kühnelt:

      Aber wieso sollte das aus dem Holocaust folgen? Wieso sollte das Deutschlands Verantwortung sein?

      Ist es nicht der viel größere Freundschaftsdienst, dieser Regierung (denn nur die ist das Problem) eine klare Kante zu zeigen? Fest an der Seite Israels, aber nicht fest an der Seite der Politik Netanyahus?

    • @Thomas Kühnelt:

      Die Lehre aus der deutschen Vergangenheit sollte sein, Recht von Unrecht zu unterscheiden und das Recht zu verteidigen. Nicht, bedingungslos auf der Seite Israels zu stehen.

    • @Thomas Kühnelt:

      Ein Beispiel für den Umgang mit historischer Schuld zu sein, heißt nicht, politische Immunität zu gewähren, sondern eine moralische Haltung zu entwickeln, die konsequent gegen Unrecht ist – immer, überall und unabhängig davon, wer es begeht.

      • @Ice-T:

        "... die konsequent gegen Unrecht ist ..."

        Und was Unrecht ist, bestimmt wer? UN-Gerichte?

        • @*Sabine*:

          "Und was Unrecht ist, bestimmt wer? UN-Gerichte?

          Nein. Das gibt es so ja gar nicht. Das "UN-Gericht"

          Oder welches glauben Sie da zu kennen?

          Das Völker- Menschen- Bürger- Kriegsvölkerrecht, ist das Ergebnis von mehr als Hundert Jahren ringen darum, die Entgrenzung von Konflikt und Krieg einzudämmen.



          Zugunsten und zum Schutze vor allem der Zivilbevölkerung. Aber auch der Rechte der unter Befehl stehenden Soldaten, der Verletzten.



          Das ist bei aller immer wieder festzustellenden Ignoranz das Einzige was wir in einem langen Prozess als internationale zivilisatorische Leistung haben.

          Über dieses Instrument zu reden, als ginge es darum eine reisserische Überschrift in der "BILD"-Zeitung zu kreieren ist bestenfalls fahrlässig.



          Für die Folge ist es aber egal, ob es aus Begriffslosigkeit, oder bereits Agenda ist: Am Ende landet es in der dominanten Tendenz zum Warlordtum. Es kommt nur noch darauf an wer am längsten schiesst und wer es mit der eloquentesten digitalen Propagandamaschine schmiert.

          • @Elise Hampel:

            "Nein.Das gibt es so ja gar nicht.Das "UN-Gericht"Oder welches glauben Sie da zu kennen?"

            Ich würde "Internationaler Strafgerichtshof (IStGH)" und "Internationaler Gerichtshof (IGH)",etwas verkürzt,so bezeichnen.Zumindest die Richter:innen des IGH werden ja von der UN-Generalversammlung und dem UN-Sicherheitsrat gewählt.Da die UN auf mich in Bezug auf Israel parteiisch wirken (mir ist klar, dass Andere die UN für objektiv halten),gehe ich nicht davon aus,dass die obigen ganz Gerichte unparteiisch sind.Für mich ist es durchaus auffällig,dass im Konflikt Gaza-Hamas-Iran-Huthi-Israel-u.a. ausschließlich für lebende jüdische/israelische Beteiligte Haftbefehle ausgestellt wurden.Ich bin überzeugt davon,dass es auch bei der gegnerischen Kriegspartei Personen gibt,für die man Haftbefehle ausstellen könnte,wenn der Sachverhalt tatsächlich objektiv betrachtet werden würde.

            "...wer es mit der eloquentesten digitalen Propagandamaschine schmiert."

            Hier stimme ich Ihnen zu.Ich halte die Propagandamaschine der Gaza-Hamas-Iran-Huthi-u.a.-Kriegspartei für hervorragend;abgesehen von ein paar "Rucklern" wie beispielsweise die Inszenierung der Geiselübergaben,hier besonders der Familie Bibas.

    • @Thomas Kühnelt:

      Es ist richtig, dass Deutschland eine besondere historische Verantwortung gegenüber den Juden (m/f/d) weltweit trägt – gerade wegen der Verbrechen der Shoah. Aber gerade diese Verantwortung bedeutet nicht unkritisches Schweigen, sondern das Einstehen für universelle Menschenrechte, auch gegenüber einem Staat wie Israel.

      Frieden in Gaza hängt sehr wohl auch von der internationalen Haltung ab – Deutschland eingeschlossen. Als Land mit Einfluss, wirtschaftlicher Macht & historischer Erfahrung mit Extremismus trägt Deutschland Verantwortung dafür, seine Stimme zu erheben, wenn Menschenrechte verletzt werden – unabhängig davon, wer sie verletzt.

      Andere Länder kritisieren Israel, ja – aber das kann kein Argument dafür sein, sich selbst der Pflicht zur moralischen Positionierung zu entziehen. Es geht nicht um "Israelkritik" im historischen Sinne, sondern um konkrete politische Entscheidungen, die Leid verursachen – auf beiden Seiten. Wer dauerhaftes Leid von Palästinensern schweigend hinnimmt, trägt nicht zur Sicherheit Israels bei, sondern zementiert einen Teufelskreis von Gewalt und Radikalisierung.

      • @Ice-T:

        "Es ist richtig, dass Deutschland eine besondere historische Verantwortung gegenüber den Juden (m/f/d) weltweit trägt – gerade wegen der Verbrechen der Shoah."

        Ja genau. Und das bedeutet: Deutschland, Europa, die Welt muss ein Angebot für Menschen des jüdischen Kulturkreises sein, zu leben wo sie immer gelebt haben. Nämlich eigentlich überall. Voll krass ganz viel in Europa. So wie Christen, Moslems, Hindus, Buddhisten, Ungläubige oder noch mal ganz anders Gläubige im Grunde immer überall und durcheinander lebten.

        Nicht die viel zu enge Geografie Palästinas. Wo sich die Messianischen seit Jahrhunderten um Vorherrschaft streiten.



        Ist eine echt lange Welle die da auf engem Raum bricht.

        Also. Wo ist denn nun das Siedlungsprojekt für jüdische Menschen in Deutschland. Der sicheren Heimstatt für Juden aus aller Welt. Aus Demut, Verantwortung und mit ehrlichem Herzen? Und im Angesicht der Tatsache, dass nicht einmal die Hälfte meiner Welt-Mitbürgerinnen und Nachbarn aus dem jüdischen Kulturkreis nach Israel mit Gaza, Westjordanland und Dies-Das auch noch rein passte.



        Ich weiss ist unbeliebt. Einfach mal die Naturwissenschaften, hier die Geografie zu bemühen.

      • @Ice-T:

        "Wer dauerhaftes Leid von Palästinensern schweigend hinnimmt, trägt nicht zur Sicherheit Israels bei, sondern zementiert einen Teufelskreis von Gewalt und Radikalisierung."

        Das nenne ich mal Täter-Opfer-Umkehr. Seit Staatsgründung wird Israel mit Krieg, Mord und Terror überzogen. Der 7. Oktober war Ergebnis eines brennenden Antisemitismus, der völlig unabhängig davon kultiviert wird, was Israel gleich unter welcher Regierung getan oder nicht getan hat.

        "aber das kann kein Argument dafür sein, sich selbst der Pflicht zur moralischen Positionierung zu entziehen. Es geht nicht um "Israelkritik" im historischen Sinne, sondern um konkrete politische Entscheidungen, die Leid verursachen – auf beiden Seiten."

        Ja, Sonntagsreden und Kranzniederlegungen - das können sie gut die Politiker. Weltweit. Etwas gegen den eliminatorischen Judenhass bspw. der Hamas mit konkreten politischen Entscheidungen unternehmen? So semi erfolgreich und niemand ist da wirklich engagiert. Juden, die sich eine Neuauflage von 2000 Jahre Hass, Vergewaltigung, Verfolgung und Mord nicht mehr bieten lassen? Wird nicht so gerne gesehen.

        Da gibt es dann auf einmal eine "Pflicht zur moralischen Positionierung".

        • @BrendanB:

          Ich sehe es ebenso wie Sie und möchte Ihren letzten Satz noch um "Kontextualisierung" ergänzen. Kontextualisierung scheint in Bezug auf Antisemitismus wichtig zu sein, aber nicht bei Rassismus oder Sexismus. Wobei auch bei Sexismus manchmal kontextualisiert wird.

      • @Ice-T:

        Eine beliebte Haltung in Deutschland: Deutschland habe sich durch den Holocaust die besondere Verantwortung, lies: das moralische Recht, erworben, seine Stimme zu erheben, wenn der jüdische Staat angeblich Menschenrechte verletzt. Und zwar gerade beim einzigen jüdischen Staat, während zu Menschenrechtsverletzungen anderswo meist vornehm geschwiegen wird. Wieso erhebt Deutschland nicht z. B. gegen den Iran seine Stimme, der Israel vernichten will und versucht, Atommacht zu werden? Oder gegen den Sklavenhalterstaat Katar, der die Hamas finanziert?

        • @Budzylein:

          "Wieso erhebt Deutschland nicht z. B. gegen den Iran seine Stimme ... Sklavenhalterstaat Katar, der die Hamas finanziert?"

          Vielleicht, weil es als Imperialismus, Kolonialismus, Rassismus oder Islamfeindlichkeit verstanden werden könnte.

        • @Budzylein:

          Dass Deutschland Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern nicht kritisieren würde, ist schlichtweg gelogen (googeln Sie doch einmal, was deutsche Politiker über Iran, Russland oder China sagen und gegen welche Staaten sogar Sanktionen verhängt werden). Die Menschenrechtsverletzungen durch Israel sind keine „angeblichen“, sondern bestens dokumentiert und werden von der gegenwärtigen rechtsextremen auch gar nicht verheimlicht. Es ist einigermaßen absurd, überhaupt darüber diskutieren zu müssen, ob die deutsche Regierung das Aushungern von zwei Millionen Menschen kritisieren sollte.

    • @Thomas Kühnelt:

      Daran ist gar nichts grundflasch. Niemand verlangt, das "Israel kritisiert" wird. Es sollen lediglich Menschen- und Völkrechtsrechtsverstöße einer rechtsnationalen Regierung kritisert werden. Das ist trotz aller Gleichsetzungsversuche ein gewaltiger Unterschied und es basiert auf den universllen Lehren, die die Welt nach dem zweiten Weltkrieg gezogen hat. Gerade wenn man es ehrlich meint mit Freunden, dann schaut man nicht weg, wenn diese falsch handeln. Denn es ist auch die israelische Zivilbevölkerung, die unter diesen Konflikt und ihren Anheizern leiden.



      Und nebenbei. Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstöße als "nicht alles richtig machen" zu bezeichnen ist im Übrigen ziemlich daneben. Es gibt keinerlei Legitimation, Zivilisten von Hilfsgütern abzuschneiden.

    • @Thomas Kühnelt:

      Ja, Deutschland hat eine historische Pflicht, auf Menschenrechte insbesondere von Jüd:innen zu achten und diese durchzusetzen. Und ja, Deutschland ist mit Schuld daran, dass massenhaft Menschen in ein schon besiedeltes Gebiet umgesiedelt wurden und dass daraus ein sehr vorhersehbarer Konflikt entstanden ist.



      Allerdings gibt es einen Unterschied von Diskriminierung und "Kritik" an einer Religion zu der Kritik an der Politik eines Staates. Nicht alle Jüd:innen leben in Israel und bei weitem nicht alle Israelis stimmen der aktuellen Politik ihrer Regierung zu! Man kann nicht den Staat mit den Menschen, die in ihm leben, gleichsetzen.



      Und wenn ein Staat (also hier Netanjahu + ein paar seiner Anhänger) Menschenrechtsverletzungen begeht mit der Absicht, ein Volk auszulöschen oder mindestens zu vertreiben, dann muss dagegen Kritik geübt werden.

    • @Thomas Kühnelt:

      Unser Land hat 6 Millionen Gründe, Juden zu schützen. Unser Land hat weit mehr als 6 Millionen Gründen, sich mit einem von Rechtsradikalen gelenkten Staat nicht zu verbrüdern.

    • @Thomas Kühnelt:

      Nach ihrer Logik hätte Deutschland dann auch 20 Millionen Gründe, Russland nicht zu kritisieren.



      Wäre das in Ihrem Sinne?

      Oder gelten Menschenrechte universell?

      • @hsqmyp:

        Die 20 Millionen Toten der Sowjetunion umfassen nicht nur Russen, sondern auch Belarussen, Ukrainer und andere.

    • @Thomas Kühnelt:

      Danke, dass Sie hier mutig diese Meinung vertreten. Es ist derzeit wichtig, dass sich der Staat Israel wenigstens auf die wenigen Freunde verlassen kann, die zu ihm stehen. Und dazu gehört Dt., jetzt wieder.



      "Die Instrumente dafür sind bekannt: ein Stopp der Waffenlieferungen und die diplomatische Anerkennung Palästinas." Abgesehen davon, dass die Methode "Instrumente zeigen" aus einer anderen Epoche zu kommen scheint, wäre beides unter den aktuellen Umstände das Ende des Staates Israel und damit der Möglichkeit für Juden, sich an einem (für sie) beispiellos sicheren Ort uneingeschränkt aufhalten zu können.



      Und weil selbst Dt. den Juden keine Sicherheit bieten kann (zunehmender Antisemitismus von drei Seiten), muss es aus historischer Verantwortung heraus für die Sicherheit Israels einstehen.



      Palästina als Staat anzuerkennen ist erst dann eine realistische Option, wenn es so etwas wie eine demokratische Alleinvertretung aller palästinesischen Araber gibt, die das Existenzrecht Israels anerkennt.

      • @Vigoleis:

        Und warum fordert man von Israel nicht, das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser anzuerkennen? Double-Standards? Delegitimierung?

    • @Thomas Kühnelt:

      Ich glaube unsere Lehre die wir aus dem zweiten Weltkrieg ziehen sollte nicht sein bedingungslos und ohne Sinn und Verstand einen Staat Israel zu unterstützen. Die Lehren die wir ziehen sollten sollte sein, keinen Massenmord mehr auf diesem Planeten zu beheen oder zu unterstützen und zwar egal an wem. Von daher werden wir unser Verantwortung aktuell überhaupt nicht gerecht.

      • @PartyChampignons:

        Von einer Unterstützung Israels durch Deutschland im Gaza-Krieg habe ich nicht viel mitbekommen. Die Lehre, die die deutsche Ampel-Regierung gezogen hat, war: Der palästinensischen Autonomiebehörde bedingungslos Geld zuzuschustern, mit dem u. a. die Renten für Terroristen finanziert werden, der mit der Hamas eng verbundenen UNRWA bedingungslos Geld zu geben und dem neuen Islamistenregime in Syrien ebenfalls bedingungslos Geld in den Rachen zu werfen. Dafür hat Baerbock sich mit Netanjahu angeschrien und ihn öffentlich in naseweisem Ton ("keine Ausreden mehr") belehrt. Hoffentlich ändert sich das mit der neuen Regierung und mit Wadephul als Außenminister.

  • Auch meine volle Zustimmung. Vielen Dank für den Artikel!

  • Ein hörenswertes Interview mit Shimon Stein, ehemaliger Israelischer Botschafter, der sich dafür ausspricht, dass zu "Freundschaft" zwischen Staaten auch Kritik an politischen Entscheidungen gehört:

    www.ardaudiothek.d...nforadio/14553117/

  • Danke, Danke und nochmal Danke

  • Nun denn - dann aber nun auch die scharfe Debatte möglichst hier eröffnen.



    Zum Beispiel mit einem Interview in dem Andrej Hermlin gefragt wird, weshalb er mit Teils richtig echt falschen Behauptungen die Polemik anführt, DIE LINKE habe sich vom Kampf gegen den Judenhass verabschiedet.

    Da man redlich informiert, um Analyse und Begriff bemüht davon ausgehen muss, dass diese Behauptung schlicht falsch ist,



    muss die Frage gestellt werden, zu welchem Zweck, für welches Kräfteverhältnis und für welche Bündnisse, der Kampf gegen Antisemitismus und Judenhass real echt wirklich auf die Beine gestellt werden soll.



    Mit falschen Behauptungen. Mit Polemiken, die keiner Emanzipation von zum Falschen geschönten Gründungsmythen Israels dienen und damit sowenig vorlegen, wie eine Geschichtsschreibung von PLO und palästinensischem Widerstand, er so etwas wie die Hamas immer auch schon in sich trug.

    Welche Stumpfheit ist es, verwechselt man die Analyse, dass die messianischen, rechtsreaktionären, ultrareligiös-nationalistischen Regierungen Israels und die Hamas sich gegenseitig unabdingbar machten. Während sie behaupten in ihren Machtansprüchen und Gesellschaftsentwürfen Feind zu sein?

  • Das sieht Andrej Hermlin viel klarer als Stefan Reinecke. Er sagt zurecht:



    "Für mich ist der dort gefasste Antisemitismus-Beschluss eine Zäsur. Ich hätte nicht gedacht, dass es nach dem Beschluss des Parteivorstands vom Oktober 2023, der mich damals zum Austritt aus der Partei nach immerhin 33 Jahren bewogen hat, noch schlimmer werden könnte. (...)Judenfeindschaft ist damit – allen gegenteiligen Bekundungen zum Trotz – zu einem organischen Bestandteil dieser Partei geworden. "



    und



    "Kritik an Israels Regierung oder seiner Kriegsführung ist legitim, aber hier passiert etwas ganz anderes: Israel wird als Staat delegitimiert. Die Antisemitismus-Definition, auf die sich die Linke nun beruft, ist ja keine wissenschaftliche, sondern eine politische. Wenn darin behauptet wird, die Israel-Boykottbewegung BDS sei nicht antisemitisch oder wenn darin eine Ein-Staat-Lösung im Nahen Osten als akzeptabel angesehen wird, dann rüttelt man wissentlich am Existenzrecht Israels. Das ist so schwerwiegend, dass die Partei damit den Kanon der anständigen Parteien verlassen hat."

    checkpoint.tagessp...cial-button-nl-web

    • @Neville Longbottom:

      Diese unschöne Polemik gegen diese "Jerusalemer" Definition ist schwer erträglich. Man kann diese Texte doch nachlesen. Es geht da ja gerade um Entpolitisierung bzw. Entflechtung der nüchternen und unvoreingenommenen Wissenschaft von den Zielen und Narrativen der israelischen Politik, an die sich die andere Definition zu stark gebunden hatte. Und irgendeine Ein-Staat-Lösung im Nahen Osten ist überhaupt nicht Thema solcher Definitionen.

    • @Neville Longbottom:

      Und um es Ihnen auch so zu sagen:



      Andrej Hermlin ist kein Diskurspartner der um Präzision bemüht ist.



      Tatsächlich stimmt er in einen Mainstream ein, der vor allem mit Stimmung, Befindlichkeit, Gefühl - ganz in der Logik einer völlig retardierten marktwirtschaftlich durchökonomisierten Challenge, Bodycount und Werbe- und Konkurrenzlogik gar nicht mehr hinter die Dinge sieht.

      Er behauptet in seinem auslösenden Interview in der "Jüdische Allgemeine" zum Beispiel die RAF habe Flugzeuge entführt und Passagiere selektiert.



      Das ist falsch. Die RAF hat nie ein Flugzeug entführt und das was er meint ist Entebbe, an der Personen der "Revolutionären Zellen" teilnahmen. Die wiederum haben zu Beginn der 1990er zu diesen Sachverhalten Zeugnis abgelegt, das nicht davon überschrieben wird, das ein Andrej Hermlin mal eben so pauschal unpräzise RAF- RZ -2.Juni-PLO-PFLP - iss ja eh alles dasselbe - in einen Topf wirft. Um dann Präzision in der Antisemitismus-Definition einzufordern. Welche Präzision, welche Genauigkeit, welchen Willen zum Nicht-Polemischen legt er denn bitte vor? Wo ist denn da der begründete, seriöse Anspruch auf Gehör?



      Stimmung! allenthalben iss doch schon genug und überall.

    • @Neville Longbottom:

      Das kann man völlig zu Recht, in jeder Hinsicht fundiert und im Sinne eines tatsächlichen Kampfs gegen Antisemitismus völlig anders sehen.

      Die Idee einer Ein-Staaten-Lösung - so fern sie auch sein mag - rüttelt allein an der Agenda und den Machtprojektionen nationalistischer, völkischer, messianischer, ultrareligiöser Kräfte. Beider Seiten. Davon zu träumen gemeinsam in einem demokratischen Rechtsstaat zu leben, ist nicht schon per se antisemitisch.

      Die IHRA-Definition Antisemitismus ist nicht weniger unwissenschaftlich, nicht weniger politisch, als die Jerusalemer Erklärung. Letztere beruft sich zu Recht auf die Notwendigkeit, die tödliche, kriegsverbrecherische Funktionalisierung des Kampfes gegen Antisemitismus, als Begründung von Verbrechen wirksam zu entsolidarisieren. Sie verbündet sich zudem mit jenen gesellschaftlichen Kräften Israels, die in diesem Sinne in scharfer Opposition zu den messianischen Kriegerregierungen Israels und ihrer Praxis stehen, die seit 30 Jahren die Agenda jenes Extremisten erfüllen, der mit Jitzchak Rabin den Friedensprozess ermordete.

      Lesen Sie die Jerusalemer Erklärung, statt den begriffssutzigen Tagesspiegel zu zitieren.

      • @Elise Hampel:

        Chapeau!

      • @Elise Hampel:

        Die Idee einer "Ein-Staaten-Lösung" ist eine "Kein Israel"-Lösung und rüttelt an der Heimat von immerhin Millionen von Israelis. Sie bringt die Hamas ihren Träumen ein Stück näher. Palästina arabisch und dann das universelle Kalifat.



        Soweit sind wir also mittlerweile in Deutschland.

        • @Kai Ayadi:

          Es ist doch Israel, das die Ein- Staaten-Lösung vorantreibt mit der Besiedlung der West Bank und der Wiederbesetzung des Gazastreifens. Wenn man die Ein-Staaze-Lösung nicht will, darf man die Zweistaatenlösung nicht hintertreiben.

        • @Kai Ayadi:

          "Die Idee einer "Ein-Staaten-Lösung" ist eine "Kein Israel"-Lösung"

          Vielleicht kann ich es noch kürzer auf Punkt und Begriff bringen:



          Was Sie schreiben bedeutet übersetzt: Die Idee, dass Menschen unabhängig von Herkunft, Rasse, Religion, Glauben, Hautfarbe, Geschlecht, Kultur, Geschichte als Gleiche unter Gleichen nicht gleich Gemachte leben können,



          halten Sie für eine antisemistische, eine anti-moderne, eine Idee und Hoffnung die eine schlechte Zukunft beschreibt?

          Ist das schon der Ethnopluralismus der "Identitären Bewegung" oder ist es bloß die Begriffsstutzigkeit an die er andockt?

          Verstehen Sie. Ich wüsste wirklich gerne wohin Sie wollen mit Ihrer Idee, dass der demokratische Rechtsstaat, die republikanische, soziale Demokratie ein Traum von gestern ist. Falls es gerade dienlich scheint. Der Stimmung, dem Gefühl, der Befindlichkeit.

        • @Kai Ayadi:

          Sie übernehmen die Erzählung messianischer, ultrareligiöser, nationalistischer, rassistischer, antisemitischer, antiarabischer, antijüdischer völkisch-reaktionärer militaristischer Machtbehauptung.



          Punkt. Ist Funktional - Folge einfach so.



          Steht im tatsächlich existierenden politischen Raum und Prozess, seinen Kräfteverhältnissen gar nicht frei, am Ende eigentlich doch was anderes zu meinen und gewollt zu haben.

          Die Idee man könne nicht mit Juden in einem Staat leben, lebt frisch in den Ländern Europas, aus denen sie einst als Nachbarinnen und Mitbürger vertrieben wurden. So sie überhaupt überlebten.



          Dieser Antisemitismus ist tiefgründig perfide. Stellt sicheres Leben für Menschen des jüdischen Kulturkreises nämlich eben nicht sicher. Obwohl die sowenig in Israel leben (müssen sollten) wie ein Katholik auf ein sicheres Rom angewiesen ist. Aus welchem Grund scheint also jüdisches Leben und Existenz auf fortgesetzte Landnahme und Vertreibung ansässiger Bevölkerung angewiesen zu sein? So die Geografie ja schlicht zu eng ist, um das ohne Entrechtung und ewig neues Unrecht zu bewältigen.

          Wieso also hat die Rechte Israels recht. Wieso die Europas. Die einmal Madagaskar vorschlug.

  • Die offensichtliche Doppelmoral der deutschen Regierung(en) ist verheerend für das Ansehen Deutschlands in der Welt und ist zudem ein Tritt vor's Schienbein für all jene Israelis, die seit Monaten (Jahren?) gegen die rechte Netanjahu-Regierung auf die Straße gehen.



    Der Zentralrat der Juden in Deutschland spielt dabei eine traurige Rolle, indem er sich nurmehr als Sprachrohr der israelischen Regierung versteht und vehement vertritt, was diese von sich gibt. Damit erweist er den Juden in Deutschland einen Bärendienst.

  • Die deutsche Israelpolitik verharrt im Trauma der frühen Bundesrepublik. Damals - es waren die Zeiten der Schußstrichdebatte, der zögerlichen Aufarbeitung der Naziverbrechen, der Nazi-Schergen in Regierungsämtern - wollte man sich von Schandmal des Völkermords befreien und wieder Aufnahme in den Kreis der zivilisierten Völker finden. Adenauer suchte die "Versöhnung" mit Israel, weil er so dieses Ziel erreichen konnte. Israel dagegen brauchte deutsche Waffen, um sich gegen seine erzürnten arabischen Nachbarn behaupten zu können und verpflichte sich im Gegenzug dazu, der Westintegration Westdeutschland nicht im Weg zu stehen und fortan die junge Bundesrepublik nicht mehr zu deutlich an den millionenfach begangenen Mord am jüdischen Volk zu erinnern. Es ging also um einen Deal. An dessen wahre Beweggründe freilich mag sich die deutsche Politik bis heute nicht gern erinnern. Verklärung hatte fortan höchste Priorität.



    Israel ist dessen wohl bewusst. Es setzt sein Wissen dazu ein, um Deutschland in die Bahn zu zwingen, wenn immer auch nur zaghaftester Widerspruch sich regt gegen eine Politik, die Völker- und Menschenrecht offen missachtet.

  • Dieser Artikel ist vollkommen richtig und trifft den Nagel auf den Kopf! Danke dafür.



    Antisemitismus ist in keiner Weise akzeptabel und wir müssen alles tun, dagegen vorzugehen. Das heisst aber auch, die Kriegsverbrecher in der israelischen Regierung und die sie unterstützenden Hardliner hart anzugehen. Viel zu viele Menschen in aller Welt differenzieren nicht zwischen Juden und Israelis, schon gar nicht zwischen anständigen Menschen in Israel und den faschistischen Akteuren dort - und verdammen gleich alle Juden ohne Unterschied. Und genau das ist dann Antisemitismus, befördert von den Hardlinern. Sehen die denn nicht oder besser: wollen die nicht sehen, dass die Verachtung von Menschenrechten, die völkerrechtswidrigen Handlungen in Gaza, in Syrien. im Libanon und im Westjordanland den Antisemitismus regelrecht fördern? Wenn wir den Isarelis und den Juden insgesamt wirklich helfen wollen, dann müssen wir klar und deutlich werden und die Dinge beim Namen nennen.

  • Vielen Dank für den Kommentar - Zustimmung.

  • Es ist offensichtlich unmöglich, Kritik an der katastrophal-destruktiven rechten Regierung Israels zu üben. Netanjahu hat bezeichnenderweise den Haftbefehl des IStGH als Akt des Antisemitismus bezeichnet. Ein echter Freund Israel würde die Regierung Natanjahu als das bezeichnen was sie ist: eine Geißel Israels, die Teil des Problems und nicht Teil der Lösung ist. Natürlich OHNE die andere Seite (Hamas, Hisbollah, Iran, Huthis) zu unterschlagen. Allerdings ist das Thema derart emotional aufgeladen, dass differenzierte Stimmen kaum noch durchdringen.



    Die deutsche Regierung leistet hier mit Sicherheit keinen sinnvollen Beitrag, sowohl die alte als auch die neue.

  • Danke für die Einordnung.

    Frieden beginnt mit Gerechtigkeit



    Es kann keinen Frieden geben ohne Gerechtigkeit. Keine Sicherheit ohne Menschenrechte. Kein Miteinander ohne Anerkennung des Anderen als gleichwertigen Menschen. Diese Grundsätze gelten universell – oder sie gelten nicht. Die Situation in Gaza ist keine ferne Krise, sie ist ein Prüfstein für unser eigenes Werteverständnis. Unsere Reaktion auf dieses Leid zeigt, was uns unsere Prinzipien wirklich wert sind.



    Die Geschichte wird auch auf Deutschland schauen. Nicht nur darauf, was es in der Vergangenheit getan hat – sondern auch darauf, was es in der Gegenwart unterlassen hat.

    • @Jimisensei:

      Besser kann man es kaum sagen! Volle Zustimmung auch zum Artikel.

  • Antisemitismus ist immer falsch und muss immer bekämpft werden.



    Kritik an Israel, genau genommen an Israels politische Führung aber ist völlig angebracht.



    Die Kunst ist es, beides argumentativ nicht miteinander zu vermischen. Das gilt auch für die Gegner der aktuellen Politik von Netanjahu, die sind nicht per se Antisemiten oder Nazis, weil sie das politische Israel kritisieren.



    So sehr ich Israels Kriegseintritt gegen die Hamas verstehe, so sehr kritisiere ich jedoch, wenn unschuldige Kinder und Menschen nun Hunger leiden müssen, weil das politische Israel Menschenunwürdige Maßnahmen als Kampfmittel einsetzt.



    Zur Klarstellung: Diesen Konflikt hat die Hamas begonnen. Sie und ihre Unterstützer zu bekämpfen ist richtig, doch immer mit Augenmaß und nicht zu sehr auf dem Rücken der schwachen Palästinenser. Das ist zur Zeit nicht mehr gegeben, wir wird auch gegen Zivilisten "gekämpft".

    • @Hans Dampf:

      Bei der heillosen Überladenheit der Argumente in der Auseinandersetzung ist es fast unmöglich, die Kritik an Israel und am Antisemitismus nicht argumentativ zu vermischen.



      Dieses Problem gibt es auch auf der anderen Seite. Dort heißt Kritik an der Hamas schnell Rassismus und Unterstützung von Genozid und Kolonialismus.

      • @aujau:

        "Dieses Problem gibt es auch auf der anderen Seite. Dort heißt Kritik an der Hamas schnell Rassismus und Unterstützung von Genozid und Kolonialismus."



        Sicher? Oder kommen die Vorwürfe dann, wenn mit der Kritik an Hamas die Delegitimierung des palästinensischen Strebens nach Selbstbestimmung verbunden ist?

        • @Francesco:

          Das sehe ich nicht. Allerdings habe ich mehrfach gehört, dass die Taten beim Pogrom vom 7. Oktober als gewählte Mittel des Kampfes gegen die Besetzung durch Israel /Kolonialismus bezeichnet wurden.



          Das kann es doch wohl nicht sein.

    • @Hans Dampf:

      "Zur Klarstellung: Diesen Konflikt hat die Hamas begonnen. "

      Jain. Natürlich hat die Hamas am 7.10. einen grausamen barbarischen Akt begangen, allerdings kann man den nicht isoliert vom gesamten Nahostkonflikt betrachten. Nach meiner Ansicht sind die Hauptakteure Israelis und Palästinenser sowohl Opfer und Täter und das auch schon vor 1947.

      • @Mustardmaster:

        Ich meinte mit "diesen Konflikt" nur den vom 7.10., gebe ihnen aber in ihrer der Gesamtbetrachtung recht.

    • @Hans Dampf:

      Klare Missstände klar benennen. Das ist Kunst. Nicht nur Kunst der Sprachbeherrschung, auch Kunst des Mutes zu äußern was ist und was gewesen ist. Irgendwem wird es nicht gefallen.

      Israel ist u.a. aus einem Genozid entstanden. Einen, den Deutsche betrieben haben. In Deutschland und temporär eroberten Gebieten und sogar auf dem Gebiet von allzuuntertänigen Kriegsverbündeten.

      Das war nicht der einzige Genozid Deutschlands. Nicht nur, weil es sich dabei um mehrere Genozide auf einmal handelte, je einer gegen Juden, Sinti+Roma, Sowjetmenschen, Sozialisten, Homosexuelle, Behinderte. Mein Paradebeispiel ist immer der Völkermord an Herero und Nama. Ja, dieser Bundespräsident hat ihn anerkannt, nur haben seine Worte keine Wirkmacht in der Politik. Solchen Worten kann nur der Deutsche Bundestag Wirkmacht geben. Und auf dieser Grundlage kann auch ein Bundespräsident glaubwürdig Israel anklagen, wenn es Kriegsverbrechen begangen hat. Innerhalb Gazas hat Israel in den letzten Jahren gleich mehrere Vertreibungen vorgenommen. Und nun kommt es schon zum wiederholten Male wegen unterdrückter Hilfsleistungen zu Hungersnot. Vertreiben + Aushungern, wie im Szenario Genozid gegen Herero und Nama,

  • Die Angst vorm Hingucken!

  • Danke für den Kommentar - volle Zustimmung.

  • Genau so ist es!!! Danke.

  • Danke!

  • Vielen lieben Dank, Stefan, für diesen Kommentar, der mein seit anderthalb Jahren anwachsendes Unbehagen ob der kognitiven Dissonanz deutschen (Regierungs)Handelns auf den Punkt bringt.

    Und in diesem Zusammenhang auch Kudos an die Linke. Oppositionsluft macht offenbar frei.