AfDler in der Kirche: Rechte, vom Glauben abgekommen
Ein Pfarrer verliert seine Stelle, weil er für die AfD kandidieren will. Das ist nur konsequent.
D er Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom ist einer der ältesten kirchlichen Texte. Der aus der heutigen Türkei stammende Apostel empfiehlt den Christ:innen darin, sich legitimer staatlicher Gewalt unterzuordnen. Andererseits sollen sie sich von der Mehrheitsgesellschaft abgrenzen. Ihr Alleinstellungsmerkmal soll sein: der korrekte Umgang mit anderen.
„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“, so fasst Paulus die jesuanische Ethik des Zusammenlebens zusammen. Ein kitschiger Satz, wenn er ohne Konsequenzen bleibt. Wenn er aufs Familiäre oder Nationale verengt wird. Ein radikaler Satz, wenn Leute ihn ernst nehmen in ihrer Gegenwart. Kairós bezeichnet im Griechischen den Moment der Entscheidung. Er ist ein Leitmotiv des Neuen Testaments, in dem sich auch der Römerbrief findet.
„Liebt im Wissen um die gegenwärtige Zeit“, schreibt Paulus darin. Und weiter: „Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf … Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts!“
Wo bleibt die Nächstenliebe?
Diese Woche entzog die Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) einem ihrer Pfarrer den Pfarrbereich, weil er im Juni als parteiloser Kandidat für die AfD bei den Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt antreten will. Es sei zwar im Interesse der Kirche, dass sich Pfarrer:innen auch politisch engagieren, sagt die EKM. Das gelte aber nicht für das Engagement in Parteien, die verfassungsrechtlich fragwürdige Positionen einnehmen.
Ähnlich sieht das die katholische Kirchengemeinde in Weil am Rhein. Die verbot diese Woche einer Frau, ehrenamtlich im Gemeindekindergarten zu arbeiten, weil sie im Juni bei der baden-württembergischen Kommunalwahl für die AfD kandidiert. Der Pfarrer der Weiler Kirchengemeinde, Gerd Möller, begründet die Entscheidung mit der völkisch-nationalen Ausrichtung der AfD. Die sei nicht vereinbar mit den Werten der katholischen Kirche.
Recht hat er. Und recht haben die Kirchen generell, wenn sie Konsequenzen ziehen, wo haupt- oder ehrenamtliche Beschäftigte AfD-Ämter übernehmen oder übernehmen wollen. Wenn die Kirchen also aufstehen vom Schlaf, den Kairós ergreifen und die Waffen des Lichts anlegen. Denn: Diese Leute sind keine Kinder, die es nicht besser wissen. Sie sind auch keine verunsicherten Gemeindemitglieder, die Orientierung suchen.
AfD ist kirchenfeindlich
Wer sich selbst nach dem Bekanntwerden des Potsdamer Deportations-Treffens noch für die AfD aufstellen lässt, hat die Nächstenliebe aufgekündigt. Das haben die Evangelische Kirche in Deutschland und die katholische Deutsche Bischofskonferenz in offiziellen Stellungsnahmen klargemacht. Kündigungen kirchlicherseits sind eigentlich nur die logische Folge.
Es geht dabei nicht nur um die Nächstenliebe, für die die Kirchen einstehen wollen, sondern auch um kirchliche Selbstliebe. Denn allein der kirchenfeindliche Kurs der AfD („Politische Marionetten der Altparteien“, „Kirchenaustritt ist Bürgerpflicht“) berechtigt Verantwortliche im Tendenzbetrieb Kirche, Beschäftigte mit Ambitionen in dieser Partei zu feuern.
Wenn es diesen Leuten wirklich um mehr geht als den „abendländischen“ Identitätsmarker Christentum, steht es ihnen ja jederzeit frei, ins demokratische Spektrum zurückzukommen. Denn auch die Vergebung, selbst der schlimmsten Sünden, sieht der Apostel Paulus als eine christliche Tugend.
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