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Nun wer finanziert denn die Sportler? Doch wohl der Staat. Und 20 der 33 deutschen Goldmedaillen wurden von Sportsoldaten gewonnen.
Das Sommerloch lässt grüßen - Probleme konstruieren, wo es keine gibt.
Die olympischen Spiele der Neuzeit sind auf dem Boden der Nationalismen des 19ten Jahrhunderts eigentlich als Gegengift gewachsen. Die Nationalismen wehren sich dagegen mit Sportförderung.
Eigentlich sind beide obsolet, aber bis das alle verstanden haben, braucht es wohl noch einen dritten Weltkrieg.
"Zugleich aber ist die Kritik an diesen schrecklichen Statistiken ein schöner Fingerzeig, dass der Sport dringendst demokratisiert werden muss."
Demokratisieren. Schönes Wort und ein wunderbarer Gedanke. Nur leider allzuoft mißbraucht ("Deutsche Demokratische Republik")
Was ist denn in diesem Artikel und in diesem Kontext genau gemeint?
Genau das habe ich schon zu einem vorherigen ähnlichen Thema geschrieben!
Würden wie bei der Universiade Athlet:innen für ihre Universität antreten und ggf. eben dann auch für die Polizeihochschule oder die Hochschulen der Bundeswehr oder auch nur die Berufsschule in Wanne-Eickel, wäre die Überlegenheit des US-Sportfördersystems vermutlich noch deutlicher, wenn man sich ansieht, wie viele Deutsche rüber gehen müssen, um in die Weltspitze zu gelangen. Man könnte dann natürlich ein Zentrales Sportkombinat der Armee einrichten und alle Sportsoldat:innen dort zusammenfassen: „demokratisch“ ist das alles nicht ...
Der Medalienspiegel ist halt auch immer ein Ausdruck der Bedeutung des Sports und des Leistungswillens (bzw. der Leistungsakzeptanz) in einem Land. Um beides ist es in Deutschland derzeit eher schlecht bestellt. Es gibt gewisse Parallelen zur PISA-Studie.
'Worum also geht es hier?'
Nationaler und individueller Narzissmus sind nur eine Treibfeder des Leistungssports. Die andere, ist das Zusammenfallen der vorwiegend ökonomischen Interessen von Veranstaltern, beteiligten SportlerInnen und Verbänden, (werbungtreibende) Wirtschaft, Kommunen, Medien, Politik usw.. Es gibt einfach sehr viele, die vom Leistungssport und seinen Großveranstaltungen profitieren bzw. hoffen, zu profitieren.
Die, teilweise durchaus intendierten, Folgen sind gravierend:
Trotz aller Lippenbekenntnisse zu mehr Nachhaltigkeit, bleiben solche Veranstaltungen katastrophal für die Umwelt.
Mit den Wettbewerben und ihrer emotionalisierenden Darstellung wird eine sozialdarwinistische Ideologie unterfüttert, in der der Wettbewerb als nicht nur unterhaltsame sondern auch natürliche Ordnung der Welt gilt. Die fortgesetzte Einteilung der SportlerInnen in Leitungskategorien, in SiegerInnen und VerliererInnen, und ihre Wettkämpfe, ob als EinzelsportlerIn oder Team, als VertreterIn eines Vereins oder einer Nation, gegeneinander, stehen jedem Versuch inklusiver und solidarischer Gesellschaftsordnung entgegen.
Olympia - völlig irrelevant.
Die Alten Griechen ließen nur gebürtige Griechen zu, also beispiellos für den Gedanken der Völkerverständigung, viel später gab es Boykotte, auch ein besonderes Kapitel, dann immer mal wieder Ausschlüsse. Wenn eine Nation mit ihren Verbänden AthletInnen fördert, hat sie damit gewissermaßen Markenrechte an den Erfolgen geprägt, so wie an dem legendären "Deutschland-Achter". Reizvoll wäre schon ein bunteres, internationales Boot, ist aber noch nicht auf dieser Ebene so vorgesehen. Die ZuschauerInnen lieben auch die Hymne und die Flagge bzw die Fähnchen.
/
Zur Geschichte in der Antike:
"Nur für die Dauer der Spiele war eine allgemeine Waffenruhe akzeptiert...
(...)
Unschlagbar aber war und ist die Idee, erbitterte Kontrahenten auf eine gemeinsame Umlaufbahn zu schicken. Die fünf ineinander verschlungenen Ringe einer die Kontinente überspannenden Völkerfreundschaft sind dagegen eine neuzeitliche Erfindung, die ohne ein kultisches Zentrum auskommen muss. In ihrer Mitte ist – nichts.
Alexander Honold lehrt Neuere deutsche Literatur an der Universität Konstanz"
Quelle cicero.de
Ich denke, dass in der Mitte der Ringe Kommerz und Kumpane auskömmlich und weitgehend unbehelligt residieren.
Die Idee mit den Städten finde ich jetzt auch nicht so dicke. Dann gewinnen statt den USA halt New York und Los Angeles und die reichsten Länder versuchen sich die besten Sportler in ihre Städte zu holen. Achso, dann gewinnen natürlich künftig Doha, Dubai oder Riad. Freue mich schon auf die Sportwashing-Artikel und das Klagen, dass queere Sportler nicht in die Top Teams der besten Sportler kommen, hier in der taz
Ich kann das Idealbild von Olympioniken als echten Amateuren, also Freizeitsportlern, die niemanden benötigen, der ihnen ihre Leidenschaft ermöglicht oder gar entlohnt, ja noch nachvollziehen. Solche Leute könnten sich auch fröhlich aussuchen, ob sie "für" ihre Stadt, ihre Familie, ihr Lieblingshaustier oder sonstwas starten wollen. Aber dieses Bild entspricht schlicht nicht mehr der Realität: Das sind Profis, und damit die Profis sein können, bedarf es solider, gut finanzierter Organisationsstrukturen. Von daher:
"Werden hier Bruttoinlandsprodukte verglichen? Nein,..."
Doch - eigentlich schon. Nur handelt es sich eben um die Ausbeute der jeweiligen Länder in einer anderen Leistungskatgorie als "Wirtschaft". Dass diese Ausbeute nationenweise gemessen wird, dass die aufwendige Sportförderung von der Schule bis zum Hochleistungsniveau nunmal weitgehend ("national"-) staatliche Ressourcen benötigt und daher auch ("national-") staatliche Angelegenheit ist.
Dass die Sportorganisationen, die das IOC tragen und aus deren Vertretern es sich zusammensetzt, jeweils auf nationaler Ebene agieren, hat ursprünglich historische Gründe, bleibt aber vor dem obigen Hintergrund völlig plausibel.
@Normalo Sehr guter Kommentar 👍
@Normalo Das waren noch Zeiten, als der Amateurstatus noch hochgehalten wurde: "Schranz wurde knapp vor Beginn der Olympischen Winterspiele 1972 in Sapporo von IOC-Präsident Avery Brundage ausgeschlossen – nach einem Verstoß gegen das damalige Amateurgesetz. Ein dem IOC zugespieltes Foto, das Schranz in einem Jersey mit Kaffeewerbung zeigte, war offiziell für Brundage Indiz, dass Schranz „kein Amateur“ sei; Schranz hatte dieses „corpus delicti“ irgendwann einmal (wahrscheinlich im Sommer 1971) anlässlich eines Benefiz-Fußballspiels getragen." (Wikipedia)
Das Einzige, was verwundert, ist, dass Katar, Brunei etc nicht mehr SpitzenathletInnen einbürgern, aka kaufen. Wäre doch günstiger als alterende Fussballstars in eine Operettenliga zu holen.
Oder ist der Platz im Medaillenspiegel für die Aussendarstellung dann doch nicht so wichtig?
@fly Die Ausbeute der BRD, eines immerhin noch mittelmäßigen Indurielandes, war mit 12 Goldmedaillen "historisch schlecht". Um bei Olympia aufzufallen, muss ein Land in vielen verschiedenen Sportarten sehr gute Strukturen und Athlet_innen haben. Dafür haben die sticnkreichen Zwergstaaten schlicht keine Ausdauer und keinen Platz. Katar konzentriert sich auf ein paar Sachen, aber der Erfolg ist mäßig, siehe deren Handball-WM unlängst.
Ja, man kann Sport demokratisieren, indem man den Spitzensport zugunsten des Breitensports abschafft.
Sport ist das sich selber bewegen, dafür braucht es Sportstätten die für Alle zugänglich sind, mehr nicht.
Alles andere ist eine Variante der Gladiatorenkämpfe,panem et circenses.
Aber gerne doch. Dann braucht man die Olympiateilnehmer*innen und ähnliche Spitzensportler ja auch nicht mehr staatlicherseits fördern. Würde viele Mittel für den demokratischen Breitensport frei werden lassen.
Interessanter Gedanke, aber wieviele Sportler wünschen sich denn tatsächlich, dass Nationen in der Hintergrund treten?
Mein Eindruck ist, dass viele Beteiligte durchaus Freude daran haben, Teil eines größeren Teams (Team D!) zu sein.
Ich finde, es sollte viel mehr deutlich gemacht werden, dass der Sport nichts mit Demokratie oder Deutschland zu tun hat.
Die sogenannten Nationalmanschaften, Bundeskader etc sind Auswahlen eines jeweiligen Sportverbandes. In einigen Fällen sind das Millionenkonzerne udn nur weil z.B. der DFB der größte Fussballverband in Deutschland ist, hat diese Mannschaft nichts mit Deutschland als demokratischer Staat zu tun.
Die Manschaften vertreten nicht Deutschland, sondern ihren Sportverband.
Man könnte Sportler und Sportlerinnen ja als Individuen behandeln, die, wenn sie als Staffeln oder Teams antreten, sich über sportinterne Netzwerke finden, nicht über Staatsangehörigkeit.
Stimmt. Das wäre echt gut. Ich habe auch schon einige Team-Namen, die es dann geben wird: Team Adidas, Team Nike, Team Puma, Team Bayer, Team Tesla, Team VW...
@Strolch Genau das, was Sie geschrieben haben, habe ich mir während des Lesens dieses Textes auch gedacht. In
der Formel 1 gibt es das schon immer: Team Ferrari, Mercedes usw. Bei alpinen Skiwettbewerben erwarte ich das schon seit mindestens 30 Jahren: Team Rossignol, Team Kneissl, Team Fischer usw. Ein Tausch der Nationalitäten gegen Firmennamen. Das konnte dort bisher verhindert werden.
Ansonsten ist mir noch die Frage eines sehr lieben Kollegen eingefallen, welcher, der deutschen Sprache damals noch nicht sonderlich mächtig, den Wortschwall eines Anrufers unterbrach mit: "Was wollen eigentlich?".
Mit dem Rohstoff Lithium muss sparsamer umgegangen werden als bisher. Die Gigantomanie bei E-SUVs mit 700 Kilogramm Batteriemasse ist inakzeptabel.
Olympischer Nationalismus: Nationen verdienen kein Gold
Der Medaillenspiegel bei Olympia ist nach Ländern sortiert. Doch es sind die Sportler*innen, die siegen. Höchste Zeit, den Sport zu demokratisieren.
Ganz vorne in der Nationenwertung: Die Basketballerin Diana Taurasi feiert den Gewinn der Goldmedaille für die USA in Paris Foto: Brian Snyder/reuters
Worum geht es hier? Die USA vorne, dicht gefolgt von China und mit Abstand dahinter Japan. Werden hier Bruttoinlandsprodukte verglichen? Nein, es ist der Medaillenspiegel der Olympischen Spiele, der Gold-, Silber- und Bronzemedaillen pro Nation bilanziert.
Dass die USA und China vorne liegen, deutet an, dass es sehr wohl ein wenig Auskunft über politische und wirtschaftliche Stärke gibt, was hier mit den Mitteln des Sports gezeigt wird. Zugleich hat es viel mit der jeweiligen Sportförderung zu tun, die etwa in Frankreich staatlich orchestriert sehr auf die Spiele in Paris fokussiert war, wie man es in Westdeutschland von den Münchner Spielen 1972 kennt.
Schon dass der Sport durch Verbände wie das IOC sportliche Stärke nationalistisch sortieren lässt, informiert uns darüber, wie die Welt derzeit beschaffen ist.
Zudem spiegeln die Ergebnisse auch die Globalisierung wider: Mehr Sieger und Siegerinnen aus kleinen Ländern bedeutet weniger Medaillen für Großmächte. Weltstars kamen eben in früheren Jahrzehnten nicht aus Saint Lucia, Algerien oder Israel. Und dass es eine Bronzemedaillengewinnerin aus dem Team Refugees gibt, eine Frau, die wegen ihrer Homosexualität aus Kamerun flüchten musste, sagt einiges über den Zustand der Welt 2024.
Schon dass der Sport durch Verbände wie das IOC sportliche Stärke nationalistisch sortieren lässt, informiert uns darüber, wie die Welt derzeit beschaffen ist. Dabei ginge es auch anders: Man könnte Sportler und Sportlerinnen ja als Individuen behandeln, die, wenn sie als Staffeln oder Teams antreten, sich über sportinterne Netzwerke finden, nicht über Staatsangehörigkeit.
Nationalwertung erstmals bei Olympia 1936 in Berlin.
Oder bei den Gay Games der queeren Community treten Sportler und Sportlerinnen für ihre Städte an, nicht für Staaten. So etwas nähme bei Olympia schon sehr viel Druck aus dem nationalistischen Kessel – wenn es denn gewünscht wäre.
Aufgekommen ist die Nationenwertung erstmals bei Olympia 1936 in Berlin. Nicht etwa auf Geheiß der NS-Oberen, auch wenn denen der Gedanke gefallen hatte. Aber Goebbels’ Propagandaministerium untersagte „die Aufstellung von Punktlisten für die Olympischen Wettkämpfe“, weil einige Zeitungen es arg plump machten. Deutschland hatte übrigens 1936 die Nationenwertung gewonnen.
Worum also geht es hier? Olympische Spiele sind ja tatsächlich die Bühne für nationale und nationalistische Selbstdarstellung. Das ist kein Missbrauch irgendeiner aus dem Hut gezauberten olympischen Idee, sondern es passt wunderbar zu den Bedingungen, die das IOC stark gemacht haben. Zugleich aber ist die Kritik an diesen schrecklichen Statistiken ein schöner Fingerzeig, dass der Sport dringendst demokratisiert werden muss.
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Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Kommentar von
Martin Krauss
Autor*in
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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