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: Hier spricht der Enkel

In seinem neuen Video nimmt sich der Youtuber Rezo erneut die Klimapolitik der großen Koalition vor. Die entscheidende Frage ist, wen er mit seiner vernichtenden Bilanz erreicht

„Für viele von euch hört sich das jetzt maybe frustrierend an“ – Rezo in seinem neuen Youtube-Video zur Klimapolitik der Großen Koalition. Sein ­Kommentar zu ihrem Klimaschutzpaket? LoL – Lachen ohne Laute Screenshot: Youtube/taz

Von Heike Holdinghausen

Wen und was erreicht Rezo mit seinem jüngsten Video? Wer der Meinung ist, dass die kommende Wahl eine „Klimawahl“ ist, für den sind das die entscheidenden Fragen. Denn Artensterben und vor allem Klimawandel sind die beiden Themen in Rezos neuem Beitrag „Zerstörung Teil 2“. Ganz klassisch arbeitet er diese Themen durch, erklärt Institutionen wie den Weltklimarat IPCC, nennt aktuelle Zahlen über Erderwärmung oder Dürren weltweit und in Deutschland und ackert sich durch die Energie- und Klimapolitik der Großen Koalition.

Screenshot: Youtube/taz

Wie in seinen vergangenen politischen Videos „Zerstörung Teil 1“ oder „Zerstörung der CDU“ ist die Union Hauptzielscheibe seiner Kritik, der er ein Komplettversagen im Zukunftsthema Klimapolitik vorwirft. Die Partei falle bei der „Wissenschaftsleugnung extrem negativ auf“, CDU-Politiker stünden auf der Gehaltsliste von Konzernen wie RWE und verhinderten nicht nur eine wirkungsvolle Klimapolitik, sondern auch die ökonomische Entwicklung, indem sie Zukunftstechnologien wie die Solarindustrie ausbremsten. Hübscher Einfall: Verkehrsminister Andreas Scheuer wird als neue Einheit für die Verschwendung von Steuergeld eingeführt. Aber auch FDP und SPD bekommen ordentlich was ab. Die Sozialdemokraten erscheinen bei Rezo wie ein bloßer Anhang der Union, der deren miese Klimapolitik die ganze Wahlperiode lang lediglich brav mitgetragen hat. Und Nicola Beer, FDP-Politikerin und Vizepräsidentin des Europaparlaments, wird in Sachen Klimapolitik des „völligen Bullshits“ überführt.

Neu ist das alles nicht. Wer eine Tageszeitung liest oder Nachrichten guckt, der kann das alles wissen, was Rezo erzählt. Das ist ja gerade das Desaster, dass sowohl die Probleme als auch die politischen Lösungen (zumindest in Teilen) seit Jahren auf dem Tisch liegen. Dass sie aber von der Großen Koalition nicht verstanden, nicht gewollt und dementsprechend auch nicht umgesetzt werden. Insofern steckt hinter „Wen oder was erreicht Rezo?“ die bange Frage: Predigt auch der knapp 30-Jährige nur zu den Gläubigen? Schauen nur die irgendwas zwischen 10 und 20 Prozent der Wahlberechtigten zu, die die Klimakrise verstanden haben und wollen, dass die nächste Bundesregierung sie ernsthaft angeht, schreiben begeisterte Kommentare darunter – und Ende der Vorstellung?

Interessant ist, worüber Rezo in seinem 33-minütigen Video nicht spricht: Die Grünen kommen genauso wenig vor wie Fridays for Future. Obwohl sich der Beitrag wie ein einziger Wahlwerbespot für die Grünen anhört, wird die Partei nicht erwähnt; genauso wenig wie Fridays for Future. Teil der Jugendbewegung will Rezo nicht sein, obwohl er sie unterstützt und ihre Ziele teilt, das hat er in Interviews und Texten gesagt.

Screenshot: Youtube/taz

Rezo tritt als Solitär auf. Er nutzt Jugendsprache so kunstvoll wie bewusst. Geschickt streut er prestigeträchtige Worte wie „sus“ – verdächtig – ein, tänzelt und quatscht sich mit einer ungeheuren Zahl an Anglizismen durch seinen Text.

Screenshot: Youtube/taz

Erstaunlicherweise nervt das nicht. Es ist amüsant. Durch sein Auftreten, seine Sprache und sein Medium, die sozialen Medien, besitzt er ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit – vermutlich vor allem für Ältere. An die wendet sich Rezo am Ende seines Beitrags ganz explizit, in einem berührenden Aufruf. Sie möchten doch bitte das Richtige wählen, um den Kindern und Jugendlichen eine lebenswerte Zukunft zu ermöglichen, die sich den Älteren gegenüber während der Corona-Epidemie so solidarisch verhalten hätten.

Funktioniert das? Wird er als authentischer Vertreter einer so sympathischen wie bedrohten Jugend diejenigen Älteren erreichen, die den Klimawandel zwar irgendwie wahrnehmen, die aber bislang nicht bereit sind, ihr Konsum- und Wahlverhalten entsprechend umzustellen? Schön wär’s ja.