Friedrich Merz' Putschversuch: Erneuerer, der ins Gestern will
Für jeden Wähler, den die Merz-CDU rechts dazugewönne, verlöre sie links mehrere. Die Partei wäre dann schlicht nicht mehr anschlussfähig.
D ie Chuzpe eines Friedrich Merz würde man ja gern mal haben. Der Sauerländer lästert öffentlich über die „mangelnde Führung“ der Kanzlerin und das Erscheinungsbild ihrer Regierung, das „einfach grottenschlecht“ sei. Ein Mann, der es vor einem Jahr nicht geschafft hat, eine Mehrheit der CDU-Delegierten von sich zu überzeugen, erhebt sich also über eine Frau, die vier Bundestagswahlen gewann und 18 Jahre lang das Parteiamt ausübte, an dem er kläglich scheiterte.
Friedrich Merz ist so etwas wie der Prototyp des alten weißen Mannes. Er weiß immer, wo es langgeht, auch wenn seine eigenen Erfolge überschaubar sind. Er hat ein Problem mit mächtigen Frauen und viele Ideen, die befremdlich überholt daherkommen. Merz liebt den Diesel, hält eine Grundrente für Sozialgedöns, obwohl sie Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, die Altersarmut ersparen würde. Merz verunglimpft den Mietendeckel, auf den Hunderttausende Berliner MieterInnen hoffen, als DDR-Politik. Merz steht, kurz gesagt, für einen ungehemmten Marktliberalismus, der aus der Zeit gefallen wirkt.
Die CDU wäre inhaltlich schlecht beraten, auf einen Kanzlerkandidaten oder Parteichef Merz zu setzen. Er wäre der Traumgegner der Habeck/Baerbock-Grünen. Von der AfD holte er kaum WählerInnen zur CDU zurück, weil diese die Radikalisierung ihrer Partei nicht nur dulden, sondern goutieren. Dafür ließe er in der Mitte viel Platz für die selbstbewussten Ökoliberalen. Für jeden Wähler, den die Merz-CDU rechts dazugewönne, verlöre sie links mehrere. Ein Erneuerer, der ins Gestern führen will, taugt nichts.
Auch die Reihen seiner Verbündeten sprechen Bände. Die Werteunion, die für Merz und gegen Merkel trommelt, ist eine ultrakonservative Splittergruppe in der CDU, die immer mal wieder in AfD-Sprech abrutscht. Und Tilman Kuban, der Chef der Jungen Union, verteidigt tapfer das Recht der Deutschen, ein Stück Fleisch auf den Grill zu hauen und nach Mallorca zu fliegen. Obwohl keiner solche Gewohnheiten verbieten möchte. Dafür schiebt Kuban, wenn er über Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) spricht, ein verschwitztes „Den Namen gibt’s wirklich“ hinterher. Hö, hö, Altherrenwitze gehen immer, wa?
Eine Merz-CDU, die sich so präsentiert, wäre für das 21. Jahrhundert schlicht nicht anschlussfähig. Sie wäre für Frauen ebenso wenig attraktiv wie für MigrantInnen, sendete also an Gruppen vorbei, um die sich Parteistrategen seit Jahren bemühen. Ja, Angela Merkels Zeit ist absehbar vorbei. Ja, Annegret Kramp-Karrenbauer wirkt mit ihrem Amt überfordert. Aber das bedeutet nicht, dass Merz der Richtige wäre, um die CDU in die Zukunft zu führen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung