Wirtschaftliche Lage in Russland: Schuld ist immer der Westen
Putin selbstgewiss: Beim Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg belächelt der russische Präsident die Sanktionen gegen sein Land.
„Immerhin etwas, das in unserem Land immer gleich bleibt“, spotten Telegram-User. Derweil läuft Werbung über die Bildschirme. „Russland ist eine Brücke für Dialoge. Russland steht ein für eine Welt ohne Kriege und Konflikte. Wir müssen nicht zwischen Wir und Sie teilen, wir müssen einander zuhören“, hallt es durch die Reihen.
Nach mehrstündigem Warten taucht der Präsident auf – und legt los mit Schuldzuweisungen. Die Welt stehe vor neuen Herausforderungen, weil „unsere Partner alle Regeln unterminiert haben“ – „ihres eigenen Ehrgeizes wegen“. Die USA hielten sich für Gott und zwängen alle dazu, nach ihren Regeln zu spielen. „Alle anderen halten sie für Völker zweiter Sorte.“ Eine solche Welt „ist zu Ende“, raunt Putin.
Bereits im Grußwort zum Forum verwies der 69-Jährige auf „jahrelange Fehler der westlichen Staaten in der Wirtschaftspolitik und die unrechtmäßigen Sanktionen“, die zu einer „Welle der globalen Inflation, zur Zerstörung gewohnter Liefer- und Produktionsketten, zu einem starken Anstieg der Armut und zum Defizit bei Lebensmitteln“ geführt hätten.
Es herrscht Deflation
An seinem Pult auf der Bühne spricht er von „Russophobie“, „sinnlosen und gedankenlosen Sanktionen“, „einer propagandistischen Kampagne des Westens“. Und: „Wir sind starke Menschen und können jede Aufgabe lösen, dafür spricht unsere tausendjährige Geschichte.“
So manche Meldung klingt – vordergründig – nach Erfolg. Der Rubel ist so stark wie seit Jahren nicht mehr. Der Leitzins ist auf Vorkriegsniveau, die Inflation ist gedrosselt. Eine völlige Pleite der Sanktionen? So einfach ist es nicht.
Die russische Zentralbank sei zwar professionell mit der Bankenpanik umgegangen, sagt die Wirtschaftsgeografin Natalja Subarewitsch von der Moskauer Staatsuniversität. „Ganz nach Lehrbuch.“ Der größere Umbau stehe allerdings noch bevor. De facto sei der Rubel nicht mehr konvertierbar, sagt die Professorin. Der Kurs sei künstlich, von der Wirtschaftslage losgelöst.
Russland nimmt derzeit mehr ein als es ausgeben kann. Zudem sind die Preise für Öl und Gas enorm gestiegen. Die Menschen kaufen weniger. Nach anfänglicher Inflation herrscht nun Deflation. Das Land braucht allerdings Importe. Vor allem im Maschinenbau fehlt es an Ersatzteilen, auch im Verkehr oder in der Energiewirtschaft. Die Produktion stockt, die Arbeitnehmer*innen sind in Kurzarbeit. Manche wissen nicht, ob sie den Arbeitsplatz danach behalten werden.
Die Statistik zur Wirtschaftsentwicklung hat der Staat indes zur Geheimsache erklärt. „Die Disbalance zwischen Gesagtem und Tatsächlichem ist gewaltig“, sagt Subarewitsch. „Der wirtschaftliche Krieg kann uns nicht bezwingen“, betonte Putin in Petersburg.
Derweil wird in Deutschland die Debatte ums Energiesparen immer lauter. Die Rede ist vom „gesetzlich verordneten Frieren“. „Zur Not“ natürlich. „Unsinnig“ sei das, findet Bauministerin Klara Geywitz (SPD). Nicht für ausgeschlossen hält es Wirtschaftsminister Robert Hbeck (Grüne).
Da die Gasspeicher nach der Drosselung und der eventuell drohenden Einstellung russischer Gaslieferungen durch die Nord-Stream-1-Röhre bis zum Winter nicht voll gefüllt sein könnten, sprach Habeck von „weiteren Maßnahmen zur Einsparung, zur Not auch gesetzlich“. Die Lage sei ernst. Bundesnetzagentur, Wohnungswirtschaft und Städte- und Gemeindebund forderten niedrigere Vorgaben zu Mindesttemperaturen in Wohnungen, um auf Engpässe reagieren und Gas sparen zu können.
Vermieter sollten die Heizungsanlage während der Heizperiode nicht mehr auf mindestens 20 bis 22 Grad hochstellen müssen, sondern die Vorgaben könnten zeitweise sinken. Geywitz erwiderte: „In der Rechtsprechung sind 20 Grad Minimum festgelegt.“ Alles darunter könne sogar gesundheitsgefährdend sein.
„Gerade Ältere, Pflegebedürftige und chronisch Kranke halten sich zu Hause auf und sind besonders angewiesen auf beheizte Räume“, betonte auch Verena Bentele, die Präsidentin des Sozialverbands VdK. Die Politik müsse für den Winter „Lösungen finden, die nicht wieder Rentnerinnen und Rentner benachteiligen.“
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